Wandschmuck der Anbetungskapelle. (Bild: Martin Meier-Schnüriger)

Kirche Schweiz

Jeru­sa­lem in der Sur­selva – Ein­wei­hung der Anbe­tungs­ka­pelle im Klos­ter Disentis

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, 24. Mai 2025, konnte das Klos­ter Disen­tis seine Anbe­tungs­ka­pelle ein­wei­hen – auch wenn diese noch nicht ganz fer­tig ist. Der Fest­got­tes­dienst, ein Vor­trag von Prof. Mari­anne Schlos­ser sowie zahl­rei­che Work­shops umrahm­ten den fei­er­li­chen Anlass.

«Beinvegni a Mustér, il vitg claustral!» Die sympathische Frauenstimme aus dem Lautsprecher der Rhätischen Bahn kündet das Ende der imposanten Fahrt von Chur hinauf ins Bündner Oberland an. Disentis – auf Sursilvan, dem rätoromanischen Idiom dieser Gegend, Mustér (= Kloster) genannt – ist so sehr Klosterdorf, dass die Fahrgäste der RhB speziell darauf hingewiesen werden. Disentis ohne Kloster – undenkbar! Ein Blick aus dem Fenster genügt, um festzustellen, warum das so ist: Schon von weither überstrahlt der kürzlich restaurierte Marmorbau in glänzendem Weiss das Tal. Die «weisse Arche» wird das Benediktinerkloster aus dem frühen 7. Jahrhundert genannt, und das mit vollem Recht, bietet es doch seit seiner Entstehung Schutz und Geborgenheit.

Die Anbetungskapelle: Ort und Bedeutung
Am 24. Mai 2025 wurde dort eine Seitenkapelle speziell als Anbetungskapelle eröffnet und feierlich eingeweiht. In der früheren Immaculata-Kapelle feierten kleine Gruppen die heilige Messe; gleichzeitig war sie die Totenkapelle. Die neu gestaltete Kapelle wird wiederum als Aufbahrungsort für die verstorbenen Mitbrüder dienen, gleichzeitig soll der Raum für die eucharistische Anbetung genutzt werden  – deshalb der Name «Anbetungskapelle».

«Der Wunsch nach Anbetung wuchs in den letzten Jahrzehnten bei vielen Laienchristen, besonders bei jungen Menschen», heisst es in der Einladung zu diesem Ereignis. «Wo sich jugendliche Christen treffen, z. B. bei Weltjugendtagen, an Adoray-Abenden oder beim Jugendfestival in Medjugorje, ist das Verweilen vor dem Allerheiligsten für sie ein zentraler Moment der Christusbegegnung.»

Auf der ganzen Welt wurde die Anbetung zum Ausgangspunkt der Pfarreierneuerung und Neuevangelisierung. Dieser Bewegung möchte sich das Kloster Disentis anschliessen und stellt die Anbetungskapelle deshalb allen Menschen und auch externen Initiativen zur Verfügung. Die Klostergemeinschaft selbst übernimmt keine regelmässigen Anbetungsstunden.

In der Einleitung wurde wunderbar erklärt, was eucharistische Anbetung bedeutet:

«Die eucharistische Anbetung ist eine besondere Form des Gebets und der persönlichen Begegnung mit Jesus Christus, der in der Eucharistie gegenwärtig ist. Dabei wird das Allerheiligste Sakrament (die konsekrierte Hostie) in einer Monstranz ausgesetzt, damit die Gläubigen Christus im Gebet ehren und betrachten können.
Diese Gebetsform entspringt dem tiefen Glauben an die Realpräsenz Jesu in der Eucharistie, wie es Jesus selbst gesagt hat: ‹Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird› (Lk 22,19).

Die Anbetung ist eine Einladung zur persönlichen Begegnung mit Christus. In seiner Gegenwart können Gläubige ihre Sorgen und Bitten vor Gott bringen, Gott für alles danken, was gut läuft und Freude macht, in Stille verweilen, um seine Stimme zu hören, dankbar sein für seine Gegenwart und Liebe. Jesus lädt jeden ein, Zeit mit ihm zu verbringen: ‹Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken› (Mt 11,28). Die eucharistische Anbetung ist daher eine Quelle der Gnade, die den Menschen innerlich verwandelt und ihn näher zu Gott führt.»
 


Der Einweihungstag
Die Einweihung der Anbetungskapelle findet im Rahmen des sogenannten «Adoratio-Tages» zum Heiligen Jahr und der Pilgerfahrt des Dekanats Surselva statt. Nach dem Empfang der angemeldeten Gäste und dem Einschreiben für die nachmittäglichen Workshops zelebriert Abt Vigeli Monn eine feierliche heilige Messe, in deren Verlauf die Anbetungskapelle eingeweiht wird, obwohl sie, wie der Abt betont, noch nicht fertig gebaut ist.

In seiner Predigt kommt er auf die Bedeutung der Anbetung zu sprechen. Ausgehend vom griechischen προσκύνησις (proskynesis) und vom lateinischen «adoratio», erläutert er, dass die Anbetung einerseits die Anerkennung Gottes als des einzigen Herrn bedeute, andererseits die Begegnung mit Gott von «Mund zu Mund» – ad-ora-tio leitet sich von os, oris ab, dem lateinischen Wort für Mund. Schliesslich, so Abt Vigeli, sei die Anbetung für uns die einmalige Gelegenheit, Jesus in seiner ganzen Person zu begegnen. Er zitiert den seligen Carlo Acutis: «Jerusalem liegt direkt vor unserer Haustür!» So gesehen ist Jerusalem nun auch in die Surselva gekommen!

Nach dem dreisprachig (deutsch, romanisch und lateinisch) gefeierten Festgottesdienst wurde das Allerheiligste in einer Prozession von der Klosterkirche St. Martin in die Marienkirche übertragen und zur Anbetung ausgesetzt – die Anbetungskapelle konnte, wie erwähnt, dafür noch nicht benutzt werden. Auch hätte sie den zahlreichen Gästen nicht genügend Platz geboten.

Das Mittagessen im «Weissen Saal» stärkte nicht nur den Leib, sondern ermöglichte gute Gespräche mit alten Bekannten und führte zugleich auch Menschen zusammen, die einander noch nie begegnet waren.

Pünktlich um 13.30 Uhr begann im «Kaisersaal» der mit Spannung erwartete Vortrag von Frau Prof. Dr. Marianne Schlosser zum Thema «Du wirst erwartet». Darin ergänzte und erweiterte die weltbekannte Theologin und Trägerin des Joseph-Ratzinger-Preises Abt Vigelis Gedanken zur Anbetung.

Anbetung, so Marianne Schlosser, könne nur Gott erleben, da kein anderes Wesen würdig sei, angebetet zu werden. So bezeuge die Anbetung nicht nur Gottes Macht, sondern auch seine Würde. In der Anbetung geben wir Gott das, was er sich nicht nimmt, um es von ihm heiligen zu lassen. Unter diesem Gesichtspunkt sei ein Opfer nicht in erster Linie ein Verzicht, sondern eine Hin-Gabe, die man von Gott geheiligt zurückerhalte.

In der eucharistischen Anbetung werde uns Gott weder in seiner menschlichen, noch gar in seiner göttlichen Gestalt gezeigt. Das mache die Anbetung mitunter schwierig, doch soll man sich durch Ablenkung und Zerstreuung nicht entmutigen lassen, denn: «Anbetung hat immer etwas mit dem Alltag zu tun.» Sie kenne eine Frau, die stets ihr Adressbuch mit zur Anbetung nehme, um Gott all die Menschen, deren Namen dort stehen, anzuempfehlen.

Schliesslich habe Anbetung auch einen missionarischen Aspekt: Wer sich mit Jesus einlasse, werde gesendet. Wer in der Anbetung für die Gottesgegner bete, tue dasselbe wie Jesus, nämlich zu versuchen, die Fernstehenden für den Glauben zu gewinnen.

Im Anschluss an das interessante und lebendig und gut verständlich vorgetragene Referat verteilten sich die Gäste auf die verschiedenen Workshops, die zum Teil von Mönchen der Klostergemeinschaft, zum Teil von auswärtigen Referenten geleitet wurden. Themen wie «Wege zur Anbetung», «Carlo Acutis», «Versöhnt leben», «Versöhnt sterben», «Erfahrungen mit der Anbetung» oder «1400 Jahre Gottsuche in Disentis» standen zur Auswahl und erfreuten sich lebhaften Zuspruchs.

Der schöne Festtag fand in einem «Abend der Barmherzigkeit» mit Lobpreis und Beichtgelegenheit seinen Ausklang.
 


Die Anbetungskapelle konkret
Ausgeschmückt wurde die neue Anbetungskapelle von einem italienischen Künstler aus dem Franziskanerorden. Die Wandbilder sind in schlichtem Schwarz/Weiss gehalten und lenken nicht von der Anbetung ab. Als kostbarster Schatz, den die Kapelle birgt, darf wohl eine Haarreliquie des seligen Carlo Acutis gelten, dessen Ausstellung über eucharistische Wunder unter anderem auch in der jetzigen Anbetungskapelle gezeigt wurde.

Das Kloster sucht Beterinnen und Beter, die bereit sind, eine Stunde vor dem Allerheiligsten zu übernehmen, sowohl für die aktuellen Anliegen, die das Kloster erreichen, als auch für sich selbst.

Zu Beginn besteht die Gelegenheit dafür jeden Samstag von 8:30 bis 19:30 Uhr. Falls das Kloster mehr Anfragen erhält, werden die Anbetungszeiten erweitert.

Die Anbetungskapelle ist so konzipiert, dass Anbetung jederzeit möglich ist. Zum Schutz vor Diebstahl oder Entweihung ist die Monstranz hinter einem Fenster gesichert.

 

Wer sich angesprochen fühlt und gerne eine Stunde übernehmen möchte, kann sich per E-Mail bei P. Murezi melden: p.murezi@kloster-disentis.ch.


Martin Meier-Schnüriger


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