Ansicht von Basel mit Blick auf das Münster. (Bild: Photo-pixler/Pixabay)

Kommentar

Kan­to­nal­kir­che Basel-​Stadt: Mit­glied­schaft ohne Beitritt

Die Kir­chen­ver­fas­sung der Römisch-​Katholischen Lan­des­kir­che Basel-​Stadt (RKK BS) ist ein­deu­tig: Mit­glied wird nur, wer eine Erklä­rung des Bei­tritts abgibt (§ 2 Abs. 1). Die auto­ma­ti­sche Über­nahme von Kon­fes­si­ons­da­ten aus frü­he­ren Wohn­sit­zen – ohne aus­drück­li­che Wil­lens­be­kun­dung – wider­spricht die­sem Prin­zip. Den­noch prak­ti­zier­ten die Behör­den in Basel-​Stadt über Jahre hin­weg genau die­ses Vorgehen.

Im Rahmen meines eigenen Zuzugs wurde meine römisch-katholische Konfession vom früheren Wohnort übernommen, obwohl ich der Einwohnerkontrolle ausdrücklich erklärte, nicht Mitglied der Landeskirche sein zu wollen. Die Folge: Ich wurde gegen meinen Willen der RKK BS zugerechnet – mit allen fiskalischen Konsequenzen. Über drei Jahre hinweg wurde Kirchensteuer erhoben.

Eine wirkungslose Reform?
Auf meine Nachfrage hin verwiesen sowohl das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt als auch die RKK BS gegenseitig auf ihre jeweilige Zuständigkeit. Das Einwohneramt erklärte, es handle sich um eine übliche Praxis («Usanz»), basierend auf Abmeldebescheinigungen. Die RKK BS wiederum verwies auf das kantonale Register und erklärte, eine Feststellungsverfügung über die unrechtmässige Mitgliedschaft sei nicht möglich, da ich inzwischen ausgetreten sei – dass «schutzwürdige Interesse» fehle.

Tatsächlich aber zeigt dieser Fall eine tiefere Systemschwäche: Die 2019 revidierte Verfassung der RKK BS bleibt in der Praxis folgenlos, solange Verwaltung und Kirche an einem Automatismus festhalten, der faktisch zu einer Zwangsmitgliedschaft führt.

Nachträgliche Einsicht – und ein Gutachten
Immerhin: Der Druck zeigte Wirkung. Die staatliche Verwaltung kündigte an, die Praxis anzupassen, sodass künftig keine automatische Mitgliedschaft mehr erfolgt, ohne dass eine Erklärung abgegeben wird. Und auch seitens der RKK BS selbst wurde in Aussicht gestellt, zu prüfen, ob das bisherige Vorgehen mit der Verfassung vereinbar ist. Kirchenratspräsident Christian Griss teilte Anfang 2025 mit, dass ein externes Rechtsgutachten eingeholt werde, um die aufgeworfenen Fragen abschliessend zu klären.

Ein solches Gutachten wäre dringend nötig. Denn wenn die geltende Verfassung keine automatische Mitgliedschaft kennt, müssen sämtliche betroffenen Personen korrekt über ihre Rechte informiert und gegebenenfalls rückwirkend entlastet werden.

Die grössere Frage
Dieser Fall ist kein Einzelfall, sondern Symptom eines tieferliegenden Problems im Schweizer System der öffentlich-rechtlichen Kirchenmitgliedschaft: Der Staat erhebt im Auftrag einer religiösen Körperschaft Steuern – während er zugleich nicht eindeutig sicherstellt, dass die betroffenen Personen dieser Körperschaft tatsächlich beigetreten sind. Der Akt des Glaubens wird zur verwaltungstechnischen Vermutung degradiert, der Staat wird zum Handlanger der Landeskirchen. Nota bene war eines der Hauptgründe der damaligen Kirchenverfassungsrevision der Hintergrund, dass man die Mitgliedschaft in der Landeskirche für Angehöriger sämtlicher Konfessionen (und auch für Konfessionslose im theologischen Sinne) öffnen wollte.

Für römisch-katholische Christen, die an der Einheit mit der Weltkirche festhalten, stellt sich dabei eine grundsätzliche Frage: Wie kann man Teil der universalen Kirche sein, ohne gleichzeitig zwangsweise in ein staatskirchliches Konstrukt hineingezogen zu werden? Und wie verträgt sich dies mit der Religionsfreiheit?

Befürworter dieses Systems argumentieren, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit jederzeit garantiert sei, da die betroffene Person ja jederzeit ihren schriftlichen Austritt aus der Landeskirche erklären könne. Dass dabei dem Rechtssubjekt eine aktive Handlung zugemutet wird, und die Mehrheit der betroffenen Personen kaum über Kenntnisse des dualen Systems verfügt (der Kommentarschreiber zum damaligen Zeitpunkt eingeschlossen), wird hierbei konsequent ignoriert.

Aus staatsrechtlicher Sicht ist es offensichtlich, dass bei diesem automatisierten Verwaltungsakt (Mitglied der Landeskirche ist, wer römisch-katholischer Konfession ist), der im Übrigen in fast allen anderen Deutschsprachigen Kantonen in den jeweiligen Kirchenverfassungen immer noch vorgesehen ist, eine Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorliegt, da das bekennende Rechtssubjekt automatisch einer Organisation angeschlossen wird, die sich die Freiheit nimmt, im Namen des betreffenden Katholiken in der Öffentlichkeit zu sprechen und oftmals politische und theologische Positionen zu vertreten, die dem Lehramt der Römisch-katholischen Kirche diametral widersprechen: Homoehe, Abtreibung, Frauenpriestertum, Kollektivismus seien hierbei nur als Beispiel angefügt.
Ob die von den Befürwortern (wie z. B. Daniel Kosch) vorgebrachten Rechtfertigungsgründe, wie z. B. der Wunsch der Kantone, einen festen Ansprechpartner zu haben oder dass die Bischöfe hinter diesem System stehen, vor einem Gericht Bestand hätten, wird die Zukunft zeigen.

Persönliche Einschätzung
Meines Erachtens ist die besprochene Praxis bundesrechtswidrig, da das Bundesgericht mehrmals geurteilt hat, dass die Mitgliedschaft in der sakramental-verfassten Kirche nicht deckungsgleich mit der Mitgliedschaft in einer Landeskirche sei und die Mitgliedschaftsfrage aus staatsrechtlicher Sicht nur in Bezug auf die Landeskirche von einem weltlichen Gericht beurteilt werden könne. Ein Austritt aus der Landeskirche bedeute folglich nicht automatisch den Austritt aus der Römisch-katholischen Kirche (diese kanonische Frage könnte sowieso niemals von einem weltlichen Gericht beantwortet werden).
Wenn aber ein staatskirchenrechtlicher Austritt keine automatische Konsequenz auf die kanonische Situation mit sich bringt, dann sollte et contrario auch ein «Eintritt» in die sakramental-verfasste Kirche (also durch das Sakrament der Taufe oder der Konversion) keinen automatisierten Beitritt in die Landeskirche nach sich ziehen, zumal der Mitgliederbestand sich ja nach den jüngsten Verfassungsrevisionen in der RKK BS nicht nur aus römischen-katholischen Gläubigen, sondern unter anderem auch aus Reformierten, Christkatholiken, Muslimen und Atheisten zusammensetzen kann. 

Warum die Organe der kantonalen Landeskirchen an der bestehenden Praxis auf Biegen und Brechen festhalten wollen ist offensichtlich: Ohne Kirchenmitglieder kein Steuersubstrat, ohne Steuersubstrat keine Pfründe: Ob die «freien Katholiken» dem Konstrukt Landeskirche den eingesparten Steuerbetrag aus freien Stücken spenden würden, darf bezweifelt werden. Es ist aber auch festzuhalten, dass meines Erachtens, die von den Bistümern Basel und St. Gallen gelebte Praxis, die «formal aus der Landeskirche ausgetretenen» Katholiken unter Androhung von Kirchenstrafen «einzuladen», in den sogenannten Solidaritätsfond einzuzahlen, bei welchem nicht klar ist, wer über die Zweckwidmung entscheidet, weder durch das diözesane Partikularrecht noch durch das globale kanonische Recht gedeckt ist.

Der Fall Basel-Stadt zeigt: Es ist höchste Zeit, das System zu überprüfen – im Interesse der Rechtssicherheit, der Gewissensfreiheit und nicht zuletzt der Glaubwürdigkeit kirchlicher Zugehörigkeit.
 

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Alexander Schmid

BSc in Wirtschaftsrecht und Vorstandsmitglied des Vereins «Vera fides».


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Bemerkungen :

  • user
    Schwyzerin 21.05.2025 um 22:00
    Es liegt am Bischof dieses Dualesystem in Frage zu stellen. Solange das nicht geschieht, wird sich nichts ändern.