(Bild: Josh Appel/Unsplash)

Kirche Schweiz

Kir­chen­steuer für juris­ti­sche Per­so­nen – der Schein trügt

Mit 94 zu 23 Stim­men lehnte der Thur­gauer Kan­tons­rat eine Motion ab, wel­che die Abschaf­fung der Kir­chen­steuer für juris­ti­sche Per­so­nen ver­langt hatte.

Es dürfte sich um eine Premiere in der Geschichte des Schweizer Parlamentarismus handeln: Als das Thurgauer Kantonsparlament am 11. Januar 2023 die Motion zur Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen behandelte, nahm dazu auch der Fraktionssprecher der Eidgenössischen Demokratischen Union (EDU), Lukas Madörin, Stellung – dies mit einem in Briefform verfassten Gebet an Gott. Darin sagte er unter anderem: «Ich danke Dir Gott, dass Du die Kirche immer wieder gesegnet hast und die Kirche immer wieder zum Segen für unser Land geworden ist.» Zuvor hatte er begründet, weshalb seine Fraktion – übrigens als einzige – die Motion befürwortete: «Die EDU sieht mehrheitlich in der Motion eine Chance für die Kirche, wieder auf den wesentlichen Punkt zurückzukommen, sich auf ihre Kernaufgabe zu konzentrieren, den Fokus wieder auf den Auftrag der Jünger und damit auf die Verkündigung der Guten Nachricht durch Wort und Tat zu legen. Denn das Leben der Gläubigen braucht nicht in erster Linie Geld, sondern Liebe untereinander. Genau diesen Unterschied könnte die Kirche machen.»

Dieses Votum dürfte manch einen Parlamentarier irritiert und zugleich erstaunt haben, denn die EDU gilt gemeinhin als Partei, die ihre christlich-konservativen Prinzipien in Staat und Gesellschaft konsequent verwirklicht haben will.

Und ausgerechnet eine solche Partei will die Landeskirchen durch den Entzug von Steuergeldern schwächen?

Sieht man genauer hin, sprechen jedoch gute Gründe für die Position der EDU. Denn der zukünftige Stellenwert der Kirchen in der Gesellschaft wird entscheidend von ihrer Glaubwürdigkeit abhängen. Und eben diese Glaubwürdigkeit haben die Kantonalkirchen mit ihrem Verhalten im Vorfeld dieser Abstimmung gewiss nicht gefördert. Denn auffallend ist: 37 Parlamentarier hatten die Motion anfänglich unterstützt, aber nur 23 stimmten ihr in der Abstimmung schliesslich zu. Diese Diskrepanz lässt sich nur mit einem massiven Lobbying von führenden Funktionären der beiden Kantonalkirchen vor der Abstimmung erklären. Dies weckt das schale Gefühl, dass ihnen das liebe Geld ganz besonders am Herzen liegt, was wiederum gerade nicht dem Auftrag des Evangeliums entspricht. Kommt hinzu, dass in der öffentlichen Debatte seitens der Kirchen fast gebetsmühlenartig immer wieder auf die überkonfessionellen, der gesamten Gesellschaft zugutekommenden Leistungen hingewiesen wurde. Leistungen, die wiederum nicht dem Kernauftrag der Kirchen zugerechnet werden können wie zum Beispiel Beiträge zur Verschönerung des Ortsbildes, kostengünstige Zurverfügungstellung kirchlicher Räumlichkeiten für soziale und kulturelle Aktivitäten Dritter wie Yoga- und Malkurse oder Proben für Theateraufführungen von Dorfvereinen. Die Landeskirchen wären also gut beraten, sich nicht auf die Verteidigung des Status quo zu versteifen, sondern sich proaktiv auf den Verzicht auf das staatliche Manna vorzubereiten. Denn eines ist gewiss:

Der Prozess der zunehmenden Säkularisierung lässt sich nicht aufhalten und damit auch das zunehmende Legitimationsdefizit für Zwangsabgaben, wie es die Kirchensteuern für juristische Personen tatsächlich sind.

Und damit kommt auch unweigerlich die Frage nach Inhalt und Umfang der Religionsfreiheit ins Spiel. Das in der Kantonsratsdebatte vorgebrachte Argument, dass jemand, sprich Firmen, einer Religionsgemeinschaft Steuern bezahlen muss, der er nicht angehört, liegt auf der Hand. Das Bundesgericht befasste sich letztes Mal am 13. Juni 2000 mit dieser Grundsatzfrage. Dem Urteilstenor lässt sich unschwer entnehmen, dass es ihm bei der Ablehnung der Beschwerde gegen die Zwangssteuer für juristische Personen offensichtlich nicht ganz wohl war. In seinem Urteil hielt es schon damals fest, es sei «in einer Zeit starker gesellschaftlicher Wandlungen angezeigt» zu überprüfen, ob im Lichte neuer Argumente und Erkenntnisse seine Spruchpraxis geändert werden sollte.

Diese gesellschaftlichen Wandlungen haben sich seither akzentuiert, ja enorm beschleunigt, und zwar in Richtung Säkularisierung – oder auf gut deutsch: Entchristlichung. Die nächste Beschwerde in dieser Frage wird kommen, so sicher wie das Amen in der Kirche, und zwar eher früher als später. Und dann wird das Bundesgericht im Lichte dieses gesellschaftlichen Umbruchs die Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuer für juristische Personen kaum mehr bejahen können.

Die Kirchen und vor allem ihre staatskirchenrechtlichen Parallelstrukturen tun gut daran, sich ganz im Sinne der von Papst Benedikt XVI. angemahnten «Entweltlichung» neu auf ihren evangelischen Kernauftrag zu konzentrieren und auf ihre fetten Pfründe rechtzeitig zu verzichten. (So verdient etwa die Präsidentin des Synodalrates der römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich, Franziska Driessen-Reding, auf 100 Prozent bezogen mehr als ein Mitglied der Stadtzürcher Regierung). Ansonsten wird es ein böses Erwachen geben.

Gespannt wird das Resultat der bevorstehenden Abstimmung im Parlament des Kantons Schwyz erwartet: Dort ist eine Motion hängig, die im Unterschied zum Thurgauer Fall nicht die Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen verlangt, sondern nur deren Freiwilligkeit.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Ferdi22 16.01.2023 um 17:31
    Die (konfessionellen) Kirchgemeinden verfügen über eine gewisse Autonomie. Mitglied und steuerpflichtig wird man durch Erklärung beim Zuzug. Über die Verwendung der eingezogenen Steuer bestimmt demokratisch die Kirchgemeindeversammlung. Wem das nicht passt, kann durch Wohnortswechsel in eine andere Gemeinde übertreten oder durch Erklärung einfach austreten, sofern dies im Gemeindegesetz des Kantons vorgesehen ist. Firmen können nicht austreten, weil sie keiner Konfession angehören können. Aber sie können den Firmensitz in einen Kanton mit mehr Freiheit verlegen.
    Die kath. Kirche ist eine (oder die) Gemeinschaft der Gläubigen (des kath Glaubensbekenntnisses), nicht der steuerpflichtigen Kirchgemeindeangehörigen. Die Steuerpflicht steht nicht im Glaubensbekenntnis.
  • user
    Don Michael Gurtner 15.01.2023 um 19:17
    Es gibt sie also doch noch, die Punkte in denen die (Landes)Kirche erzkonservativ und hoffnungslos ewiggestrig ist... An sich schöne Eigenschaften, hier jedoch leider in genau den falschen Stellen.

    Zumindest in dieser Frage würde ich mir ein wenig mehr Innovation und einen mutigen Schritt nach vorne erwarten.