Christus im Sturm auf dem See Genezareth. Gemälde von Jan Brueghel the Elder (1568–1625) © Wikimedia Commons

Kirche Schweiz

Gre­mi­en­ka­tho­li­zis­mus auf das Evan­ge­lium vom Boot im Sturm angewandt

Kaum jemand bezwei­felt, dass sich die Kir­che gegen­wär­tig im Sturm befin­det. Einig­keit besteht darin, dass sich in naher Zukunft der Per­so­nal­man­gel zuneh­mend ver­schär­fen wird. Die­sen Pro­ble­men wol­len die Bischöfe, die RKZ und Kan­to­nal­kir­chen mit einem aus­ufern­den Gre­mi­en­ka­tho­li­zis­mus begeg­nen. Wie absurd das Ganze ist, lässt sich am Evan­ge­lium vom Boot im Sturm zei­gen, wenn man es auf die heu­tige Situa­tion adaptiert.

Unter dem Schlagwort «Pastoral- und Personalentwicklung» ist im Bistum Chur ein Aktivismus im Gange, der die Dekanate, Räte und Kommissionen erfasst hat. Dafür wurde eigens ein «Diözesanes Pastoralentwicklungsteam» eingesetzt. Mit Personalfragen befasst sich nicht nur der Bischofsrat, sondern auch eine Pilot-Arbeitsgruppe zum Projekt «Personal Bistum Chur», in der Vertreter der Biberbrugger Konferenz Einsitz haben. Mit diesen neuen Strukturen will man (der Bischof?) der Krise begegnen und angesichts der zunehmend dramatischen Situation will kaum jemand die Existenzberechtigung dieser Strukturen ernsthaft in Frage stellen.

Das Thema «Pastoral- und Personalentwicklung» wird nun überall auf die Tagesordnungen gesetzt. Da ist dann jeweils die Rede von Visionen. Wir kennen die Visionen der Propheten und Apostel in der Hl. Schrift. Aber sonst deckt der Begriff «Vision» heutzutage eine grosse Bandbreite ab: vom genialen Einfall bis zum Hirngespinst. Weiter ist von Prozessen die Rede, die begleitet werden müssen. Man beschwört den «Reichtum der Vielfalt» und beteuert, dass «Innovation trotz Reduktion» möglich und die «Vernetzung nach innen und aussen» notwendig ist.

Mit Blick auf das Evangelium vom 12. Sonntag im Jahreskreis kommt es mir so vor, dass da in unserer Kirche etwas ganz anderes abläuft, als damals in dem Boot, das sich mit Wasser zu füllen begann (Mk 4, 35-41). Die Jünger weckten Jesus und riefen: «Meister kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?» Darauf griff Jesus ein und der Wind legte sich.

Die heutige Situation der Kirche in der Schweiz auf dieses Evangelium übertragen, sieht etwa so aus:

Statt Jesus zu wecken, diskutierten die Jünger zunächst, ob sie eine Arbeitsgruppe, eine Spurgruppe oder eine Kommission gründen sollten, welche sich der überaus aktuellen Problematik annehmen soll. So gründeten die Jünger zuerst einmal eine Kommission namens «Projekt: Wir halten uns über Wasser», wobei sie sich mit der Frage verzettelten, wie viele von ihnen und wer da alles Einsitz nehmen solle. Die vier ehemaligen Berufsfischer betonten ihre fachliche Kompetenz, während Matthäus dafür votierte, die Kommission breit aufzustellen und auch fachfremde Personen in diese verantwortungsvolle Aufgabe zu berufen. Einer schlug vor, einen externen Berater ins Boot zu holen, verwarf dann diesen unüberlegt laut ausgesprochenen Gedanken wieder. Ein anderer wollte das Problem mit einem eigens einberufenen «Strategietag» gründlich analysiert haben. Dem entgegnete ein weiterer Jünger, er finde diesen Ausdruck zu wenig dramatisch und redete dem «Zukunftstag» das Wort. Judas Iskariot plädierte für eine angemessene Entschädigung der Kommissions-Mitglieder aus der Armenkasse und beklagte den nicht behebbaren Umstand, dass die Kommission nicht zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt werden konnte. Nachdem dieser langwierige Prozess des Nachdenkens und Diskutierens abgeschlossen und das Schiff bereits halbvoll mit Wasser angefüllt war, erörterte man in der Kommission endlich, wer alles Wasser schöpfen soll.

Wie das ausgehen würde, kann man sich gut vorstellen. Man wünscht sich für diese bemitleidenswerten Jünger den Moment herbei, in dem Jesus auf dem inzwischen durchnässten Kissen erwacht und die Jünger anbrüllt: «Seid ihr eigentlich alle verrückt? Warum habt ihr mich nicht geweckt?» Er droht dem Wind: «Sei still», löst die Kommission umgehend auf und bringt den Jüngern den Kern seiner Verkündigung wieder ins Gedächtnis:

«Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ausser durch mich» (Joh 14,6).

«Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben» (Joh 8,12).

«Wenn ihr mich liebt, werde ihr meine Gebote halten» (Joh 14,15).

«Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben …» (Joh 15,10).

Doch davon ist in unserem Gremienkatholizismus kaum die Rede. Dazu wurde er auch nicht gegründet, heisst es hinter vorgehaltener Hand.


Roland Graf
swiss-cath.ch

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Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


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Bemerkungen :

  • user
    Gabriela Ulrich 01.07.2024 um 14:02
    GELEITE DURCH DIE WELLEN

    das Schifflein treu und mild, zur heiligen Kapelle, zu deinem Gnadenbild. Und hilf uns in den Stürmen, wenn sich die Wogen türmen. Mara, Maria, o Mara hilf!
    Und die verlassenen klagen im Sturm und Frost und Wind, die unterdrückt, geschlagen, verwaist und hilflos sind, wenn jeder Tag verschwunden den Kranken, Todeswunden. Maia, Maria, o Maria hilf!
    Erbitt von Gott uns Frieden, erbitt uns Heiligkeit. Vereine, was geschieden, versöhne, was im Streit, dass wir zu deinen Füssen als G`schwister dich begrüssen. Maria, Maria, o Maria hilf!
    Geleit uns durch die Wellen zu deinem Gnadenort, zum ewig sonnenhellen, geweihten Friedensport, dass dort das Schifflein lande am liebsten Heimatstrande. Maria, Maria, o Maria hilf!

    (reihnisch, Bornhofen, 18. Jahrhundert) Marienlied
  • user
    Agnes Eilinger-Weibel 28.06.2024 um 12:34
    Genau!! Auf den Punkt gebracht!!
    "Bittet den Vater, dass ER Arbeiter in
    SEINEN Weinberg sende" ...und diese dann nach SEINEM Willen und in Jesu Namen wirken lassen...
  • user
    Marie-Theres Steiner 25.06.2024 um 21:18
    Danke Roland für diese wahrhafte Auslegung des Evangeliums vom letzten Sonntag.
    Fürwahr Kommissionen hier, Räte da, ach was soll den das.
    Dies alles bringt doch nichts, wenn die Wahrheit verleugnet wird.
  • user
    Gabriela Ulrich 25.06.2024 um 18:16
    Ein ausgezeichneter Artikel "Gremienkatholizismus auf das Evangelium vom Boot im Sturm angewandelt" von Roland Graf. Der Bischof, die RKZ und Kantonalkirchen wollen dem Personalmangel in naher Zukunft mit einem ausufernden Gremiumkatholizismus begegnen, um das Dualesystem aufrecht zuerhalten. Dass das Petrischiff am sinken ist, berührt sie nicht einmal. Von Umkehr absolut keine Spur! Die Folge ist, dass die schönen katholischen Kirchen in eine andere Nutzung umgewandelt werden, aufgrund der Kirchenaustritte. Den Weltpriester der Priesterbruderschaft St. Petrus, des Institut Christuskönig und Hohepriester usw. überlässt man die Kirchen nicht. Nur Priestern können die heilige Messe feiern! Aus diesem Grund ist es völlig ungerecht, dass den guten Priestern, die Kirchen verwehrt werden. Gebt die Schlüssel der Kirchen und Kapellen den heilgmässigen Priestern in die Hand, damit das Evangelium verkündet wird. Dann wird keinen Personalmangel geben.

    Das neue Jerusalem
    Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den letzten sieben Plagen hatten, und sagte zu mir: Komm, ich zeige dir die Braut, die Frau des Lammes. Die entzückte er mich im Geist auf einen grossen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabstieg, " im Besitz der Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz war wie der eines kostbaren Edelsteins, wie kristallklarer Jaspis. "Eine Mauer hat sie, gross und hoch; sie hat zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen sind darauf geschrieben - die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels: Im Osten drei Tore, im Norden drei Tore, im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. " Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine mit den zwölf Namen der Apostel des Lammes. Offenbarung 21,9 - 14 Das neue Testament, Verlag Herder