Sr. Scolastica mit Frau Zanettin. (Bild: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Impo­nie­ren­des Zei­chen der Soli­da­ri­tät für Schwes­ter Scolastica

Zahl­rei­che Gläu­bige haben sich am 18. Dezem­ber 2022 im win­ter­lich ver­schnei­ten Klos­ter Won­nen­stein ein­ge­fun­den, um in einem Got­tes­dienst mit anschlies­sen­der Aus­spra­che ein zwei­fa­ches Zeug­nis der Soli­da­ri­tät abzu­le­gen: Für den Erhalt der monastisch-​spirituellen Iden­ti­tät des Frau­en­klos­ters Won­nen­stein und für den Ver­bleib von Schwes­ter Sco­las­tica im Klos­ter Wonnenstein.

Aufgerufen zu diesem Solidaritätsanlass hatte die Interessengemeinschaft Wonnenstein («IG Wonnenstein»). Ihr Credo lautet: «Das Kloster Wonnenstein gehört den Frauen.» Konkret fordert die mittlerweile bereits mehr als 800 Mitglieder zählende IG: Sicherung des spirituellen Erbes des Frauenklosters Wonnenstein für die Zukunft; Stornierung alle Bauvorhaben, die ohne die Klosterfrauen eingefädelt wurden und dieser Zielsetzung zuwiderlaufen; Umwandlung des Klosters in eine Stiftung – zusammen mit einer neuen Klostergemeinschaft.

Die Forderung richtet sich an den neuen Eigentümer, den «Verein Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein». Am 12. Mai 2014 mutierte das Kloster Wonnenstein in seiner Eigenschaft als öffentliches Institut sowohl gemäss staatlichem wie kirchlichem Recht zu einem bloss privatrechtlichen Verein nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch – dies mittels des juristischen Tricks eines sogenannten «Rechtskleidwechsels». Will heissen: De iure fand kein Eigentümerwechsel statt, vielmehr hat sich das Kloster «bloss» eine neue Garderobe zugelegt.

Gehörten diesem Verein zunächst nur Schwestern an, wurden wenig später, d. h. am 10. Juni 2014 flugs die gut 100 Altherren der in St. Gallen ansässigen akademischen Studentenverbindung Bodania zu Vereinsmitgliedern. Dieser exklusive Männer-Klub will das Kloster in eine weltliche Anstalt umpolen: Ein rentabler Mix aus «Wohnungen, Büro- und Gewerberäumlichkeiten, einem Restaurant und einem Klostershop» soll es werden, schreibt Kari Kälin in der «Aargauer Zeitung». Just diesen Verdacht hegt auch Schwester Scolastica. «Der Verein hat keine Aufsicht und könnte theoretisch schon morgen die Statuten ändern und aus dem Kloster eine Wellnessanlage machen», umschreibt Kari Kälin das mögliche Szenario. Schwester Scolastica hatte seinerzeit zusammen mit den anderen Klosterfrauen der Vereinsgründung zugestimmt, Statutenänderung inklusive. Sie und ihre Mitschwestern seien nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen, ihre Gutgläubigkeit ausgenutzt worden. Dass sie die rechtliche Kontrolle über das Kloster verlieren würden, als sie zustimmten, sei ihnen in ihrer Gutgläubigkeit nicht bewusst gewesen.

«Teddy»-Bär Bischof Markus
Zweifel – um es vorsichtig auszudrücken – an den lauteren Absichten der Bodaner-Altherren als de facto-Eigentümer des Klosters sind angebracht. Tatsächlich wurde die handstreichartig umgesetzte Inbesitznahme des Klosters generalstabsmässig vorbereitet, nichts dem Zufall überlassen: Nur wenige Jahre vor der formellen Vereinsgründung, am 1. Mai 2010, ernannte die Altherrenverbindung Bodania Bischof Markus Büchel, seinerseits seit seinem Studium in Fribourg Mitglied der Theologenverbindung Leonina (Studentenname «Teddy»), zu ihrem Ehrenphilister, sprich Ehrenmitglied. Der Bodaner Thomas Reschke (v/o Don Camillo) empfahl unter anderem mit folgenden Worten, Bischof Markus in die Reihen der Altherrenverbindung Bodania aufzunehmen: «Weltoffen predigte Teddy über das Geheimnis des Bierdeckels und über das 'Weltkulturgut Bier', welches in St. Gallen schon gebraut wurde, als die Bayern noch Wildschweinhaxen jagten. Auf bischöfliches Geheiss hin vermieden wir so bei der Wanderung durch das Appenzellerland das Verschütten des Bieres. Mit der Übernahme der Wallfahrtsgottesdienste der Bodania hat Teddy umgehend weitsichtig die richtigen Schwerpunkte in seinem Episkopat gesetzt. Bodania ist Chefsache!» Mit einem solcherart auf die vereinseigene Bierseligkeit getrimmten «Teddy-Bären» («... einer, der nicht Wasser predigt und Wein trinkt, sondern Bier predigt und dieses dann auch trinkt») liess sich getrost zur Tat schreiten.

Moralische Bankrotterklärung
Als Strippenzieher hinter den Kulissen agierte Claudius Luterbacher, in Personalunion Bodaner und damaliger Kanzler des Bistums St. Gallen. Am 22. Dezember 2020 richtete er im Namen des de facto weitgehend als Befehlsempfänger seiner teutonenlastigen Entourage fungierenden Bischofs ein Schreiben an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Appenzell-Innerrhoden (KESB). Darin wurde diese aufgefordert, vormundschaftliche Massnahmen betreffend der einzig noch im Kloster Wonnenstein lebenden Schwester Scolastica zu ergreifen. Dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich Schwester Scolastica nach überstandener Covid-Erkrankung zur Erholung in der Rehabilitationsklinik Walenstadtberg befand. Eine Rückkehr sei nicht zu verantworten, dekretierte der Kanzler und Intimus von Bischof Büchel in seinem Schreiben an die KESB. Luterbacher intervenierte sogar bei der Klinikleitung, um eine Rückkehr von Schwester Scolastica ins Kloster zu verhindern. Die Klinikleitung liess sich nicht beirren und kam zum Schluss, dass einem Austritt von Schwester Scolastica aus medizinischer Sicht nichts entgegenstehe und die Entlassung «problemlos erfolgen» könne. Nachdem die KESB selbst im Kloster Wonnenstein einen Augenschein vorgenommen und mehrere Personen vor Ort befragt hatte, gelangte sie zum Ergebnis, dass «kein weiterer Hilfebedarf vorhanden ist und damit keine Notwendigkeit zur Errichtung einer erwachsenenschutzrechtlichen Massnahme für Sr. Scolastica besteht. Neben der geprüften Beistandschaft sind auch die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung in keiner Weise erfüllt.» Deutlicher hätte das Verdikt der KESB auf das Ansinnen von Bischof Büchel und dessen Kanzler nicht ausfallen können. Zu offensichtlich stand hinter ihrem Manöver die Absicht, ein lästiges Hindernis bei der Umpolung des Klosters aus dem Weg zu räumen. Deren Unterstellungen haben sich als haltlos erwiesen – sie kommen einer moralischen Bankrotterklärung gleich.

Ein Augenschein vor Ort im Rahmen des Solidaritätsanlasses vom 18. Dezember 2022 bestätigt den Befund der Klinik Walenstadtberg und der KESB. Mehr noch: Schwester Scolastica wirkt geistig hellwach, körperlich vital, ist willensstark und voll frohgemutem Tatendrang – aller Zumutungen zum Trotz. «Sie blüht unter ihrer neuen Aufgabe sichtlich auf», sagt Sepp Moser. Er ist nicht irgendwer, sondern der Spiritus Rector der für die spirituelle Identität des Klosters Wonnenstein kämpfenden IG Wonnenstein. Sepp Moser war während vier Jahren Säckelmeister (Finanzdirektor) in der Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden und ist mit den kirchlichen Verhältnissen in seinem Kanton bestens vertraut, insbesondere mit den jüngsten Vorgängen in der zum Kanton Innerrhoden gehörenden Exklave Wonnenstein. Für ihn ist es nicht nachvollziehbar, wie leichtfertig die Innerrhoder Regierung und weitere Kantonsbehörden die Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Status des Klosters Wonnenstein zu einem blossen Verein nach staatlichem Recht durchgewunken haben. War es schiere Naivität oder politisches Kalkül? Sepp Moser neigt zu Letzterem. Man sei wohl froh gewesen, das Kloster ohne finanzielle Folgekosten losgeworden zu sein.

Privater Verein: mit dem Kirchenrecht nicht konform
Bleibt zu ergänzen: Gemäss aktuellem Handelsregister-Auszug besteht der Vereinszweck neu unter anderem darin, «karitative und gemeinnützige Aufgaben» wahrnehmen zu können. Von der Kontemplation als dem Herzstück, der «raison d'être» der Kapuzinerinnen-Gemeinschaften, ist darin nicht die Rede. Dabei wäre gerade in einer heillos verzweckten, auf Profitmaximierung getrimmten Welt wie der heutigen dieses Charisma von besonders existenzieller Relevanz. Oder um es in den Worten von Schwester Scolastica zu sagen: «Vom Alltag gestresste Menschen sollen sich in dieser Oase der Ruhe eine Auszeit gönnen können und vielleicht einen neuen Draht zu Gott finden.» Item: Das neue Kirchenrecht hat die Möglichkeit geschaffen, dass Laien sowohl öffentlich-rechtliche wie private Vereine gründen können (vgl. can. 298 des kirchlichen Gesetzbuches). Diese sind aber gerade nicht für «Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des Apostolischen Lebens» konzipiert worden, sondern für das Ziel «die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben» (can.298 § 1). Die Gründer des Bodaner «Vereins Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein» müssen sich die Frage gefallen lassen, weshalb sie eine rein zivilrechtliche Rechtsform gewählt haben, die für Klöster vom kirchlichen Recht gerade nicht vorgesehen ist. So aber entsteht der Verdacht, die Bodaner würden sich mit ihrer rein staatlichen Gründung das Recht vorbehalten, das Kloster Wonnenstein jederzeit in einen Wohlfühltempel umfunktionieren zu können.

Es trifft zwar zu, dass die (übrigens hochkarätige, von professoralem Support der Universität Zürich gestützte) Beschwerde von Schwester Scolastica bei der «Kongregation für die Institutionen des geweihten Lebens und der Gesellschaften des Apostolischen Lebens» abgewiesen wurde. Dies will allerdings wenig besagen, ist es doch ein offenes Geheimnis, dass der Sachverstand in weiten Teilen der römischen Kurie unter dem Pontifikat des gegenwärtigen Papstes einen bedenklichen Tiefstand erreicht hat.

Das liebe Geld
Nicht ausser Acht gelassen werden dürfen auch die ökonomischen Aspekte: Gemäss Handelsregisterauszug betrugen die Aktiven zur Zeit des «Rechtskleidwechsels» 4 842 967.86 Franken, denen Passiven in der Höhe von 1 965 657.00 Franken gegenüber standen. Dieser Steuerwert hat jedoch mit dem realen Vermögenswert wenig zu tun. Laut Berechnungen der IG Wonnenstein beläuft sich der Wert des Klostervermögens inkl. des dazugehörenden Baulandes und Bauerwartungslandes auf rund 40 Mio. Franken. Für die vornehmlich an der Kaderschmiede des Kapitalismus ausgebildeten Bodaner-Altherren bzw. Eigentümer des Vereins mit dem unverfänglichen Namen «Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein» sind dies selbstredend verlockende Perspektiven. Es soll nicht in Abrede gestellt werden: Manche Mitglieder der Bodaner-Altherren sind zweifelsohne von guten Absichten geprägt, bringen sich auch aktiv unter eigener finanzieller Beteiligung in die unvermeidliche Neuausrichtung des Klosters Wonnenstein ein. Aber die primäre Zielsetzung geht klar in Richtung Verweltlichung – also genau das Gegenteil dessen, was Papst Benedikt XVI. mit seinem Aufruf zur Ent-Weltlichung der Kirche ganz generell gemeint hat.

Die IG Wonnenstein hat am Tag der denkwürdigen Manifestation für den Erhalt der monastisch-spirituellen Identität des Klosters Wonnenstein einen offenen Brief an die Bistumsleitung verfasst. In der vier Punkte umfassenden Erklärung wird die Bistumsleitung aufgefordert, das Kloster Wonnenstein auch in Zukunft als einen Ort der Anbetung, der Stille und der Begegnung mit Gott zu erhalten. Um diesem Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen, soll das Kloster Wonnenstein an eine Stiftung übertragen werden. «Tun Sie es für Gott, für die Frauen, für die Region» fordert der Offene Brief. Der Doyen des schweizerischen Staatskirchenrechts im Allgemeinen und jenes der Diözese St. Gallen im Besonderen, Alt-Kantonsrichter Dr. Urs Josef Cavelti, hatte bereits vor dem Jahr 2000 im Auftrag des damaligen Bischofs Ivo Fürer ein umfangreiches Exposé mit dem Vorschlag der Errichtung einer Stiftung für das Kloster Wonnenstein erstellt. Die juristische Basis für einen Neuanfang im Sinn einer kirchlich konformen Lösung ist also bereits gelegt.

Soeben haben Bischof Markus Büchel und Landammann Roland Inauen in einer gemeinsamen Erklärung auf die Vorwürfe der IG Wonnenstein reagiert. In ihrer Medienmitteilung vom 21. Dezember 2022 halten sie fest: «Bischof Markus Büchel sowie die Standeskommission des Kantons Appenzell i.Rh ... bekräftigen ihren Auftrag an den Verein, die Arbeiten unverändert weiterzuführen.» Von Kompromissbereitschaft also keine Spur. Auf den zentralen Einwand, Bischof Büchel befinde sich in einem Interessenskonflikt, weil er selber zu den Bodanern gehöre und Letztere de facto indirekt Eigentümer des Klosters Wonnenstein geworden seien, begnügt sich Bischof Büchel mit der Antwort: «Ich nehme meine Verantwortung als Bischof wahr und nicht als Ehrenmitglied der Bodania.» Diese Antwort vermag in keiner Weise zu befriedigen. Im Gegensatz zum Bischof ist sich die Altherren-Verbindung der Bodaner der Brisanz dieses Interessenskonfliktes offensichtlich sehr wohl bewusst: Sie hat unlängst auf ihrer Homepage alle Beiträge, die sie in Verbindung mit ihrem Ehrenphilister Bischof Markus Büchel bringen, gelöscht ...

 


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Martin Meier 22.12.2022 um 09:31
    Klöster waren immer dann, wenn es in der Kirche kriselte, Stützpunkte und Verteidiger des wahren Glaubens. Kein Wunder, dass sie denen, die "anders katholisch" sein wollen, ein Dorn im Auge sind ...
  • user
    Ruth Imboden 22.12.2022 um 09:07
    Lieber Bischof Büchel, warum möchten Sie die Schwester Scolastica von ihrer Heimat, dem Kloster, "verjagen"? Was sind Ihre Gründe dazu?? Lassen Sie doch bitte die Schwester bis zum Ende ihres irdischen Lebens in ihrem Kloster wohnen bleiben!! Das sollte Sie doch nicht stören.
  • user
    Josef Moser 21.12.2022 um 18:25
    Herzlich Dank