Kardinal Willem Jacobus Eijk. (Bild: Wolters M., CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Kar­di­nal Eijk: «Machen Sie nicht unse­ren Fehler!»

Der nie­der­län­di­sche Kar­di­nal Wil­lem Jaco­bus Eijk warnt davor, in der Kir­che das Heil in Refor­men zu sehen. Im Inter­view mit der Zeit­schrift «Com­mu­nio» (Online­aus­gabe, Mitt­woch) sagte der katho­li­sche Erz­bi­schof von Utrecht, dass die Welt­kir­che von den Erfah­run­gen der nie­der­län­di­schen Kir­che mit libe­ra­len Posi­tio­nie­run­gen ler­nen könne, die sich als Irr­tum erwie­sen hätten.

Die Niederlande gehören zu den am meisten säkularisierten Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung versteht sich als atheistisch oder agnostisch. Aktuell liegt die Zahl der Kirchenbesucher bei rund 100 000, das sind etwa 2,5 Prozent aller Gläubigen.

Die Katholische Kirche in den Niederlanden beriet in einem Pastoralkonzil von 1966 bis 1970 darüber, wie Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) im Land umgesetzt werden konnten. «Das Pastoralkonzil begann mit grossem Enthusiasmus, aber schliesslich versandeten die Diskussionen und die Teilnehmer wurden müde. Auch gab es damals überzogene Erwartungen, beispielsweise hinsichtlich der Abschaffung des Zölibats.» Letztlich sei dabei aber nichts herausgekommen, so der Kardinal.

Kardinal Eijk sieht im gegenwärtigen deutschen Reformprozess des Synodalen Wegs grosse Ähnlichkeiten zu den Vorgängen in den Niederlanden Ende der 1960er-Jahre.
«Wer Verwirrung stiftet, entfremdet die Menschen von der Kirche. Auf diese Weise werden Sie niemanden zurückholen», so der Kardinal. «Ich möchte den Bischöfen anderer Länder sagen: Machen Sie nicht diesen Fehler, machen Sie nicht unseren Fehler.

Stattdessen solle die Kirche auf Verkündigung und Liturgie setzen, um zukunftsfähig zu sein: «In Pfarreien, in denen der Glaube gut verkündet und die Liturgie mit Würde gefeiert wird, sind die Kirchen voll. Es geht darum, Christus in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn die Menschen Christus entdeckt haben und die Heilige Schrift besser verstehen, werden sie auch die Lehren der Kirche besser verstehen.»

Im Umgang mit Reformen wie der Frage nach der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern wandte sich Kardinal Eijk gegen regionale Lösungen: «Wir müssen einen gemeinsamen Weg gehen und dürfen nicht von der Weltkirche abweichen.» Wenn die Einheit in der Verkündigung verloren gehe, verliere die Kirche ihre Glaubwürdigkeit. Ohnehin sei die Mehrheit der Teilnehmer der noch bis Ende des Monats in Rom tagenden Weltsynode nicht begeistert von Genderthemen und der Frauenweihe.

«Wir müssen bedenken, dass Europa nur ein kleiner – und schrumpfender – Teil der weltweiten Kirche ist. Ausserdem denken auch in Europa und Nordamerika nicht alle Menschen in diesen Fragen gleich», sagte der Kardinal.
 

Kommentar von Niklaus Herzog
Als Zeitgenosse und mittelbar Beteiligter, sprich Student am Friedberg-Gymnasium der Pallottiner in Gossau SG, kann ich den Worten von Kardinal Eijk nur beipflichten. Die nach dem Zweiten Vatikanum in Kirche und Gesellschaft um sich greifenden Verwerfungen hatten im Verbund mit der 68er-Revolution auch vor den Klostermauern nicht Halt gemacht. Wer unter den Studenten etwas auf sich gab und zur Avantgarde gezählt werden wollte, fuchtelte mit dem roten Mao-Büchlein herum (ohne es gelesen zu haben) und skandierte Hồ Chí Minh-Parolen. Um diese Protestbewegung aufzufangen, verordnete die Schulleitung den «progressiven» holländischen Katechismus als Pflichtlektüre im Religionsunterricht. Die anfängliche Euphorie wich relativ rasch der allgemeinen Ernüchterung. Der Grund: Niemand begriff so recht, was der holländische Katechismus eigentlich sagen wollte, seine diffusen, dürftigen, Ecken und Kanten vermeidenden und darum langweiligen Ausführungen interessierten bald einmal niemanden mehr.

Wenige Jahre später begann ich in Münster (D) das Theologiestudium. Verblüfft nahm ich da vom einstweilen durchaus einträglichen Geschäftsmodell eines örtlichen Transportunternehmers Kenntnis. Er bot Busfahrten nach Holland an. Der Grund: Die holländischen Bischöfe erlaubten die Generalabsolution, die damals zu Beginn der 70er-Jahre in Deutschland noch untersagt war. «Wenigstens gehen sie noch zur Beichte», versuchten Geistliche andere und vor allem sich selbst zu beschwichtigen. Das Angebot wurde tatsächlich rege genutzt – allerdings nur kurzfristig. Der Reiz des Neuen verpuffte in kurzer Zeit mit dem Resultat, dass bereits zwei Jahre später weder von der Einzel- noch von der Generalbeichte viel übrig blieb.
 

Vollständiges Interview auf «Communio»


KNA/Redaktion


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

Captcha Code Kann das Bild nicht gelesen werden? Klicken Sie hier, um zu aktualisieren

Captcha ist erforderlich!

Code stimmt nicht überein!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 21.10.2024 um 14:34
    Selbstverständlich könnte man in Reformen zwar nicht das Heil, aber wertvolle, den Glauben vertiefende Verbesserungen sehen, zum Beispiel mittels einer Erneuerung und Wiederherstellung des Fastenwesens oder der Ohrenbeichte: was das Frauenpriestertum betrifft, bleibt es dabei, dass Maria von Magdala , nicht mit einer Prostituierten zu verwechseln, das war eine andere Maria, in der Mystik des Spätmittelalters als "Apostolin" und "Bischöfin" genannt wurde, dies ausgerechnet in deutscher Sprache, und dass meines Erachtens, auch wenn es nicht zugegeben wird, heute hauptsächlich der Feminismus und die mit Sicherheit unbiblische "feministische Thjeologie" als Argument gegen das Priestertum der Frauen hinhalten muss. Selbstverständlich waren Katharina von Siena, auch Margaretha Ebner, über die Abt Urban Federer eine hervorragende Dissertations-Studie verfasst hat, auch in ihrer Beziehung zu Heinrich von Nördlingen, desgleichen die Frau von Chantal, in Briefverbindung mit Franz von Sales, von epochaler Bedeutung für die Kirche mit authentischer sozusagen apostolischer Ausstrahlung , viel wichtiger als jeder Bischof zur damaligen Zeit mit Ausnahme des hl. Franz von Sales, dem Patron der Publizisten und Schriftsteller. auch grossem Religionspädagogen. Was die Zeit des Kulturkampfes betrifft, war letztlich die heilige Schneiderin Marguerite Bays aus Siviriez bei Romont zwar nicht in amtskirchlicher Bedeutung, aber trotzdem sehr wichtig für das Kloster Fille Dieu, von ganz anderer heiligmässiger Ausstrahlung als die damaligern Bischöfe, zumal auch der Kardinal Mermillod, der damals in Sachen geistiger und geistlicher Orientierung womöglich auch nicht das Format des von der Kirche schikanierten frommen Laien Philipp Anton von Segesser erreichte, eines der bedeutendsten katholischen Intellektuellen der gesamten Schweizergeschichte. Dieser war theologisch noch stark von der romantischen Schule von ERzbischof Sailer geprägt, der ohne Verleumdungen etwa durch den hl. Clemens Maria Hofbauer und andere wohl schon längst zum Kirchenlehrer erhoben worden wäre. Papst Benedikt Dem XVI. hätte ich gerne diesen Schritt zugetraut, aber offenbar wollte er mit diesem Akt die deutschen Bischöfe und Theologen nicht gerade aufwerten.
  • user
    stadler karl 17.10.2024 um 08:08
    Doch doch, das bekannte "Rote Büchlein" des Vorsitzenden Maodsedong wurde damals hierzulande schon auch gelesen. Es war teilweise eine Ansammlung von idealen Vorstellungen, die den anthropologischen Gegebenheiten schlicht nicht entsprachen. Diese kulturrevolutionären Maximen entsprachen ganz offensichtlich letztlich dem chinesichen Volk ebensowenig. Kaum war Maodsedong verblichen, krempelte der nachfolgende Mann an der Spitze, Deng Xiaoping, die chinesischen Wirtschaftsstrukuren um und schuf die Voraussetzungen, dass sich China innert weniger Jahrzehnten zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht entwickeln konnte und hunderte Millionen von Menschen aus bitterster Armut gehievt wurden, allerdings auch um den Preis von riesigen Umweltbelastungen. Aber wer sich bereits in den siebziger Jahren ein weing interessierte und recherchierte, dem war bald klar, welches Unheil Mao, trotz seiner anfänglichen Verdienste, letztlich über das chinesische Volk brachte mit seiner Kulturrevolution und seinen unsäglichen Wirtschaftsexperimenten wie der "grosse Sprung".
    Dennoch bin ich überzeugt, dass die Kirche auch ohne die Auswirkungen der 68er-Bewegung in eine tiefgehende Krise geraten wäre. Entwicklungen von Wissenschaft und Technik, der dadurch ermöglichte Wohlstand, aber auch der dadurch bedingte Einfluss auf gesellschaftspolitische Themen, waren wahrscheinlich letztlich viel einflussreicher als die eigentliche 68er-Bewegung. Die 68-er Bewegung hat diese unaufhaltbare Entwickung nur lauthals thematisiert. Und das damals noch nicht seltene autoritäre Gebaren seitens der Kirche, Anspruch auf absolute Wahrheiten zu besitzen und alles und jedes unter normativer Kontrolle zu halten und so das Leben der Menschen a priori prägend bestimmen zu wollen, vermochte solchen Voraussetzungen nicht mehr standzuhalten.
    • user
      Marquard Imfeld 17.10.2024 um 10:59
      Zutreffender Kommentar von Herrn Stadler. Es sind vor allem die Auswirkungen der Aufklärung mit nachfolgender Wissenschaft und Technik und Verweltlichung unserer katholischen / christlichen Werte, welche zu einem neuen Heidentum in Westeuropa führten. Das hat Joseph Ratzinger 1958 bis ins Detail vorausgesehen.
      https://beiboot-petri.blogspot.com/2024/10/was-joseph-ratzinger-schon-1958.html?m=1
  • user
    Marquard Imfeld 16.10.2024 um 18:43
    Vorschlag: Die CH Bischofskonferenz könnte Kardinal Eijk als Konsulenten einladen. Seine Erfahrung wäre sicherlich hilfreich.