Zwei Kinder bereiten die Krippe für das Jesuskind vor. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Krip­pen­sing­spiel in Eschenz: Fast so, als hätte Fran­zis­kus sel­ber Regie geführt

Was gibt es für ein schö­ne­res Kom­pli­ment, als wenn Ver­an­stal­ter wegen gros­ser Nach­frage die Wie­der­ho­lung einer als ein­ma­lig kon­zi­pier­ten Auf­füh­rung ankün­di­gen kön­nen. Sol­ches geschah am 22. Dezem­ber 2024 abends in der Pfarr­kir­che Eschenz im Kan­ton Thurgau.

Die Veranstalter: Die nahe von Eschenz auf der Insel Werd (Ort der Reliquien des heiligen Otmar) lebenden und wirkenden Mönche der Schweizer Franziskaner Kustodie.

Die Aufführung: Ein Krippensingspiel zum 800. Jubiläum des «Greccio-Ereignisses». Damals, vor 800 Jahren (genau genommen vor 801 Jahren, eben, weil auf vielfachen Wunsch heuer eine Wiederholung stattfand), ging es um ein lang gehegtes Lieblingsprojekt des 40-jährigen Franziskus. In einer Zeit, in welcher die Kirche reich und mächtig war wie nie zuvor, wollte der Bettelmönch die Botschaft des in einem armseligen Stall zur Welt gekommenen Jesus von Nazareth so konkret und anschaulich wie möglich vermitteln: die Botschaft des menschgewordenen Gottessohnes.

Der Wunsch, ja die Bitte des heiligen Franziskus ging in Erfüllung: hilfsbereite Menschen aus allen sozialen Schichten folgten seinem Aufruf. Eine Krippe wurde gezimmert, Heu herbeigebracht, zusammen mit Ochs und Esel: «Zu Ehren kommt die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem», beschreibt der erste Franziskus-Chronist Thomas von Celano die Krippenfeier an Heiligabend 1223. Hier in Greccio nahm die Tradition der Krippen ihren Anfang. Krippen im heutigen Sinn als figürliche Darstellung der Geburt Jesu gab es im 16. Jahrhundert in Italien und Spanien, bald darauf auch in Süddeutschland.

Wer am Krippensingspiel vom 22. Dezember 2024 in der Pfarrkirche Eschenz teilnahm, dem wurde sogleich klar, weshalb es zum verbreiteten Wunsch nach einer «Neuauflage» kam. Es war eine überaus eindrückliche Feier, nicht einfach ein simples Duplikat. Die weihnächtliche Atmosphäre, ausdrucksstarke Zeichen und Gesten, von spiritueller Tiefe geprägte Gesangs- und Textvorträge zogen die Besucherinnen und Besucher in ihren Bann. So muss es beim ersten Krippenspiel gewesen sein, dürften sich manche der Anwesenden gesagt haben.
 


Herz, Geist und Sinn ergreifende Feier
Bruder Johannes Maria Pfister eröffnete die Feier mit folgenden Worten:
«Franziskus von Assisi wollte nicht nur in einer schönen Kirche und in einem feierlichen Gottesdienst Weihnachten feiern, sondern er wollte selber erleben, was Weihnachten ist. Für ihn war Weihnachten keine Theorie, sondern eine Begegnung mit dem menschgewordenen Jesus. Im Jahre 1223 wollte er im Rietital, südlich von Assisi, in der kleinen Ortschaft Greccio, Weihnachten erleben und feiern. Er lud die Bewohner von Greccio und Umgebung ein und die Brüder, die in der Nähe lebten, und feierte in einem höhlenähnlichen Stall Weihnachten. Ochs und Esel waren dabei, Menschen, die Krippe, Schafe. Franziskus verkündet als Diakon das Weihnachtsevangelium. Die Menschen erlebten die Situation von Weihnachten. Auf die Krippe wurde ein Stein gelegt und auf diesem Wanderaltar feierte der Mitbruder Leo die Eucharistie, sodass in Brot und Wein Leib und Blut wie ein Kind gegenwärtig wurde.

Geheimnisvoll war Jesus mitten unter den Feiernden da. Diese wurden vom Geheimnis von Weihnachten ganz neu berührt und trugen es in ihren Alltag nach Hause zurück. Aus dieser Erfahrung heraus wuchs eine neue Krippenfrömmigkeit, sodass Menschen bis heute zu Hause oft eine Krippe zu Weihnachten aufstellen und an vielen Orten Menschen lebendige Krippen mitten auf der Strasse darstellen. Weihnachten wird so greifbar und erlebbar.

Wir Franziskaner begrüssen Sie recht herzlich zu unserem Krippensingspiel. Es ist kein Musical, es ist kein Krippenspiel, es ist ein Hören auf die älteste Überlieferung dieser Feier aus der Hand des ersten Franziskusbiographen Thomas von Celano. Wir steigen ein in die Feier von vor 800 Jahren durch Text und Musik. Durch einzelne Handlungen wird der Inhalt unterstrichen. Wir bitten nach den Musikstücken nicht zu applaudieren, auch am Ende nicht.

Öffnen wir unseren Geist und Sinn, mehr noch unser Herzen für die Art und Weise, wie der heilige Franziskus Weihnachten gefeiert hat. Lassen wir uns berühren und hinführen zum Zentrum von Weihnachten.»

Bruder Johannes Maria hatte nicht zu viel versprochen. Christa Gommel und Simone Ullmann begleiteten mit Flöte, Klavier und Geigenspiel die Sprechgesänge der Mönche Christoph Maria Hörtner und Johannes Maria Pfister. Besonders eindrücklich waren die Darbietungen zum Weihnachtsevangelium mit dem «Jesaia-Ton» und der gemeinsam gesungene Lobpreis «Jesus, höchster Name» von Naida Heam. Karl Kern ergänzte mit Textstellen aus der Heiligen Schrift die Herz, Geist und Sinn berührende Feier.

Für unsereiner war es fast so, als hätte der heilige Franziskus selber Regie geführt.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 23.12.2024 um 17:31
    "Wir bitten nach den Musikstücken nicht zu applaudieren, auch am Ende nicht."
    Diese Bitte dürfte m.E. sehr zum Gelingen der Feier beigetragen haben. Ich frage mich schon seit einiger Zeit, ob nicht unsre Gottesdienste alle sehr gewinnen würden, wenn Applaus immer unterbliebe, ja wenn wir wieder - wie früher - in unseren Gotteshäusern jene ehrfürchtige Stille pflegen würden, die einen Lieddichter zum Satz bewegte: "Da ist der Wald so kirchenstill."
    Auch die heute so modernen «Danksagungen» am Ende (und manchmal sogar mitten im Gottesdienst) für alle Beteiligten könnten ruhig unterbleiben. Wichtiger als jede Form von Applaus sollte uns doch das «Vergelt’s Gott!» sein, das uns der Priester mit seinem Segen zuspricht.
    Übrigens, warum werden wir oft so langatmig mit irgendwelchen weltlichen Formeln zum Gottesdienst begrüsst und auch wieder verabschiedet? Genügen die liturgische Begrüssung und Verabschiedung nicht: «Der Herr sei mit Euch» und «Gehet hin in Frieden.». Würde es uns so nicht wesentlich leichter fallen, uns berühren und hinführen zu lassen zum Zentrum, zu Gott, und zwar auch hinein in den Alltag. .»