Der neugeweihte Diakon Walter Arnold mit seiner Familie. (Bild: zVg)

Interview

«Ich möchte mit mei­nem Beru­fungs­weg ande­ren Men­schen Mut machen»

Am 4. Februar wurde Wal­ter Arnold aus Alt­dorf zusam­men mit drei wei­te­ren Kan­di­da­ten von Bischof Joseph Maria Bon­ne­main in der Kir­che St. Michael in Zol­li­ker­berg zum stän­di­gen Dia­kon geweiht. Ein Weg, der so nicht vor­seh­bar war.

Sie waren bis vor wenigen Jahren in der Gastronomie tätig. Wie kam es zum Wechsel an die Theologische Fakultät in Luzern?
Walter Arnold: Ich hatte in meiner gastronomischen Laufbahn im Alter von 40 Jahren viel erreicht. Das heisst, ich bekleidete in einem grossen Unternehmen eine verantwortungsvolle und spannende Position. Ich durfte das über all die Jahre Erlernte tagtäglich in einer breiten Palette von Tätigkeiten umsetzen. Mit dem angeeigneten Wissen nahm auch die Arbeitsbelastung zu. Ich stellte mir die Frage, was ich beruflich die nächsten 25 Jahre mache. Ich konsultierte die Berufsberatung und äusserte erstmals den Wunsch, mich im Bereich Theologie weiterzubilden. Die Beraterin empfahl mir damals, mich nebenberuflich in dieser Sparte zu engagieren und eine Weiterbildung im Bereich Betriebswirtschaft zu machen, ohne mich auf einen speziellen Bereich festzulegen. Gesagt, getan: Nach zwei Jahren schloss ich mein Nachdiplomstudium an der TEKO in Luzern erfolgreich ab. Mit viel neuem Wissen, jedoch innerlich leer, wandte ich mich an unseren Pfarrer in Altdorf, Daniel Krieg. Er erhörte meinen Wunsch und riet mir, berufsbegleitend den 4-jährigen Studiengang Theologie in Luzern zu absolvieren. Dies war ein guter Entscheid. Nach dem erfolgreichen Abschluss im Sommer 2015 durfte ich anschliessend als erster Student des Bistums Chur im bischöflichen Sonderprogramm an der Theologischen Fakultät in Luzern studieren.

Was hat Sie an der Theologie beeindruckt? Was vielleicht auch befremdet?
Mich hat die Vielfalt an verschiedenen Fächern beeindruckt. Die Vorlesungen waren sehr abwechslungsreich, und ich war erstaunt über die Altersspanne der Kommilitoninnen und Kommilitonen. Wir waren eine bunt gemischte Gruppe und der Austausch untereinander nach den Vorlesungen war sehr interessant und lehrreich. Befremdet war ich im ersten Semester von der Einführungsvorlesung in die Philosophie. Im Studiengang wurde mir durch das Kennenlernen der Philosophen aus der Antike bis in die aktuelle Zeit ein anderes Bild vermittelt. An der Theologischen Fakultät wurde alles sehr abstrakt und ich wähnte mich ab und zu mehr in einer Mathematikvorlesung statt in einer Philosophievorlesung. Bei einigen Dozenten vermisste ich die didaktische Komponente in der Vorlesung. Einer/eine liest und alle schreiben mit …
 


Sie konnten ein verkürztes Theologiestudium absolvieren. Fühlten Sie sich trotz des «kurzen» Studiums genügend vorbereitet für Ihre Tätigkeit in der Seelsorge?
Ja, ich fühlte mich gut vorbereitet auf die pastoralen Tätigkeiten in einer Pfarrei. Und das war auch mein Ziel. Ich durfte mir während sechs Jahren ein breites Grundwissen aneignen, von dem ich in meinen praktischen Tätigkeiten zehren kann. Mir kam zu gut, dass ich das Pastoraljahr in Altdorf absolvieren durfte. Meine Heimatpfarrei kannte ich bereits sehr gut und auch die Mitglieder des Seelsorgeteams waren mir bestens bekannt. Seelsorge ist Beziehungsarbeit, ein gut gefüllter Rucksack mit Wissen ist hilfreich. Mindestens so wichtig scheint es mir, die Mitmenschen und ihre Bedürfnisse zu erspüren. Das wird einem im Studium nur sehr bedingt vermittelt.

Als ständiger Diakon dürfen Sie in der Eucharistiefeier predigen, Taufen und Eheassistenz bei einer katholischen Eheschliessung übernehmen. Auf was freuen Sie sich besonders?
Auf alles! Die Spendung des Sakraments der Taufe und Eheassistenz waren mitunter ausschlaggebend für den Schritt zum Ständigen Diakon. Beides sind markante Ereignisse im Leben der Menschen, die ich begleiten darf. Gerade mit der Taufe komme ich – vom Kleinkind bis zu den Grosseltern – mit der gesamten Altersspanne in Kontakt. Ich kann durch Gespräche und Gestaltung der Feiern, Werbeträger für eine offene und zeitgemässe Kirche sein, in der alle ihren Platz haben dürfen. Bei kirchlichen Hochzeiten werde ich höchstwahrscheinlich auch eine bunt gemischte Gemeinschaft vor mir haben. Wie bei Predigten versuche ich auch hier, in verständlichen Worten und lebensnah den Glauben zu vermitteln.

Was ist Ihnen ein Herzensanliegen in Ihrer Arbeit, Ihrer Berufung?
Bei den Menschen zu sein und sich nicht «zumüllen» zu lassen von Organisatorischem, Sitzungen, Schreibtischarbeiten. Gerade als Diakon sehe ich meine Aufgabe darin, bei kranken und einsamen Menschen zu sein. Ich möchte nicht darauf warten, dass sie mich anrufen. Meine bisherigen Erfahrungen zeigen, dass vielfach ich den ersten Zug machen muss, um an die Menschen und damit verbunden zur Teilhabe ihrer Hoffnungen und Freuden, Ängsten und Sorgen zu kommen. Zudem möchte ich mit meinem Berufungsweg anderen Menschen Mut machen, dass sie ihrem inneren Ruf folgen. Der Weg ist nicht immer ganz einfach und das Umfeld ist sehr mitentscheidend. Ich durfte viele glückliche Fügungen erfahren, die ich im Nachhinein nicht als Zufall, sondern als gottgewollt deute.

Im Wort «Diakon» erkennt man das Wort «Diakonie». Werden Sie in der Pfarrei vermehrt diakonisch tätig sein können?
Ich war bereits vor der Weihe sehr diakonisch unterwegs, sprich zuständig für die Organisation von Hauskommunion, Passantenhilfe, das Bindeglied zum Hilfswerk der Kirchen Uri, Verantwortlicher für die Festlegung der Kollekten und einigem mehr. Ich bin gespannt, wie die Menschen in Altdorf und Umgebung jetzt, das heisst nach der Weihe zum Diakon, auf mich zukommen. Stellen sie andere Ansprüche, konsultieren sie mich mit anderen Anliegen, habe ich aus ihrer Optik nun eine andere Rolle?

Sie sind verheiratet und haben eine Familie. Wie hat Ihre Familie auf Ihre Entscheidung zum Studium und nun zur Diakonenweihe reagiert?
Grossartig, ohne Widerstände, einfach phänomenal. Das ist nicht selbstverständlich und dafür bin ich meiner Familie unendlich dankbar. Vor allem meine Frau durfte, musste viel aushalten. Ich war während der sechs Jahren Studium nicht viel zu Hause und wenn, durfte ich im «stillen Kämmerlein» oft das Gehörte in den Vorlesungen vertiefen und mich auf Prüfungen vorbereiten. Sie hat sehr selten gemurrt. Dass unsere drei Söhne so wunderbare Persönlichkeiten wurden, habe ich vor allem ihr zu verdanken. Auch von der Verwandtschaft wurde ich immer bestärkt, und gerade vor und nach der Weihe hörte ich von vielen Menschen, dass das Amt des Diakons sehr gut zu meinem Wesen passt. Das alles macht Freude und spornt mich an.

Was wünschen Sie sich für die Kirche?
Offenheit und Toleranz, Volksnähe und das Gespür, die Zeichen der Zeit mit Blick auf das Evangelium zu deuten. Und dass ich die Weihe von Frauen zu Diakoninnen noch erlebe.
 


Was war für Sie der eindrücklichste Moment während der Diakonenweihe?
Mit meiner Frau zusammen vor dem Bischof zu stehen und ihr «Ich bin bereit» zu hören. Denn sie ist mindestens so diakonisch tätig wie ich selbst. Das hat mich sehr berührt und mit Dankbarkeit erfüllt. Dieser Dank durfte ich dann einen Tag später öffentlich kundtun, indem ich ihr und meiner Mutter gegen Ende des Festgottesdienstes in meiner Heimatpfarrei Bruder Klaus einen Blumenstrauss überreichen und sie so vor voller Kirche umarmen durfte. Glaubensvermittlung beginnt in der Familie und vielfach ist es die Frau, die mit den Kindern betet und sie mittels Kinderfeiern und anderem mehr in die Gemeinschaft der Kirche vor Ort begleitet und einführt. So stellte ich sehr gerne – wenigstens für einen kurzen Moment innerhalb des Gottesdienstes – meine beiden Frauen in den Mittelpunkt. Solche Gesten und Zeichen machen die Kirche menschlich, nahbar und tragen hoffentlich zu einer weiterhin lebendigen und bunten Gemeinschaft bei.
 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Peter Beglinger 14.02.2023 um 10:07
    Sehr geehrte Frau Rosmarie Schärer

    Kompliment zu Ihrem Interview. Sie haben einerseits sehr klare Fragen gestellt und den Lesern den "richtigen" Walter Arnold porträtiert. Walter zeichnet sich ja aus, dass er klare Worte wählt, kritisches Hinterfragen nicht scheut und zu diesem auch klare Antworten, verbunden mit konstruktiven Hinweisen vermittelt. Ich hoffe, dass sein Wunsch erfüllt wird und das riesige Frauenpotential von der katholischen Kirche "angezapft" wird. Dies wird zu einer "Auferstehung" der Kirche beitragen und wir haben Menschen, Frauen und Männer, die aus dem Leben und der täglichen Praxis kommen. Ich wünsche Ihnen und Walter weiterhin viel Erfolg und Befriedigung in Ihren Tätigkeiten.
    Mit freundlichen Grüssen
    Peter Beglinger
  • user
    Claudio Tessari 12.02.2023 um 12:07
    Auf der einen Seite ein schönes Zeugnis aber noch mehr eine Widerspiegelung des katastrophalen Liberalismus in der schweizer Kirche. Der Mensch steht im Zentrum, nicht Gott. Der grösste Wunsch, dass er erlebt, dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden. Die Muttergottes, die grösste Frau aller Frauen, hatte kein Problem mit ihrer Rollen. Die hochmütigen Frauen hüt wollen etwas was Gott nicht will. Und der gottlose Liberalismus auch!
  • user
    stadler karl 12.02.2023 um 10:05
    Ein sehr interessantes Interview! Ein wirklich schönes Beispiel, wie Lebenswege keineswegs von Anfang an fest vorprogammiert sein müssen, ganz unabhängig von Berufswahl und gewählter Lebensform.

    Dass die Einführungsvorlesung in Philosophie etwas trocken und abstrakt ausgefallen sein könnte, ist sehr gut vorstellbar, was vielleicht aber nicht ausschliesst, dass sie dennoch von einer gewissen Relevanz auch für ein Theologiestudium und sogar äusserst spannend sein kann. Die verschiedenen Teilbereiche von Philosophie, um nur einige zu nennen, wie Logik, Metaphysik, Naturphilosophie, Philosophie des Geistes und der Sprache, Wissenschaftstheorie oder politische Philosophie vermögen vielleicht auch gewisse Anregungen für die theologische Wissenschaft zu vermitteln. Nicht zuletzt auch die philosophische Disziplin der Ethik, deren ganz verschiedenen ethischen Theorien, die sich ja teilweise nicht nur ergänzen, als vielmehr konträr entgegen stehen, vor allem aber Metaethik und deren Begründungsansätze, oder ethische Grundbegriffe wie der Handlungsbegriff, das Gute oder das Gerechte, der anthropologische Freiheitsbegriff, Verantwortung etc., die sich samt und sonders in der alltäglich-praktischen Lebensgestaltung als äusserst komplex erweisen können, besitzen wahrscheinlich auch in der Theologie doch eine gewisse Bedeutung, die einem viele Gewohnheiten in der Lebensgestaltung alles andere als selbstverständlich erscheinen lässt. Im menschlichen Dasein jedenfalls, so will einem oftmals scheinen, wird man, bei genauem Hinsehen, völlig unbesehen der persönlichen religiösen Haltung, fast täglich auf derartige Fragestellungen zurückverwiesen.
  • user
    Anita 11.02.2023 um 07:24
    Ein sehr bestärkendes Zeugnis von Herrn Arnold.... der die Rolle der Frau in der Kirche auf eine ganz einzigartige Weise beschreibt... nämlich durch seine tolle Frau, die auch gesagt hat: Ich bin bereit.

    D a n k e!!