Die internationale Gemeinschaft sei bis jetzt nicht in der Lage oder nicht willens gewesen, wirksam auf die Eskalation der Gewalt in Bergkarabach zu reagieren, so Joel Veldkamp, Menschenrechtsexperte von «Christian Solidarity International» (CSI). «Es ist eine schwierige Lage, doch die internationale Lage ist heute besser als noch vor sechs Monaten: Es gibt einen neuen Willen zum Frieden.» Aserbaidschan ist abhängig von Russland (Waffen) sowie den Vereinigten Staaten und der EU (Öl, Stichwort SOCAR). Doch diese Abhängigkeit wurde noch nicht genutzt, um Druck auf Aserbaidschan auszuüben. Dies hängt auch mit der angespannten Beziehung zwischen Russland und den USA zusammen. Es gibt jedoch Anzeichen eines neuen Anlaufs für Frieden und Zusammenarbeit, so Joel Veldkamp: «Die Grossmächte USA, EU, Grossbritannien und Russland haben ein Interesse daran, einen weiteren Krieg im Kaukasus zu verhindern und einen dauerhaften Frieden zu schaffen.» Indem sie das Schweizer Friedensforum für Bergkarabach unterstützten, könnten sie den ins Stocken geratenen Friedensprozess im Kaukasus wieder in Gang bringen und die Weichen in Richtung eines echten, auf Gerechtigkeit beruhenden Friedens stellen, ist Veldkamp überzeugt.
Weltweite Aufmerksamkeit wichtig
In den beiden folgenden Tagen, am 27. und 28. Mai 2025, fand respektive findet in Bern die «Armenian Heritage Conference» statt. Sie befasst sich mit den Folgen des Konfliktes in Bergkarabach und dem Schutz des armenischen religiösen und kulturellen Erbes, den Menschenrechten der Bevölkerung und der zukünftigen Sicherheit der armenischen Nation und wird vom «Ökumenische Rat der Kirchen» (ÖRK) und der «Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz» organisiert wird. Joel Veldkamp freut sich über diese zusätzliche Initiative, denn die Motion und allgemein die Problematik um Bergkarabach braucht zur wirksamen Unterstützung eine breite Öffentlichkeit. «Das kulturelle Erbe Armeniens, das auch Welterbe ist, ist in Gefahr, durch Aserbaidschan zerstört zu werden.» Bereits wurden viele Kirchen und Friedhöfe vernichtet.
Die Römisch-katholische Kirche wurde eingeladen, an der Konferenz teilzunehmen. Arianna Estorelli, Leiterin Kommunikation ad interim der Schweizer Bischofskonferenz, machte fehlende Ressourcen als Grund für die Absage geltend. Immerhin werden Wolfgang Bürgstein, Generalsekretär von Justitia et Pax, und Bischof Felix Gmür, verantwortlicher Bischof für die Ökumene, anwesend sein.
Ebenfalls eingeladen war der Vatikan – sowohl als Kirche wie auch als Staat, doch beide haben abgelehnt. Die Situation ist vertrackt: Der Vatikan unterhält gute Beziehungen zu Aserbaidschan und wird von diesem auch finanziell unterstützt; er hält sich entsprechend in der Bergkarabach-Frage sehr zurück. Joel Veldkamp kennt die Problematik: «Der Vatikan ist eine komplexe Organisation und es gibt darin unterschiedliche Meinungen. Manche Mitarbeiter sind aufgrund der aktuellen Situation frustriert. Ich hoffe, dass der Vatikan unter dem neuen Papst Stellung zu Bergkarabach nehmen kann.» Der Vatikan wäre gut beraten, diesem Rat zu folgen, hat er doch diesbezüglich einiges gut zu machen: Als Aserbaidschan Bergkarabach überfallen und die gesamte christliche Bevölkerung vertrieben hatte, reagierte Papst Franziskus mit einem Aufruf zum «beiderseitigen Dialog» (sic).
Die mangelnde Unterstützung für die Bevölkerung von Bergkarabach ist ein grosses Problem. Gemäss Nationalrat Erich Vontobel sind das EDA und auch Bundesrat Cassis nicht sehr motiviert. Das Mandat des Bundesrates besteht gemäss Motion 24.4259 darin, «einen offenen Dialog zwischen Aserbaidschan und Volksvertretern der Bergkarabach-Armenier zu ermöglichen, der unter internationaler Aufsicht oder in Anwesenheit international relevanter Akteure geführt wird, um über die sichere und kollektive Rückkehr der historisch ansässigen armenischen Bevölkerung zu verhandeln.»
Erich Vontobel bekräftigt: «Es braucht internationalen Support. Wir müssen zusammenstehen.» Er kenne die Lösung auch nicht, aber «nichts zu tun, wäre noch schlimmer. Wir haben dieses Komitee gegründet und werden international aktiv, sonst läuft nichts.»
Auffallend ist das Schweigen der Medien. Ob es an SOCAR liegt? Der aserbaidschanische Ölkonzern hat einen Sitz in Genf und verdient Milliarden. Während des Krieges zwischen Aserbaidschan und Bergkarabach 2020 veröffentlichte SOCAR auf seiner Facebook-Seite Kriegspropaganda gegen das Nachbarland: «Glaubt nicht Armenien! Karabach ist aserbaidschanisch!» Aserbaidschan kommt dabei entgegen, dass die Europäische Union infolge des Krieges Russlands gegen die Ukraine vermehrt auf nicht russische Energiequellen angewiesen ist. So hat im Juli 2022 EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyew eine Vereinbarung über eine strategische Partnerschaft im Energiebereich unterzeichnet.
Es ist schwer verständlich, dass die Weltbevölkerung untätig zusah, als die armenische Bevölkerung über Monate ausgehungert und danach vertrieben wurde. Dass sie immer noch untätig bleibt, während die armenische Kultur in Bergkarabach systematisch zerstört wird. Umso wichtiger ist die Gründung des Komitees «Schweizer Friedensinitiative für Bergkarabach». Doch wie die Redner sagten: Es muss weitergehen. Es braucht Druck auf den Bundesrat, aber auch Druck auf die Grossmächte, damit Gespräche über die sichere Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung beginnen können.
Weitere Informationen auf der Webseite des Komitees Link
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