Mit der Suprematsakte hatte sich König Heinrich VIII. am 3. November 1534 vom englischen Parlament zum Oberhaupt der Katholischen Kirche in England ernennen lassen; daraus entstand die «Church of England», die Mutterkirche der Anglikanischen Gemeinschaft. König Charles III. ist ihr weltliches Oberhaupt.
Starke symbolische Geste
Nach einem Treffen im Apostolischen Palast versammelten sich Papst Leo XIV., König Charles III. und Königin Camilla von England zu einem ökumenischen Gebetsgottesdienst in der Sixtinischen Kapelle. Geleitet wurde das Mittagsgebet, das aus Psalmen und einer Lesung aus dem Evangelium bestand, vom Papst und dem Erzbischof von York und Primas von England, Stephen Cottrell, dem zweithöchsten Bischof der Church of England. Unter den prächtigen Fresken Michelangelos lobten sie Gott auf Latein und Englisch für seine Schöpfung.
Unter den zahlreichen Teilnehmern waren auch der Erzbischof von Westminster und Präsident der Katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, sowie Leo Cushley, Erzbischof von St. Andrews und Edinburgh, als Vertreter des schottischen Episkopats.
Bereits im Eröffnungshymnus kam das Thema der christlichen Einheit deutlich zum Ausdruck. Der Originaltext stammt von Ambrosius von Mailand. Gesungen wurde der Hymnus in einer englischen Übersetzung von John Henry Newman, der selbst Anglikaner war, bevor er zum Katholizismus konvertierte. König Charles hatte 2019 an der Heiligsprechung des englischen Theologen teilgenommen. Papst Leo wird ihn am 1. November zum Kirchenlehrer ernennen.
Den Schlusssegen erteilten Papst Leo XIV. und der anglikanische Erzbischof gemeinsam: eine starke symbolische Geste.
Kirchliches Gipfeltreffen
Vor dem Mittagsgebet hatte sich Charles III., der als König Oberster Gouverneur der anglikanischen Kirche von England ist, mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen Aussenminister Erzbischof Paul Richard Gallagher getroffen. Gemäss offizieller Mitteilung ging es im Gespräch vor allem um Ökumene, Umweltschutz und Armutsbekämpfung. Ein Fokus galt «dem gemeinsamen Engagement für die Förderung von Frieden und Sicherheit angesichts globaler Herausforderungen».
Zwei neue Titel
Charles wollte bereits vor 40 Jahren – damals noch als Thronfolger – bei einem Vatikanbesuch an einer Messe mit Papst Johannes Paul II. in dessen Privatkapelle teilnehmen. Doch Königin Elizabeth II. erhob Einspruch, sie war noch zu sehr dem antikatholisch imprägnierten anglikanischen Staatskirchentum verhaftet.
Als König darf Charles III. nun selbst entscheiden. Als Zeichen der Annäherung beider Konfessionen verlieh er darum Papst Leo XIV. einen neuen Titel – und bekam einen zurück. Während der Papst nun Päpstlicher Mitbruder der Sankt-Georgs-Kapelle in Windsor Castle ist, trägt der britische Monarch jetzt den Titel des Königlichen Konfraters in der Päpstlichen Basilika und Abtei Sankt Paul vor den Mauern. Die neu erdachten Ehrentitel sollen ein Zeichen der Annäherung zwischen katholischer und englischer Kirche sein.
Letzteres besiegelte neben einer Urkunde auch ein eigener Stuhl mit Charles' Wappen. Nachdem sich der König bei der feierlichen Verleihung erstmalig auf ihm niederliess, wird er für eine künftige Nutzung britischer Kings oder Queens im Chorgestühl in der Basilika verbleiben – einem historisch bedeutenden Ort für die Beziehung der Konfessionen. Im Jahr 1966 vereinbarten Papst Paul VI. und der damalige Erzbischof von Canterbury, Michael Ramsey, dort zum ersten Mal seit der Reformation, einen formellen Dialog zwischen Anglikanern und Katholiken aufzunehmen.
Leo XIV. blieb der Zeremonie am Nachmittag fern – sowohl physisch als auch im Bild. In der Basilika, in der Medaillons die Porträts aller Päpste zeigen, ist Leos Platz zwar angestrahlt, aber nach wie vor ohne sein Abbild.
Trotz des straffen Programms blieben dem britischen Königspaar einige Minuten für ein privates Gebet vor dem Grab des Apostels Paulus.
Der Besuch von Charles III. und Camilla war noch unter Papst Franziskus geplant worden und sollte im April 2025 stattfinden, musste aber aufgrund des Todes von Franziskus verschoben werden. Das jetzige Datum kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Im Gefolge der Berufung von Sarah Mullally zur Erzbischöfin von Canterbury und somit zum Primas von ganz England und Ehrenoberhaupt der anglikanischen Kirchengemeinschaft kam es zu Abspaltungen. So gab am 16. Oktober die «Global Fellowship of Confessing Anglicans», der weltweite Zusammenschluss bekenntnistreuer Anglikaner, bekannt, dass sich der Verband mit seinen rund 42 Millionen Mitgliedern von der Kirche Englands trennt. Schon früher haben Kirchen die anglikanische Kirchengemeinschaft verlassen, so nach der Einführung des Priester- resp. Bischofsamts für Frauen. Die genaue Mitgliederzahl der Anglikanischen Gemeinschaft ist nicht bekannt – die Angaben schwanken zwischen 10 und 80 Millionen. Fakt ist, dass sich die Gemeinschaft in einem Auflösungsprozess befindet.
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