Prozession am Palmsonntag in San Cristobal de las Casas, Mexiko. (Bild: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Neuevangelisierung

Hosi­anna dir, Erlö­ser und König!

Der Palm­sonn­tag ist das Tor zur Kar­wo­che. In sei­ner Lit­ur­gie fal­len der Jubel, der dem ein­zie­hen­den König gilt, mit dem Ruf «Ans Kreuz mit ihm» zusam­men, doch im Hin­ter­grund schim­mert bereits die Hoff­nung der Auf­er­ste­hung durch.

Der Palmsonntag steht am Beginn der Karwoche. Der Name – von kara, althochdeutsch für Sorge, Kummer – weist nur auf einen Aspekt der Vorbereitung auf Ostern hin: das Leiden Christi. Die Vorbereitung auf die Auferstehung Christi kommt in dieser Bezeichnung nicht vor, weshalb in der Liturgie der Begriff «Heilige Woche» verwendet wird.
Ursprünglich umfasste sie die ganze letzte Woche der österlichen Busszeit von Palmsonntag bis Karsamstag, seit der liturgischen Neuordnung durch das Zweite Vatikanum ist das Ostertriduum (Abendmahlsmesse des Gründonnerstags bis Ostersonntag) davon abgeteilt, sodass die Karwoche als liturgische Zeiteinheit vor der Abendmahlsmesse des Gründonnerstags endet.

Jubel dem kommenden König
Mit dem Palmsonntag («Dominica in Palmis de passione Domini») tritt die Kirche in die Feier der österlichen Geheimnisse des Herrn ein. Während bis zur Neuzeit in Rom das Leiden des Herrn nach der Passionsgeschichte des Matthäusevangeliums im Mittelpunkt stand, nahmen andere westliche Liturgien (Spanien, Gallien, Nord- und Süditalien) Johannes 12 als Grundlage (Salbung in Bethanien und den Einzug Jesu in Jerusalem). Es entwickelten sich daraus liturgisch inszenierte Einzugsprozessionen.

Ab dem 10. Jahrhundert ritt der Pfarrer auf einem Esel mit. Da sich die Esel häufig störrisch verhielten, wurden sie durch hölzerne Esel mit einer reitenden Christusfigur ersetzt. Das älteste Zeugnis dafür findet sich in der Vita Ulrichs von Augsburg (982/992). Darin wird beschrieben, wie der Klerus am frühen Morgen zur Segnung der Palmen und anderer grüner Zweige zusammenkam. Bei der Prozession in die Kirche wurden die Palmzweige vor der Figur des reitenden Christus niedergelegt. Der Ablauf der Palmsonntagsprozessionen war regional und zeitlich sehr unterschiedlich; die grosse Konstante war der stille Auszug aus und der triumphale Einzug in die Stadt oder das Dorf. Der Christusfigur wurde vom Volk grosse Macht zugesprochen und so berührten die Menschen die Figur mit den grünen Zweigen: Nicht allein durch die Segnung durch den Priester, sondern mehr noch durch den direkten Kontakt zum «lebendig gewordenen» Christus erhielten die Zweige in der Überzeugung der Menschen Unheil abwehrende Wirkungen (Schutz im Gewitter, vor Feuer, Krankheit oder Unglück).

Vermutlich war es diese Frömmigkeit, die dazu führte, dass die Palmesel in der Reformation verboten wurden (Götzenbild). In den katholischen Gebieten blieben die Palmesel mit Christusfigur zunächst erhalten; während der Aufklärung wurden sie endgültig verboten. In manchen Orten überlebte der Brauch oder wurde in den letzten Jahren wieder eingeführt. Bis heute üblich sind jedoch die kunstvoll gebundenen Palmbäume, Palmstöcke usw.
 


Im Lauf der Zeit wurde die Einzugsprozession der Heiligen Messe vorangestellt. Indem die Prozession verkürzt wurde, verlagerte sich der Hauptakzent von der Prozession auf die Segnung der mitgetragenen Palmzweige.

Der Gottesdienst am Palmsonntag beginnt vor der Kirche mit der Erinnerung an den Jubel, mit dem Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem empfangen wurde. Die Gläubigen halten Palmzweige (oder andere grüne Zweige) in den Händen, «Zeichen des Lebens und des Sieges», mit denen sie Christus als ihren König huldigen. Das Gebet bei der Segnung der Zweige verbindet den Einzug in Jerusalem mit der Bitte, dass wir durch Christus auch zum himmlischen Jerusalem gelangen. Nach dem Evangelium über den Einzug in Jerusalem folgt die Prozession in die Kirche; der begleitende Gesang preist Christus als unseren König und tönt bereits das kommende Leiden an.

«Ruhm und Preis und Ehre sei dir, Erlöser und König! Jubelnd rief einst das Volk sein Hosianna dir zu.
Du bist Israels König, Davids Geschlechte entsprossen, der im Namen des Herrn als ein Gesegneter kommt.
Dir lobsingen im Himmel ewig die seligen Chöre; so auch preist dich der Mensch, so alle Schöpfung zugleich.
Einst mit Zweigen in Händen eilte das Volk dir entgegen; so mit Lied und Gebet ziehen wir heute mit dir.
Dort erklang dir der Jubel, als du dahingingst zu leiden; dir, dem König der Welt, bringen wir hier unser Lob.
Hat ihr Lob dir gefallen, nimm auch das unsre entgegen, grosser König und Herr, du, dem das Gute gefällt.»

Hinter allem leuchtet die Auferstehung
Während die Lesungen – Drittes Lied vom Gottesknecht (Jes 50,4–7), Philipperhymnus (Phil 2,6–11) und die Passionsgeschichte – das Leiden Jesu thematisieren, scheint in den Orationen das ganze Ostergeschehen mit Leiden und Auferstehung durch. So auch in der Präfation:

«In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger Vater, zu danken und das Werk deiner Liebe zu rühmen durch unseren Herrn Jesus Christus. Er war ohne Sünde und hat für die Sünder gelitten. Er war ohne Schuld und hat sich ungerechtem Urteil unterworfen. Sein Tod hat unsere Vergehen getilgt, seine Auferstehung uns Gnade und Leben erworben. Darum preisen wir jetzt und in Ewigkeit dein Erbarmen und singen mit den Chören der Engel das Lob deiner Herrlichkeit: Heilig …»

Wenige Tage nach dem triumphalen Empfang unter «Hosianna-Rufen» wird Jesus verhaftet, erschallt der Ruf «Ans Kreuz mit ihm», wird er verurteilt, gefoltert und hingerichtet. Auch die Kirche erfährt immer wieder beides: Jubel und Ablehnung. Wir leben in der Spannung dieser beiden Pole – aber in der Gewissheit der Auferstehung Jesu Christi, in der er alles Böse und Dunkle, ja selbst den Tod besiegt hat. Den Blick stets auf unseren Herrn Jesus Christus gerichtet, werden wir unseren Lauf vollenden, den guten Kampf kämpfen, den Glauben bewahren (vgl. 2 Tim 4,7). In der Karwoche gilt es, Jesus nicht nur in die Stadt Jerusalem zu begleiten, sondern auch in den Garten Gethsemane und auf Golgatha, um dann an Ostern mit ihm aufzuerstehen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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