Symbolbild. (Final fight of the All-Marine Boxing Trials. Bild: Staff Sgt. Jason Huffine, Public domain via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Kirch­ge­meinde Lit­tau: Räum­lich­keit für eine «Prü­gel­nacht» zweckentfremdet

Am 25. Januar 2025 fin­det in Lit­tau eine «Prü­gel­nacht» statt. Ein «Hardcore-​Kampfsport-​Event der Extra­klasse», wie die Ver­an­stal­ter auf Ins­ta­gram schrei­ben. Dass sich Men­schen gegen­sei­tig die Köpfe ein­schla­gen wol­len, ist nichts Neues und der Ent­schei­dung der Betei­lig­ten über­las­sen. Was jedoch Fra­gen auf­wirft, ist der Ort der Ver­an­stal­tung: Das Semi­nar– Kul­tur und Begeg­nungs­zen­trum St. Michael. Besit­ze­rin: Die Römisch-​Katholische Kirch­ge­meinde Littau.

In der «Prügelnacht» – so bezeichnen die Organisatoren diesen Anlass – gibt es Kämpfe bis zum «Last Man Standing»: ohne Punktwertung bis zum Knock-out. Der Sieg gehört dem, der seinen Gegner k. o. schlägt oder ihn zum Aufgeben zwingt. Der «Blick» berichtete als erstes Medium über diesen Anlass und wies auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund von Joël M. hin, der den Hauptkampf bestreiten wird. Auf seinem Bizeps hat er einen SS-Totenkopf tätowiert, das Symbol einer Division von Hitlers brutalster Schutzstaffel. Die Organisatoren der «Prügelnacht» beteuern, dass er sich von der Neonazi-Szene losgesagt habe. Zusätzlich wies «Blick» darauf hin, dass Mitglieder der «Hell Angels» die Organisatoren beim Anlass unterstützen werden.

Verschiedene andere Medien nahmen die Story auf, was die Kirchgemeinde Littau anscheinend dazu veranlasste, am Montagabend das Gespräch mit der Polizei zu suchen. Am 7. Januar teilte die Kirchgemeinde mit, dass der Anlass stattfinden wird.

«Nach Absprache mit diversen Stellen und sorgfältiger Prüfung hat die Betriebskommission des beliebten Seminar-, Kultur- und Begegnungszentrums den Anlass bewilligt.» Der Entscheid sei den Verantwortlichen nach den vielen Medienartikeln nicht leichtgefallen. Sie wiesen weiter darauf hin, dass «mehrere solcher Kampfsport-Veranstaltungen» in den letzten Jahren auch «in ähnlichen Räumen in der Agglomeration Luzern» stattgefunden hätten.

Die Kirchgemeinde erklärt weiter, dass der «Sport auf höchstem Niveau» im Vordergrund stehe. Der Event vom 25. Januar werde unter der Schirmherrschaft des Kampfsportverbandes «International Sport Kickboxing Association» durchgeführt, dessen Ethikrichtlinien befolgt werden müssen. Sämtliche Kämpfe würden durch ein professionelles Ärzteteam überwacht, zudem fänden Dopingkontrollen statt. «Die Veranstalter garantieren eine professionelle Struktur und distanzieren sich klar von politischen oder religiösen Ansichten. Rechtsextremismus hat ebenfalls keinen Platz.»

«Die Betriebskommission des Zentrum St. Michael legt zudem Wert auf die Tatsache, dass es sich bei ihrem Zentrum nicht um eine Kirche handelt. Ein früher zugehöriger Kirchensaal wurde bereits 2001 ab- und umgebaut. Das Zentrum ist seit über 20 Jahren ein modernes multifunktionales Seminar-, Kultur- und Begegnungszentrum.»

Auffallenderweise wird das Zentrum St. Michael bewusst als «nicht kirchlich» bezeichnet. Gemäss Betriebsreglement steht es in erster Linie «kirchlichen Organisationen und den Vereinen der Stadt Luzern» zur Verfügung. Im Zentrum befindet sich allerdings auch ein Meditationsraum, der gemäss Webseite «den seelsorgerischen Bedürfnissen der Kirchengemeinde» dient.

Gemäss Reglement soll das Zentrum St. Michael dem Pfarrei- und Gemeindeleben sowie einer sinnvollen Freizeitgestaltung dienen. «swiss-cath.ch» wollte von der Kirchgemeinde wissen, ob sie Kämpfe, die bis zum «Last Man Standing» führen, als sinnvolle Freizeitgestaltung für die Gläubigen resp. Einwohner der Gemeinde erachten. Statt einer Antwort erhielten wir im Auftrag der Kirchenratspräsidentin Daniela Merkel die offizielle Medienmitteilung.

Auch auf unsere weiteren Fragen erhielten wir keine Reaktion:

  • «Wie lassen sich solche Kämpfe mit einer katholischen Gesinnungsethik vereinbaren? Eigentümerin des Zentrums ist ja die «Röm.-Kath. Kirchgemeinde Littau».
  • Wie stellt sich die Kirchgemeinde zur Tatsache, dass die Veranstalter des Anlasses anscheinend einen Bezug zur Neonazi-Szene haben?
  • Gemäss «Luzerner Zeitung» legt die Betriebskommission des Zentrums Wert auf die Tatsache, «dass es sich bei ihrem Zentrum nicht um eine Kirche handelt». Wie ist dieser Satz zu verstehen? Gelten nur für das Kirchgebäude katholische Regeln und Werte?»

Aufgrund der offiziellen Stellungnahme muss davon ausgegangen werden, dass in den Augen der Kirchgemeinde Littau nur für das Kirchgebäude und im Kirchgebäude die katholischen Normen und Werte gelten, nicht aber für die übrigen, sich im Besitz der Kirchgemeinde befindenden Räumlichkeiten. Alle anderen Einrichtungen – die übrigens durch die Einnahmen aus den Kirchensteuern unterhalten werden – gelten als «normale» Gebäude, die man für alles Mögliche und Unmögliche benutzen kann.

Die Medienmitteilung der Kirchgemeinde Littau schliesst mit dem vielsagenden Satz: «Die Verantwortlichen des Zentrums St. Michael stehen für weitere Auskünfte nicht nur Verfügung.» Diese Kommunikationspolitik passt wie die Faust aufs Auge zur Forderung nach Transparenz, die gerade hiesige staatskirchenrechtliche Organe lauthals an die Adresse von Bischöfen und Papst erheben. Gemäss § 6 Abs. 1 der «Verfassung der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern» sorgen die Landeskirche und Kirchgemeinden «für die religiöse Betreuung der Katholikinnen und Katholiken im Kanton Luzern durch die römisch-katholische Kirche und besorgen die der kirchlichen Tätigkeit dienende öffentliche Verwaltung.» Eigene Räumlichkeiten für «Prügelorgien» zur Verfügung zu stellen mit dem verqueren Argument, es handle sich dabei um «Sport auf höchstem Niveau», widerspricht der in der zitierten Verfassungsbestimmung festgelegten Zielsetzung diametral. Eine Aufsichtsbeschwerde ist nicht zuletzt im Interesse der Glaubwürdigkeit der Luzerner Landeskirche und ihrer Organe unvermeidlich.

Medienmitteilung


Redaktion


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    Hans Peter Flückiger 10.01.2025 um 15:17
    Was soll dann die Aufregung. Für wie viele andere Dinge wurden Kirchenräume schon zweckentfremdet. Spontan kommt mir den Aktivismus für die Konzernverantwortungsinitiative vor ein paar Jahren in den Sinn. Habe den Verdacht, dass der Zeit- und nicht der Heilige Geist über die Programmgestaltung wacht. Nicht, dass ich diese "Prügelnacht" geistreich finde. Mich nervt nur, wann medial hyperventiliert wird, und wann nicht.
  • user
    Hansjörg 09.01.2025 um 14:04
    Alle Mitglieder der Kirchgemeinde Littau müssen sich wohl nun überlegen, ob sie solche Anlässe mit ihren Kirchensteuern ermöglichen wollen.