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Kommentar

Indi­vi­dual­be­steue­rung: Bank­rott­er­klä­rung der FDP

Mit dem nun beschlos­se­nen Sys­tem­wech­sel zur Indi­vi­dual­be­steue­rung ver­ab­schie­det sich die FDP von ihren urei­gens­ten Prin­zi­pien. Denn damit ist nicht nur eine Dis­kri­mi­nie­rung der tra­di­tio­nel­len Fami­lie ver­bun­den, son­dern auch eine Auf­blä­hung der Büro­kra­tie ebenso wie der staat­li­chen Ausgaben.

Mit einer hauchdünnen Mehrheit, sprich dem Stichentscheid des Präsidenten, FDP-Mann Andrea Caroni, stimmte der Ständerat der Vorlage von Bundesrat und Nationalrat zu. Die Vorlage: Die seit Jahrzehnten geltende und bewährte gemeinsame Besteuerung verheirateter Paare soll abgeschafft und durch eine getrennte Einzelbesteuerung ersetzt werden.

Vorausgegangen war diesem denkwürdigen Entscheid ein jahrzehntelanges Seilziehen, an welchem sich die gesellschaftspolitischen Grabenkämpfe exemplarisch festmachen lassen. Am Ursprung stand ein als «Steuergerechtigkeitsinitiative» deklariertes Volksbegehren der FDP-Frauen mit dem angeblichen Ziel, die steuerliche Gleichstellung der verschiedenen Lebensformen durchzusetzen, die Heiratsstrafe abzuschaffen und, so wörtlich, «den Arbeitsmarkt zu dynamisieren».

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses Vorhaben allerdings als eine Mogelpackung erster Güte. Der Bundesrat sprang auf den Zug auf und unterbreitete dem Nationalrat eine leicht abgespeckte Variante. Sie hätte allein auf Bundesebene immer noch Steuerausfälle in der Höhe von jährlich 870 Millionen Franken zur Folge gehabt. Es spricht Bände, dass eine solche Belastung der Bundesfinanzen ausgerechnet unter der Ägide der Finanzvorsteherin und FDP-Frau Keller-Sutter aufgegleist wurde, einer Frau, die sich ansonsten bei jeder sich bietenden Gelegenheit als «Sparfüchsin» anpreist. Der Drang zur woken Umpolung der Gesellschaft muss gewaltig (gewesen) sein, ist doch der finanzielle Aderlass alles andere als ein Pappenstiel.

Hinter der Maske der Gleichstellung versteckt sich jedoch in Tat und Wahrheit eine bewusste Schlechterstellung bzw. Diskriminierung der traditionellen Familie. Dem männlich dominierten FDP-Establishment war es bei aller ideologischen Konvergenz mit seinen FDP-Frauen ob des drohenden Finanzlochs bald einmal nicht mehr geheuer. Zusammen mit den übrigen Playern des links-libertären Blocks (SP, Grüne, Grünliberale) einigte man sich auf eine Korrektur des Steuertarifs mit der Folge, dass «nur» noch Steuerausfälle in der Höhe von 600 Millionen zu gewärtigen sind.

Halbierung des Kinderabzugs
Der zentrale Knackpunkt: Die Frage der Übertragbarkeit des Kinderabzugs auf den jeweiligen anderen Ehepartner. Man einigte sich auf einen Kinderabzug in der Höhe von 12 000 Franken. Der Clou: Dieser muss je hälftig auf die beiden Ehepartner aufgeteilt, kann nicht übertragen werden. Heisst im Klartext: Die Ehefrau, die sich der Familie und der Erziehung der Kinder widmet, geht leer aus, weil sie über kein eigenständiges, abzugsfähiges Einkommen verfügt. Ein konkretes Beispiel: Ein Ehepaar, bei dem beide Ehepartner je 70 000 Franken verdienen, kann einen Kinderabzug von 12 000 Franken geltend machen; ein Ehepaar, bei dem nur ein Elternteil erwerbstätig ist und 140 000 Franken verdient, muss sich mit einem Kinderabzug von 6 000 Franken begnügen. Eine solche eklatante Benachteiligung der traditionellen Familie verkauft sich unter der Etikette «Gleichstellung»: Blanker Hohn.

Mit einer ideologischen Verbohrtheit sondergleichen hielt der links-libertäre Block an dieser Diskriminierung fest. Begründung: Es müssten Anreize geschaffen werden, damit sich mehr Frauen am Erwerbsleben beteiligen. Es müsse «brachliegendes Arbeitskräftepotential mobilisiert werden», begründete in der parlamentarischen Debatte die gescheiterte Bundesratskandidatin Eva Herzog ihr die Frau auf einen Produktionsfaktor reduzierendes Gleichschaltungscredo. Ständerat Peter Hegglin sprach in diesem Kontext zu Recht von einem «Etikettenschwindel», weil zahlreiche Familien mit dieser Diskriminierungsklausel den Kinderabzug gar nicht mehr in Anspruch nehmen können.

Freisinniger Bankrott
Diese woke Gesellschaftspolitik linker Kreise ist wenig überraschend. Für die FDP jedoch kommt sie einer Bankrotterklärung gleich. Sie, die seit Jahrzehnten gegen die staatliche Defizitwirtschaft mobil machte, nimmt nun aus ideologischen Gründen ein zusätzliches, jährlich wiederkehrendes Finanzloch von 600 Millionen Franken billigend in Kauf. Sie, die seit jeher für einen «schlanken Staat» zu kämpfen behauptet, nimmt ebenso billigend in Kauf, dass mit der Individualbesteuerung auf einen Schlag 1,7 Millionen zusätzliche Steuererklärungen bearbeitet und kontrolliert werden müssen. Die SVP schätzt den dazu erforderlichen Bedarf auf mindestens 2000 neue Steuerbeamte.

Es kann aber nicht Sache des Staates sein, das eine Familienmodell zu diskriminieren und das andere zu privilegieren. Welches Familienmodell ein Ehepaar wählt, geht den Staat einen feuchten Kehricht an. Schliesslich erweist sich angesichts der offenkundigen Diskriminierung der traditionellen Familienform ganz besonders das vom woken Lager in der gesellschaftspolitischen Debatte penetrant beschworene Schlagwort von der Diversität und Vielfalt der Familienformen als hohle Phrase.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Schwyzerin 06.06.2025 um 17:25
    Peter Hegglin (Mitte/ZG) sagte: "Ohne Übertragung der Kinderabzüge wird Besteuerung egoistisches Vorhaben." Aus News-Clip vom 3.6.2025

    Der Ständerat wollte bisher die Möglichkeit schaffen, Abzüge von einem Elternteil auf den anderen zu übertragen. Der Abzug sollte nicht verfallen, wenn eines der Einkommen zu tief ist, um ihn anzumelden. Die Befürworterinnen und Befürworter dieses Modells argumentierten mit Gerechtigkeit und der Freiheit, ein Familienmodell zu wählen. Die Kommissionsminderheit, die dem Nationalrat folgen wollte, argumentierte mit mehr Kosten und Aufwand. Was die Mehrheit wolle, wiederspreche dem Ziel Erwerbsanreize zu schaffen. Sie setzte sich schliesslich durch, mit Stichentscheid von Präsident Andrea Caroni (FDP/AR).

    www.srf.ch/news/schweizabschaffung-der-heiratsstrafe-individualbesteuerung-zittert-sich-
    durchs-parlament-fuers-erste.

    SVP-Parteipräsident Marcel Dettling sagt, der Parteiausschuss habe am Montag beschlossen, das Referendum zu unterstützen. Die Vertretung im Komittee soll prominent sein. Neben Dettling will sich dort Fraktionschef Thomas Aeschi engagieren. TA Schweiz Tages-Anzeiger vom 3.6.2025

    Die Kinderabzüge sind da um die Familie zu entlasten. Die Vorlage ist ungerecht, weil nicht alle Ehepaare die vollen Abzüge bei der Individualbesteuerung geltend machen können. Ich hoffe, dass das ungerechte Steuersystem vom Volk abgelehnt wird.
  • user
    Schwyzerin 06.06.2025 um 14:54
    Wir werden sehen, ob die sog. bürgerlichen Parteien eine Initiative gegen die Individualbesteuerung ergreifen. Wenn sie es nicht tun, dann ist die traditionelle Familie im Bundeshaus Bern auch nicht mehr vertreten.
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    Meier Pirmin 06.06.2025 um 12:47
    Es geht hier, wenn man ehrlich ist, nicht um den freisinnigen Bankrott, sondern denjenigen der Partei, die sich noch unlängst christlich nannt und der sog. "Heiratsstrafe" auf den Leib rücken wollte. Die Verteidiger der Familie sind heute in allen sog. bürgerlichen Parteien ihrerseits in der Minderheit. Dabei muss die Krise der Familie jedoch weniger von der Parteipolitik her als von der gesellschaftlichen Entwicklung gesehen werden, auch den konkreten Entwicklungen in den Familien, wobei man aus Grosseltern-Perspektive immer noch glaubt, die Sache idealisieren zu können. Zur Masse gehören heute fast "wir alle". Aus Sicht nicht zuletzt auch vieler junger Männer und Frauen scheint die Heiratsstrafe vielfach sogar aus der Heirat selber zu bestehen.
  • user
    Schwyzerin 06.06.2025 um 11:19
    Mit der Individualbesteuerung schafft der Nationalrat und Ständerat im Baudeshaus Bern nicht nur die traditionelle Familie ab, sondern auch den Staat selbst ab. Denn ohne die Nachkommen von Familien fallen mit der Zeit auch die Bundessteuereinnahmen weg. Wenn für einen Staat die traditionelle Familie egal ist, dann fehlt es schlichtweg an einem gesunden Menschenverstand.

    Ungarn macht eine gute Familienpolitik. Ungarn ist ein Vorbild für die Schweiz.