«Am heutigen Hochfest Allerheiligen ist es eine grosse Freude, den heiligen John Henry Newman in den Kreis der Kirchenlehrer aufzunehmen und ihn anlässlich der Heilig-Jahr-Feier des Bildungswesens zusammen mit dem heiligen Thomas von Aquin zum Mit-Patron all jener zu ernennen, die am Bildungsprozess teilhaben», so begann Papst Leo XIV. seine Homilie. An dem Gottesdienst nahmen Zehntausende Menschen teil, die aus Anlass der Heilig-Jahr-Feier der katholischen Schulen nach Rom gekommen waren.
«Die beeindruckende kulturelle und geistliche Grösse Newmans wird inspirierend sein für kommende Generationen, deren Herzen sich nach Unendlichkeit sehnen und die bereit sind, mittels Forschung und Erkenntnis jene Reise zu unternehmen, die uns, wie die Alten sagten, per aspera ad astra, also durch Mühen zum Erfolg führt», führte der Pontifex weiter aus.
Er forderte die in der Ausbildung tätigen Menschen auf, als Lichter in der Welt zu leuchten, durch die Authentizität ihres Engagements bei der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit. «Wenn ich an Schulen und Universitäten denke, dann stelle ich sie mir als Werkstätten der Prophetie vor, wo die Hoffnung gelebt, beständig weitererzählt und immer neu angeboten wird.» Jesus Christus ist der Lehrer und Erzieher schlechthin. Als seine Jünger sind wir bei ihm in der Schule und lernen, «in seinem Leben, also auf dem Weg, den er gegangen ist, einen Sinnhorizont zu entdecken, der alle Formen der Erkenntnis erleuchten kann.»
Die gegenwärtigen Herausforderungen scheinen manchmal unsere Möglichkeiten zu übersteigen, besonders das «Dunkel des Nihilismus». Mit diesem Stichwort leitete der Papst zurück zu John Henry Newman und erinnerte an einen der bekanntesten Texte des neuen Kirchenlehrers, an den Hymnus «Lead, kindly light» (Führ, freundlich Licht). «In diesem wunderbaren Gebet erkennen wir, dass wir weit von zu Hause entfernt sind, dass unsere Füsse wanken und dass wir den Horizont nicht klar ausmachen können. Doch nichts davon hält uns auf, denn wir haben unseren Wegweiser gefunden: ‹Führ freundlich Licht, im Ring der Dunkelheit führ du mich an!›.»
Es ist Aufgabe der Bildung, dieses freundliche Licht denen weiterzugeben, die sonst im Pessimismus und der Angst gefangen bleiben könnten. «Betrachten und zeigen wir Zusammenhänge auf, die Licht und Orientierung in unserer von so vielen Ungerechtigkeiten und Unsicherheiten verdunkelten Gegenwart vermitteln.»
Papst Leo zitierte einen weiteren Text von Kardinal Newman: «Gott hat mich geschaffen, damit ich ihm einen bestimmten Dienst erweise; er hat mir eine Aufgabe übertragen, die er keinem anderen übertragen hat. Ich habe meinen Auftrag – den ich in diesem Leben möglicherweise nie erfahren werde, aber im nächsten Leben wird er mir offenbart werden»[1].
Das Leben wird nicht dadurch hell, dass wir reich, schön oder mächtig sind, so Papst Leo. «Es wird hell, wenn einer in sich diese Wahrheit entdeckt: Ich bin von Gott gerufen, ich habe eine Berufung, ich habe eine Mission, mein Leben dient etwas, das grösser ist als ich!» Damit Menschen zu dieser Wahrheit kommen können, dazu tragen die Bildungsgemeinschaften bei. «Wir können daher sagen, dass die Bildung und Erziehung aus christlicher Sicht allen hilft, heilig zu werden. Nichts weniger.»
Papst Leo schloss die Homilie mit den Worten: «Ich bete dafür, dass die katholische Bildung und Erziehung allen hilft, ihre persönliche Berufung zur Heiligkeit zu entdecken. Der heilige Augustinus, den der heilige John Henry Newman sehr schätzte, sagte einmal, dass wir Studienkollegen sind, die nur einen einzigen Lehrer haben, dessen Schule sich auf Erden und dessen Lehrstuhl sich im Himmel befindet.»
Auf dem Petersplatz waren auch Delegationen aus Grossbritannien anwesend, darunter einige Repräsentanten der anglikanischen Kirche wie Erzbischof Stephen Cottrell von York.
Beim Mittagsgebet grüsste Papst Leo XIV. die anwesende Delegation der Church of England. «Eure Anwesenheit heute bringt unsere gemeinsame Freude über die Erhebung von John Henry Newman zum Kirchenlehrer zum Ausdruck. Möge er vom Himmel aus den Weg der Christen zur vollen Einheit begleiten.»
Als Kirchenlehrer werden Heilige bezeichnet, die über ihre Epoche hinaus die christliche Theologie beeinflusst haben. Die katholische Kirche kennt derzeit 38 Kirchenlehrer und Kirchenlehrerinnen. Die Kirchen des Westens und des Ostens sehen unter anderen Augustinus, Ambrosius von Mailand, Hieronymus und Gregor den Grossen sowie Johannes Chrysostomos, Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Athanasius von Alexandria als Kirchenlehrer an.
Später folgten im Westen unter anderen Thomas von Aquin, Anselm von Canterbury und Bonaventura. Seit dem 18. Jahrhundert wurden weitere Kirchenlehrer hinzugefügt, darunter vier Frauen: Teresa von Ávila, Katharina von Siena, Thérèse von Lisieux und Hildegard von Bingen.
In der katholischen Kirche wird der Titel durch das Heiligsprechungs-Dikasterium anerkannt und vom Papst offiziell verkündet. Zuvor werden die Schriften auf Rechtgläubigkeit und Relevanz geprüft. Einzelne Irrtümer sind kein Hindernis für die Anerkennung; die Schriften von Kirchenlehrern gelten als «rechtgläubig, aber nicht irrtumslos».
Bislang wurden mit Thérèse von Lisieux und John Henry Newman erst zwei Heilige des 19. Jahrhunderts in die Liste aufgenommen. Aus dem 20. und dem 21. Jahrhundert wurde noch niemand als Kirchenlehrer anerkannt.
[1] Meditations and Devotions, III, I, 2
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