Hubert Jedin. Bild auf dem Cover des Buches «Lebensbericht», erschienen im Matthias-Grünewald Verlag.

Hintergrundbericht

Hubert Jedin, der Bio­graph des Kon­zils von Trient

Der welt­be­kannte Kon­zils­his­to­ri­ker Hubert Jedin könnte heute, 17. Juni, sei­nen 125. Geburts­tag fei­ern. Der schle­si­sche Pries­ter aus ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen konnte erst mit fast 50 Jah­ren die ers­ten Früchte sei­ner bei­spiel­lo­sen For­schungs­ar­beit ernten.

Hubert Jedin wächst als zehntes Kind der Familie im oberschlesischen Dorf Groß Briesen (heute Brzeziny, Polen) auf. Für die Eltern ist Bildung der Schlüssel für den sozialen Aufstieg; so sparen sie an allem, um den drei Söhnen das Studium zu ermöglichen.

Hubert Jedin wird Priester und promoviert 1925 in Breslau. Sein Bischof erlaubt ihm ein Weiterstudium in Rom. Jedin ist fasziniert von der Geschichte des Konzils von Trient (1545–1563) und habilitiert mit einer voluminösen Biografie über den Konzilspräsidenten und Augustinergeneral Girolamo Seripando. Er erhält eine Anstellung als Privatdozent in Breslau, doch kurz darauf wird er ein Opfer der Politik: Die Nationalsozialisten entziehen Hubert Jedin, dem Sohn einer konvertierten Jüdin, 1933 die Lehrerlaubnis; er kehrt nach Rom zurück. Drei Jahre später gelingt es seinem Heimatbischof, ihm eine Anstellung im Bistumsarchiv zu organisieren, doch am Tag nach der Reichspogromnacht 1938 verhaftet ihn die Gestapo aus dem Archiv heraus zur Verschleppung nach Buchenwald. Aber er wird – wohl in der Annahme, die Verhaftung eines katholischen Priesters müsse ein Irrtum sein – wieder freigelassen. Unter turbulenten Umständen setzt er sich im November 1939 nach Rom ab.

Beginn einer beispiellosen Forschungsarbeit
Unterstützt von Kardinal Giovanni Marcati, dem Präfekten der «Biblioteca Vaticana», nimmt er die Geschichte des Trienter Konzils in Angriff. In den folgenden zehn Jahren kann er sich ganz der Erforschung seiner Quellen widmen: Tausender lateinischer und französischer, italienischer und deutscher, englischer und spanischer Briefe, Berichte, Akten – alle Sprachen der Konzilsteilnehmer werden zu seinen Sprachen. Die Arbeit in mehr als hundert Archiven und Bibliotheken und die Bandbreite der Problemfelder zeigen die Grösse seiner Aufgabe. 1949 kann er mit dem ersten von vier Bänden der «Geschichte des Konzils von Trient» die Früchte dieser wohl unwiederholbaren Forscherleistung ernten. Das Echo der Fachwelt war ausserordentlich – auch wenn sich die heutige Historikergeneration an seinem konventionellen, personenorientierten Geschichtsbild reibt und glaubt, damals moderne Ansätze bei ihm vermissen zu müssen.

Im gleichen Jahr erhält Hubert Jedin die langersehnte Professur in Bonn. Gleichzeitig fliegt sein Liebesverhältnis mit einer deutschen Diplomatengattin auf und sorgt durchaus für vatikanisch-diplomatische Nachwehen. Das ist insofern erwähnenswert, weil er ein dezidierter Befürworter des Zölibats wurde.

Ein «altes» Thema wird topaktuell
Die akademische Lehre in Bonn bereitet Hubert Jedin spürbar Freude. Er gilt als meisterhafter Erzähler und geschickter Pädagoge. Weiterhin widmet er sich seiner Geschichte des Konzils von Trient. Damit hat er sich international einen Namen gemacht – auch wenn sein Spezialgebiet, eine 400 Jahre alte Kirchenversammlung, nicht mehr ganz «up to date» zu sein scheint.

Das ändert sich schlagartig, als Johannes XXIII. im Januar 1959 die Einberufung des Zweiten Vatikanums ankündigt. Es schlägt die Stunde des Konzilienforschers. In nur sechs Wochen verfasst er seine «Kleine Konziliengeschichte», die sich allein in Deutschland mehr als 100 000 Mal verkauft und sogar ins Japanische übersetzt wird; selbst damals ein unerhört kommerzieller Erfolg für ein theologisches Fachbuch.

Zusammen mit italienischen Forschern fasst er den Plan, eine Textausgabe aller als ökumenisch geltenden Konzilien in einem Band herauszugeben; bei der Konzilseröffnung 1962 liegen die «Conciliorum Oecumenicorum Decreta» vor.

Beim Zweiten Vatikanischen Konzil ist Hubert Jedin offizieller Berater («Peritus») des einflussreichen Kölner Kardinals Josef Frings. In den folgenden Jahren des Umbruchs vollzieht Hubert Jedin einen Wandel vom theologischen «Progressisten» zum «Konservativen» – zumindest in den Augen derer, die er selbst beargwöhnt.

In seinem «Lebensbericht» schrieb Hubert Jedin: Gegen Konzilsende «gab ich allen deutschen Bischöfen, mit denen ich zusammentraf, einen aus der Erfahrung der Konziliengeschichte geschöpften Rat: fest und unbeirrt auf der Beobachtung der Konzilsdekrete zu bestehen und sich weder nach rechts – auf einen ihre Wirkung schmälernden Traditionalismus – noch nach links – auf über sie hinausgehende radikale Massnahmen – abdrängen zu lassen. Meine Befürchtungen gingen eher in die erste Richtung. Ich täuschte mich gründlich.» Packend ist in Jedins «Lebensbericht» ganz besonders die Schilderung der Befreiung Roms durch die Alliierten, die er als Bewohner des Vatikans hautnah miterlebte.

Er, der das Konzil so hoffnungsvoll begrüsst hatte, will nun nicht mit ansehen und tatenlos hinnehmen, wie die Beschlüsse links überholt und zum Anlass für viel weitergehende, die Substanz des katholischen Glaubens aushöhlende Veränderungen genommen werden. Besonders geschmerzt hat ihn der Orientierungs- und Niveauverlust an den deutschen Priesterseminaren, gegen den er auch öffentlich Stellung bezog. Gerade weil er, so der Historiker Konrad Repgen, im Grunde kein kämpferischer, sondern «ein weicher Mensch war, der Prinzipientreue und Harmonie verbinden wollte», hatten ihn die aktuellen innerkirchlichen Entwicklungen sehr belastet.

Hubert Jedin hatte sich noch während des Konzils – 1965 – emeritieren lassen, um Zeit für seine wissenschaftlichen Arbeiten zu haben. Trotz seiner Besorgnis über die Entwicklung nach dem Zweiten Vatikanum schafft er es, seine beiden 1970 und 1975 fertiggestellten Bände der «Geschichte des Konzils von Trient» von tagesaktuellen Parallelen freizuhalten. Das hat zwar zweifellos ihre Resonanz in einer politisierten Öffentlichkeit geschmälert, für die Wissenschaft jedoch hat er auf diese Weise den Wert seiner in mehr als 35 Jahren entstandenen Studie über den Tag hinaus gesichert.

Ein Jahr vor seinem Tod kann er 1979 auch sein zweites Vermächtnis abschliessen: das in eineinhalb Jahrzehnten internationaler Kooperation unter seiner Federführung entstandene «Handbuch der Kirchengeschichte», schlicht «Jedin» genannt und Standardwerk für ganze Generationen von Theologen. Die zwischen 1957 und 1965 entstandene zweite Auflage des «Lexikons für Theologie und Kirche» enthält 76 von Hubert Jedin verfasste Artikel.

Hubert Jedin befasste sich im Zusammenhang mit dem Konzil von Trient auch mit der Begriffsbildung. Dem von protestantischer Seite aufoktroyierten Epochenbegriff «Gegenreformation» setzte Wilhelm Maurenbrecher den Begriff  «katholische Reformation» entgegen. Hubert Jedin seinerseits wollte diesen durch den Begriff «katholische Reform» ersetzt wissen, was ihm jedoch nicht gelang.

Nach mehr als 500 Veröffentlichungen stirbt der «Papst der Kirchenhistoriker», sechsfacher Ehrendoktor und siebenfaches Mitglied europäischer Akademien, am 16. Juli 1980 in seiner Bonner Wohnung – wenige Wochen nach seinem 80. Geburtstag.


KNA/Redaktion


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Bemerkungen :

  • user
    Joseph Laurentin 17.06.2025 um 18:43
    Das Konzil von Trient war ein Fels in der Brandung: Es erneuerte die Liturgie, stärkte die Priesterausbildung, klärte unmissverständlich die Dogmen und stellte sich entschieden gegen den zerstörerischen Subjektivismus der Reformation – sei er protestantisch oder modern-katholisch. In einer Zeit wachsender Verwirrung bräuchte die Kirche nicht neue Experimente, sondern ein neues Trient.