Matteo Tuena, Sie sind direkt nach der Matura ins Priesterseminar eingetreten. War Ihnen die Berufung zum Priester bereits so früh klar?
Schon seit dem Tag meiner Firmung im November 2012 habe ich den Wunsch im Herzen verspürt, mein Leben in den Dienst Gottes zu stellen. Mein Pfarrer war für mich immer ein faszinierendes Vorbild. Jedes Mal, wenn ich ihn die Heilige Messe feiern sah, habe ich bei mir gedacht: Das möchte ich eines Tages auch machen dürfen. Ich war damals 15 Jahre alt.
Wie hat Ihre Familie, Ihr Umfeld auf Ihren Wunsch, Priester zu werden, reagiert?
Meine Familie hat gemerkt, dass sich mein Lebensstil seit der Firmung verändert hatte. Ich verbrachte jeden Tag eine gewisse Zeit in der Kirche für das Gebet und besuchte so oft wie möglich die Heilige Messe. Auch meine Interessen haben sich langsam geändert: Ich begann an Wallfahrten teilzunehmen und die Bibel zu lesen. So waren sie nicht erstaunt, als ich ihnen mitteilte, dass ich ins Seminar eintreten wolle. Besonders für meine Eltern war mein Wunsch am Anfang nicht einfach zu verstehen und zu akzeptieren. Aber je mehr ich im Studium vorankam und je mehr die Freude zunahm, desto mehr konnten meine Eltern meine Entscheidung akzeptieren und sich mit mir freuen.
Haben Sie ein Vorbild, an dem Sie sich in Ihrem Priestersein orientieren möchten?
Ich hatte auf meinem Weg verschiedene priesterliche Vorbilder. Sie haben mir gezeigt, was es bedeutet, Priester mit Herzblut zu sein. Ihre leidenschaftliche Liebe für Gott und für die Menschen hat mich tief geprägt. Vor allem aber war ich immer zutiefst berührt, wenn sie die Heilige Messe gefeiert haben. Wie schon gesagt, ist meine Berufung vor allem in der Liturgie entstanden. Papst Benedikt hat von der «via pulchritudinis» gesprochen, von der Schönheit als einer der Wege, die zu Gott führen. Die Liturgie lässt etwas von der Schönheit Gottes in diese Welt hineinleuchten. Der Priester hat die grossartige Aufgabe, diese Schönheit zu feiern und den Schönen schlechthin anzubeten. Priester, die von diesem Geheimnis ergriffen sind, faszinieren und inspirieren mich.
Sie haben Ihre Masterarbeit im Fach Philosophie geschrieben. Inwiefern kann die Beschäftigung mit der Philosophie die tägliche Pastoral befruchten?
Die Philosophie war und ist für mich eine Schule des Denkens. Gott ist vernünftig und hat uns eine Vernunft geschenkt, damit wir ihn erkennen können und auch all unsere Gedanken auf ihn richten können. Es ist Anspruch der katholischen Theologie, vernünftig zu sein, weil Gott selbst nicht gegen die Vernunft handelt. Deswegen finde ich es wichtig, dass die Menschen, die in der Pastoral tätig sind, eine solide philosophische und theologische Ausbildung absolviert haben. Als Seelsorger bin ich nicht dazu berufen, meine eigene Meinung zu vertreten, sondern das Evangelium und den Glauben der Kirche zu verkünden. Aus meiner Erfahrung – besonders im Religionsunterricht – weiss ich, dass ich nur das weitergeben kann, was ich selbst glaube. Damit mein Glaube aber nicht nur auf Gefühle aufbaut, ist es wichtig, dass ich den Schatz des Glaubens erforsche und durchdenke. Kinder sind immer gute Lehrmeister: Durch ihr neugieriges und oft auf kritisches Nach- und Hinterfragen halten sie mir immer einen Spiegel vor Augen. So kann ich sehen, ob das, was ich erzähle, Sinn macht, und noch viel wichtiger, ob ich auch selbst daran glaube.
Sie arbeiten seit dem Abschluss Ihres Theologiestudiums in der Pfarrei Küsnacht-Erlenbach ZH. Am 26. Oktober werden Sie zum Diakon geweiht. Was wird sich konkret für Sie ändern?
Alles und nichts. Meine Arbeit in der Pfarrei wird ziemlich gleich bleiben, auch wenn nun die Feier der Sakramente der Taufe und Ehe sowie die Verkündigung des Evangeliums in der Heiligen Messe als Aufgaben dazukommen. Und doch ändert sich durch die Weihe alles. Geweiht werden heisst nicht, dass ich nun in der Pfarrei andere Dinge machen darf, sondern dass ich mein Leben Gott geweiht habe. Ich lebe ab dem Tag nicht mehr für mich, sondern für Gott. Das ist ähnlich grossartig und gleichzeitig herausfordernd, wie wenn jemand ein Eheversprechen gibt. Ab diesem Tag sagt er auch «für dich will ich leben und wohin du gehst, dahin gehe ich auch».
Bei der Diakonenweihe werden Sie den Zölibat versprechen. Ein Anachronismus oder eine wertvolle Lebensform?
Der Zölibat ist eine Lebensform, die gepflegt werden muss. Wie alle anderen Lebensformen ja auch. Diese Form kann fruchtbar oder furchtbar sein, und die Übergänge sind oft fliessend. Es braucht eben wie gesagt Pflege. Zölibat erfordert die Fähigkeit, allein leben zu können oder anders gesagt, die Fähigkeit, das eigene Leben kreativ und fürsorglich zu gestalten. Als zölibatär lebender Mensch ist es wichtig, dass ich mich um mich selbst kümmere. Die Arbeit an sich selbst ist eine zentrale Aufgabe. Aber das gilt nicht nur für Zölibatäre, sondern für jeden Menschen.
Das Priesteramt ist aktuell in der Schweiz und Deutschland umstritten. Weshalb brauchen wir Priester?
Es gibt verschiedene Antworten auf diese Frage und grosse theologische und philosophische Diskussionen darüber. Ich möchte nur eine Geschichte erzählen, die mir vor ein paar Jahren passiert ist. An einem Abend war ich in der Kirche in meiner Heimat am Beten vor der Abendmesse. Dann kam eine Frau auf mich zu, die ich schon lange kenne. Sie fragte mich, wie es mir gehe und wie das Studium so verlaufe. Ich sagte ihr, dass alles in Ordnung sei und dass ich bald das Studium abschliessen würde. Daraufhin freute sie sich zu hören, dass das Studium fast fertig sei. Ich lächelte ihr zu und wollte mich wieder hinsetzen, aber sie hielt mich auf und sagte: «Zum Glück haben wir die Priester! Wer würde mir sonst die Lossprechung erteilen und die Heilige Messe feiern?»
Die Diakonenweihe ist ein wichtiges Ereignis und der konkrete Schritt zur Priesterweihe. Macht Ihnen diese Lebensentscheidung manchmal auch etwas Angst?
Angst habe ich nicht, aber sehr wohl grossen Respekt. Und natürlich schlottern mir auch ein wenig die Knie, wenn ich an die Diakonenweihe denke. Aber dies hilft mir auch, diesen Schritt sehr ernst zu nehmen. Angesichts der Grösse der Berufung, die Gott mir geschenkt hat, fühle ich mich sehr klein. Sehr oft habe ich ihn in meinen Gebeten gefragt: «Warum hast du genau mich für diesen Weg berufen?» Ich habe noch keine Antwort auf diese Frage bekommen. Aber in meinem Herzen verspüre ich Frieden und eine tiefe Freude. Ich gehe diesen Schritt im Vertrauen auf Gott und als meine Antwort auf seinen Ruf.
Worauf freuen Sie sich in Ihrem Dienst als Diakon?
Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten, ist die privilegierte Aufgabe eines Seelsorgers. Als Diakon darf ich nun Menschen besonders durch die Feier der Sakramente der Taufe und der Ehe begleiten. Ich darf ein Mittler dieser Liebe Gottes zu den Menschen sein. Die Sakramente sind sichtbare und wirksame Zeichen dieser Nähe und Liebe Gottes zu den Menschen. Der Diakon ist wie der Priester nur ein Mittler. Ich freue mich jetzt schon sehr darauf, die Sakramente feiern zu dürfen.
Was wünschen Sie sich für die Katholische Kirche?
Ich wünsche mir mehr Freude am Glauben. Ich wünsche mir, dass die Kirche ihren Ursprung nie vergisst: Sie wurde geboren aus der Seite des sterbenden Christus am Kreuz. Die Kirche lebt von dieser Liebe und ist Zeugin dafür. Die Menschen unserer Zeit brauchen diese Botschaft, dass Gott jeden bedingungslos liebt. Ich wünsche mir, dass die Kirche, jeder Getaufte, neuen apostolischen Eifer entfacht: Die Welt dürstet nach der Botschaft der Liebe Gottes. Die Welt sehnt sich, diese Botschaft zu hören, nicht so sehr durch Worte, sondern durch das Zeugnis eines Lebens, das aus dieser Liebe lebt.
Matteo Tuena, 1997 in Samedan geboren und in Poschiavo aufgewachsen, absolvierte die Fachmittelschule im Bereich Pädagogik an der Kantonsschule Chur. Er studierte anschliessend Theologie in Heiligenkreuz (A), Chur und Rom. Seit zwei Jahren ist er als Seelsorger in der Pfarrei Küsnacht-Erlenbach am Zürichsee tätig.
Die Diakonenweihe von Matteo Tuena findet am Samstag, 26. Oktober 2024 um 10.30 Uhr in der Pfarrkirche St. Georg in Küsnacht ZH statt. (Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln empfohlen)
Die Priesterweihe erfolgt am 24. Mai 2025 in der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt in Chur.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Ein wirklich berührendes Statement... vielen Dank! Und viel Schönes und Erbauendes auf dem Weg zum Priester, begleitet mit einem Heer von Engeln...
Der Zölibat ist freilich eine zweifelsfrei schwierige Lebensform, die in ihren hohen Ansprüchen in den heutigen Verhältnissen fast nur von der christlich verstandenen Ehe übertroffen wird, worüber ich aus persönlicher Erfahrung mehr als gut genug unterrichtet bin. Das Familienleben und die immer schwieriger werdende Erziehung der Kinder inbegriffen, die heute keineswegs nur innerhalb der Familie stattfindet, zumal dann nicht, wenn man sich über Wichtiges nicht einig ist.
Typisch für diesen Matteo Tuena ist, dass er nicht vom herkömmlichen Gymnasium kommt. sondern von der Fachmittelschule, in diesem Fall in Richtung Primarschule/Sekundarschule, denkbar wäre auch eine höhere Berufsausbildung gewesen. Umso mehr und ganz positiv erstaunt mich seine Hinwendung zur Philosophie, sein nur anscheinend saloppes Bekenntnis, dass "Gott vernünftig sei", was übrigens ausser Thomas von Aquin auch noch ein Karl Barth mitunterschrieben hätte. Philosophie verkommt freilich heute an Schulen und Hochschulen zwar nicht pauschal, aber häufig zur Geschwätzwissenschaft mit enormen Zugeständnissen an zB. die Gendermode oder, zwar noch halbwegs intellektuell, massiver Überschätzung etwa der Frankfurter Schule, deren Kritik mein Studienkollege Rhonheimer und ich bei einem in Sachen Religionsphilosophie ausgezeichnet qualifizierten Professor wie Hermann Lübbe in Zürich noch unter besten Bedingungen erlernt haben, bei freilich schon für Gymnasiasten schon fast perfekten Vorkenntnissen in Thomas von Aquin und Albertus Magnus, bei Betonung auch der praktischen Vernunft. Kommt dazu, dass unsere Generation, wenigstens dei besseren Schüler (Rhonheimer übersprang mühelos einen Klassenjahrgang), noch perfekt und lebenslang lateinisch und griechisch lesen konnten, also die Bibel im Original studieren, wennmöglich noch mit Hebräisch, was für ein vernünftiges Verständnis auch des Protestantismus unerlässlich ist, das Latein aber auch vor allem für die Kirchenmusik und die Liturgie. Auf diesem Gebiet hat es eine jüngere Generation von Theologen eindeutig schwerer. Umso mehr bin ich aber von diesem jungen Mann beeindruckt, im Wissen, dass er noch sehr viel Studium lebenslang vor sich hat, wobei die bereits vorhandene religiöse Erweckung jenseits von Wissen und Nichtwissen das Wesentliche bleibt. Gerne hoffe ich, dass er Anfechtungen, die dem religiösen Menschen, vor allem intellektuell interessierten, nie erspart bleiben, wennmöglich mit katholischer Gelassenheit und einer Prise Humor übersteht. Am Ende und zumal mit der Gnade Gottes und der Fürsprache der Gottesmutter, ohne die kein katholischer Priester seine Aufgabe zu bewältigen vermag.
"Geweiht werden heisst nicht, dass ich nun in der Pfarrei andere Dinge machen darf, sondern dass ich mein Leben Gott geweiht habe."