(Symbolbild: Pavel Danilyuk/Pexels)

Pro Life

Frank­reich öff­net das Tor zur Euthanasie

Die fran­zö­si­sche Natio­nal­ver­samm­lung hat am Diens­tag­abend mit 305 gegen 199 Stim­men in ers­ter Lesung ein Gesetz ange­nom­men, das die assis­tierte Ster­be­hilfe sowie die Eutha­na­sie (= Tötung auf Ver­lan­gen) erlaubt. Eben­falls ange­nom­men wurde ein Gesetz zur För­de­rung der Palliativmedizin.

Das Gesetz zur Sterbehilfe ist ein Herzensanliegen von Präsident Emmanuel Macron. Er erklärte dessen Annahme gar zu einem Akt der Brüderlichkeit. Bereits am 2. April 2023 hatte sich der Bürgerrat in Frankreich mit grosser Mehrheit für die Legalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen. Der Wahlsieg des «Rassemblement National» hatte die Debatte zunächst gestoppt. Die Regierung unter Premierminister François Bayrou teilte dann die Gesetzesvorlage in eine Vorlage zur Sterbehilfe und eine Vorlage für den Ausbau der Palliativmedizin auf. Nach einem Jahr Pause hatte die Französische Nationalversammlung am 12. Mai 2025 die Debatte über die Gesetzesvorlage zur Sterbehilfe wieder aufgenommen.

Die Parlamentarier nahmen die Gesetzesvorlage zur Förderung der Palliativmedizin einstimmig an. Dies ist ein wichtiges Zeichen der Nationalversammlung, konnte sich die Palliativmedizin in Frankreich aufgrund von Personalmangel und fehlenden Mitteln noch nicht ausreichend entwickeln; es wurden im Gegenteil immer wieder Mittel gestrichen. Aktuell existiert in mehr als 20 Prozent der französischen Departements keine Palliativversorgung.

Assistierter Suizid als Normalfall, Euthanasie als Ausnahme
Diametral zu diesem Entscheid steht die Annahme des Gesetzes zur Sterbehilfe, das den assistierten Suizid und die Euthanasie erlaubt – wobei diese Begriffe im Text selbst nicht vorkommen. Der gewählte Begriff «aide à mourir» verschleiert den Sachverhalt, was insbesondere von den verschiedenen Religionsführern in Frankreich kritisiert wird.

Für die Inanspruchnahme des assistierten Suizids resp. der Euthanasie müssen fünf Bedingungen erfüllt sein: Volljährigkeit; französische Staatsbürgerschaft oder festen Wohnsitz in Frankreich; eine schwere, unheilbare Krankheit in fortgeschrittenem Stadium und damit verbunden unerträgliches körperliches oder psychisches Leid; Urteilsfähigkeit.
Menschen mit Alzheimer oder Demenz, psychiatrischen Erkrankungen oder im irreversiblen Koma sind ausgeschlossen. Frühere Patientenverfügungen gelten als bindend.

Durch die Intervention der französischen Gesundheitsbehörde «Haute Autorité de Santé» wurde die Angabe «fortgeschrittenes Stadium» präzisiert. Dieses liegt nun vor, wenn «ein irreversibler Prozess eingetreten ist, der durch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der kranken Person gekennzeichnet ist und ihre Lebensqualität beeinträchtigt».

Im Rahmen der Beratungen über dieses Gesetz verschärften die Abgeordneten Artikel 6: Im ursprünglichen Text war nur ein einzelner Arzt zur Beurteilung eines Antrags auf Sterbehilfe und für die Verschreibung des tödlichen Präparats vorgesehen. Neu muss die Beurteilung durch ein Team von «mindestens zwei Ärzten und einer Pflegekraft» bestehen. Bei der Sitzung müssen diese physisch anwesend sein, Video- oder Telefonkonferenzen sind nur im Ausnahmefall erlaubt.

Sah der ursprüngliche Entwurf generell die Wahlmöglichkeit vor, die tödliche Substanz selbst zu nehmen oder sich von einer medizinischen Fachkraft verabreichen zu lassen, legt die angenommene Gesetzesvorlage fest, dass der Sterbewillige das Präparat selbst einnehmen muss. Nur wenn er physisch dazu nicht in der Lage ist, kann er einen Arzt oder eine Pflegekraft um Hilfe bitten.

Das Gesetz ermöglicht es Ärzten und Pflegekräften, Sterbehilfe aus Gewissensgründen zu verweigern. Dies gilt aber nicht für Apotheker, die das tödliche Produkt liefern, sowie für Einrichtungen wie Pflegeheime.

Gestrichen wurde die Forderung, den Tod durch Sterbehilfe als «natürlichen Tod» auszuweisen, wie dies in Luxemburg seit dem 11. Februar 2021 gemacht wird.

Kurz vor Ende der Beratungen sprach sich die Nationalversammlung mit 84 zu 49 Stimmen für die Einführung eines Straftatbestands der «Behinderung des Zugangs zur Sterbehilfe» aus. Wer die Durchführung oder Information über die Sterbehilfe behindert, wird mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro bestraft.
 


Katholische Kirche bezieht klar Stellung
Das Gesetz zur Sterbehilfe wird von Ärzten, Pflegekräfte und Pflegeorganisationen massiv bekämpft. Auch die «Konferenz der Leiter von Religionsgemeinschaften in Frankreich» (Conférence des responsables de culte en France CRCF) – Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Juden, Muslime und Buddhisten – warnte in einem «Gemeinsamen Wort» vor «schwerwiegenden Fehlentwicklungen» («swiss-cath.ch» berichtete). «Hinter einem scheinbaren Willen zum Mitgefühl und zur Begleitung vollzieht dieser Text einen radikalen Umschwung: Er führt die Möglichkeit der Verabreichung des Todes – durch assistierten Suizid oder Euthanasie – gesetzlich ein und stellt damit die Grundlagen der medizinischen und sozialen Ethik radikal auf den Kopf.» Die Aufnahme der Sterbehilfe in das Gesetzbuch verstosse fundamental gegen den Hippokratischen Eid und das Grundprinzip der Pflege, das darauf abzielt, Linderung zu verschaffen und nicht zu töten. Die blosse Existenz einer solchen Option könne bei Patienten «toxische Schuldgefühle auslösen» – das Gefühl, «eine Last zu sein».

Die Französische Bischofskonferenz (CEF) hatte sich bereits im Vorfeld entschieden gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen und die Katholikinnen und Katholiken aufgerufen, ihre Abgeordneten zu kontaktieren sowie Gebetsaktionen zu starten. Auf den gestrigen Entscheid der Nationalversammlung hat sie bereits reagiert.

Zunächst begrüssen die Bischöfe die Annahme des Gesetzesvorschlags über «Palliativbegleitung und -pflege»; sie werden dessen Umsetzung aufmerksam verfolgen.
Die Bischöfe bekräftigen ihre grosse Besorgnis über die Verabschiedung des Sterbehilfe-Gesetzes. «Die CEF wird weiterhin zu dieser wichtigen gesellschaftlichen Debatte während des gesamten Gesetzgebungsprozesses beitragen, der nun fortgesetzt wird.» In erster Linie wird sie den Senatoren, die jetzt den Gesetzesentwurf weiterberaten, und dann in zweiter Lesung wieder den Abgeordneten sowie allen französischen Bürgern Informationen zur Verfügung stellen, die ihnen helfen sollen, dieses «unendlich ernste, komplexe und auch beängstigende Thema der Sterbebegleitung» besser zu verstehen. Die Katholische Kirche stütze sich dabei insbesondere auf die Erfahrung der 800 Krankenhausseelsorger und 1500 ehrenamtlichen Helfer, die täglich Kranke und ältere Menschen besuchen sowie auf die Tausenden von Priestern, Diakonen, Ordensleuten und Laien, welche die Trauernden bei einem Todesfall begleiten.

Die Bischöfe sind zutiefst besorgt über die Folgen für die französische Gesellschaft und bekräftigen ihre Entschlossenheit, die Stimme für die Schwächsten zu sein. Die Bischofskonferenz schliesst ihre Stellungnahme mit einer Botschaft der Unterstützung an die unzähligen Pflegekräfte, Psychologinnen, Psychiater, Ethikerinnen, Juristen und anderen Akteure der Zivilgesellschaft, die sich seit mehr als zweieinhalb Jahren «gegen einen Gesetzestext aussprechen, der den Sozialpakt und das französische Pflegemodell, die bislang weltweit begrüsst und anerkannt wurden, zutiefst gefährden würde».

Aktive Sterbehilfe bereits in fünf europäischen Ländern erlaubt
Das neue Gesetz kommt voraussichtlich im Herbst 2025 in den Senat. Hier werden die Gegner des Gesetzes nochmals Änderungsvorschläge einbringen. Danach folgt die zweite Lesung in der Nationalversammlung. Sollte der Senat das Gesetz zu blockieren versuchen, hat Präsident Emmanuel Macron bereits mit einem Referendum gedroht. Sollte es zu einer Volksabstimmung kommen, stünde deren Ausgang schon fest: Laut Umfragen sind bis zu 90 Prozent der Franzosen für die Euthanasie

Sollte der Gesetzesvorschlag alle Hürden nehmen und definitiv eingeführt werden, wäre Frankreich das sechste europäische Land, das die Euthanasie erlauben würde. Bis jetzt ist dies bereits in Belgien (2002; seit 2014 auch für Kinder), Luxemburg (2009), den Niederlanden (2002, seit 2024 auch für Kinder), Spanien (2021) und Portugal (2023) erlaubt.

Den assistierten Suizid haben bereits 13 europäische Länder eingeführt (zusätzlich zu den bereits aufgeführten Ländern: Deutschland Estland, Finnland, Italien, Österreich, Schweden, Schweiz und Slowenien). Im März 2024 empfahlen Parlamentarier in Irland der Regierung, sowohl die Einführung von assistiertem Suizid wie auch der Euthanasie. Im November stimmten die Abgeordneten für die Legalisierung der Sterbehilfe in England und Wales. Das schottische Parlament hat am 14. Mai 2025 mit 70 zu 56 Stimmen einem Gesetzentwurf zur Legalisierung von assistiertem Suizid grundsätzlich zugestimmt.

Grundsätzlich zeigt sich, dass in Ländern, in denen die Sterbehilfe erlaubt wurde, die Zahl der Menschen, die mithilfe von assistiertem Suizid sterben, konstant zunimmt.

 

Schweiz
Euthanasie (Direkte aktive Sterbehilfe): Die gezielte Tötung zur Verkürzung der Leiden eines anderen Menschen ist nach Artikel 111 (vorsätzliche Tötung), Artikel 114 (Tötung auf Verlangen) oder Artikel 113 (Totschlag) StGB strafbar.
Assistierter Suizid: Nur wer «aus selbstsüchtigen Beweggründen» jemandem zum Selbstmord Hilfe leistet (z. B. durch Beschaffung einer tödlichen Substanz), wird nach Art. 115 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.


Stellungnahme der Französischen Bischofskonferenz vom 27. Mai 2025

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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Bemerkungen :

  • user
    Joseph Laurentin 31.05.2025 um 19:44
    Dieses Gesetz ist kein Akt der Brüderlichkeit – wie es Präsident Macron behauptet –, sondern ein gesetzlich sanktionierter Bruch mit dem göttlichen Gesetz und dem natürlichen Sittengesetz. Was sich hier vollzieht, ist keine spontane gesellschaftliche Entwicklung, sondern die konsequente Frucht einer Denkweise, die seit der Französischen Revolution die Trennung von Kirche und Staat zum Dogma erhoben hat. Die Ideale der Freimaurerei – Autonomie, Säkularismus und „Freiheit“ ohne Gott – prägen seither das Denken westlicher Gesellschaften. Der Begriff der Selbstbestimmung, losgelöst vom Schöpfer, ist Ausdruck genau dieses freimaurerischen, gottlosen Denkens, das das Geschöpf zum Maß aller Dinge macht. Doch der Mensch ist nicht sein eigener Herr. „Du sollst nicht töten“ (Ex 20,13) ist nicht relativ, sondern ewig gültiges göttliches Gebot. Euthanasie – gleich unter welchem Decknamen – bleibt ein direkter Angriff auf die Herrschaft Gottes über Leben und Tod.