Im Juli 2023 errichtete Papst Franziskus im Hinblick auf das Heilige Jahr 2025 beim «Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse» die «Kommission Neue Märtyrer – Zeugen des Glaubens». Diese soll die Glaubenszeugen aus dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts erfassen und die Liste auch in Zukunft weiterführen.
«Wie ich bereits oft gesagt habe, sind die Märtyrer in unserer Zeit zahlreicher als in den ersten Jahrhunderten: Es sind Bischöfe, Priester, gottgeweihte Frauen und Männer, Laien und Familien, die in verschiedenen Ländern der Welt durch die Hingabe ihres Lebens den höchsten Erweis der Liebe erbracht haben», so Franziskus in seinem Schreiben. Bereits Johannes Paul II. hatte in seinem Apostolischen Schreiben «Tertio millennio adveniente» gefordert, alles zu tun, damit das Erbe der Märtyrer nicht verloren geht.
Nach dem Willen von Papst Franziskus werden nicht nur die Namen der katholischen Glaubenszeugen gesammelt, sondern aller Menschen, die getötet wurden, nur weil sie Christen waren. «Gott macht keine Unterschiede unter den Leidenden. Ich habe das oft als die Ökumene des Blutes bezeichnet. Alle unsere Gemeinschaften leiden unterschiedslos unter der Ungerechtigkeit und dem blinden Hass, den der Satan entfesselt.»[1]
Vor allem in islamischen Ländern getötet
Papst Franziskus bat auch die Ortskirchen, ein Verzeichnis aller Märtyrer zu erstellen. Prälat Prof. Dr. Helmut Moll hat diesen Wunsch aufgenommen und die Lebensbeschreibungen von 15 christlichen deutschsprachigen Märtyrern zusammengestellt. Der Autor ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Märtyrerforschung: Er hat bereits im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz das «Martyrologium des 20. Jahrhunderts» herausgegeben, das 1000 Biografien von Glaubenszeugen enthält und bereits die achte Auflage erlebt.
Die ersten deutschsprachigen Glaubenszeugen unseres Jahrhunderts kommen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und aus dem Südtirol. Sie starben in Afrika, Asien, Lateinamerika – und eine Frau in Deutschland. Ihre Namen fand Helmut Moll bei «Open Doors», bei der «Märtyrer-Kirche» in Uhldingen, bei der katholischen Agentur «Fides» und im «Dikasterium für die Verbreitung des Glaubens». Die Blutzeugen sind katholisch, evangelisch oder gehörten einer Freikirche an. Unter ihnen sind Priester und Ordensleute, aber auch Verheiratete und Alleinstehende. Als Aufnahmekriterien galten der christliche Glauben, das Zeugnis ihres Glaubens und die Bereitschaft, für den christlichen Glauben zu sterben.
Die meisten der vorgestellten deutschsprachigen Märtyrer wurden in islamischen Ländern getötet, so auch Tilmann Geske. Der gebürtige Deutsche hatte an der Theologischen Hochschule in Basel evangelische Theologie studiert, danach zusammen mit seiner Frau Susanne eine Bibelschule im Kanton Appenzell. 1997 zogen sie mit ihren beiden Kindern in die Türkei nach Malatya, wissend, dass christliche Missionare dort gefährdet sind. 2007 wurde Tilmann Geske zusammen mit seinen beiden Kollegen in ihrem evangelikalen Verlag überfallen, gefoltert und ermordet. Seine Frau blieb mit den Kindern bewusst in der Türkei, um das Werk ihres Mannes fortzusetzen. «Ich weiss, dass Tilmann als Märtyrer im Namen Jesu Christis gestorben ist. Sein Blut ist nicht umsonst geflossen. Dies ist ein Neuanfang für Malatya und für die Türkei», zitiert Helmut Moll aus ihrem Buch «Ich will keine Rache. Das Drama von Malatya».
Ebenfalls ganz bewusst für ein islamisches Land entschied sich das Ehepaar Johannes und Sabine Hentschel. Zusammen mit ihren drei Kindern zogen sie nach Jemen, das als äussert gefährlich für westliche Ausländer galt. Sie arbeiteten als Entwicklungshelfer im Spital von Saada. Am 12. Juni 2009 machte die Familie zusammen mit den beiden aus Deutschland stammenden Bibelschülerinnen Rita Stumpp (26) und Anita Grünwald (24) einen Ausflug in die Berge. Dort wurden sie von Männern, die aus dem islamistischen Extremismusgruppen stammen sollen, verschleppt. Die beiden Töchter der Familie konnte nach einem Jahr von einem saudischen Spezialkommando befreit werden. Die Erwachsenen und der einjährige Sohn der Familie wurden getötet.
Der Vater von Anita Grünwald wollte sie noch von der Reise abhalten, doch die junge Frau blieb bei ihrem Entschluss. Sie vertraute ihrer Mutter an: «Wenn Papa dadurch zum Glauben käme, wäre ich bereit, dafür zu sterben.» Ihr Vater fand tatsächlich nach ihrem Tod zum Glauben an Christus.
Doch auch in Europa besteht die Gefahr des Martyriums. Dies zeigt das Beispiel der 33-jährigen Katrin Waschk. Die zweifache Mutter engagierte sich ehrenamtlich in sozialen Projekten der Lüneburger Matthäus-Gemeinde. Sie pflegte freundschaftliche Beziehungen zu einer jesidischen Frau, selbst dreifache Mutter, die zum christlichen Glauben konvertieren wollte. Ihr Mann, der zwar seit den 1990er-Jahren in Deutschland lebte, sich aber nie integrieren wollte, erachtete Katrin Waschk als «schlechten Einfluss» auf seine Frau. Er begleitete die beiden Frauen am 4. Januar 2015 in einen Gottesdienst und gab vor, zu Hause über seine Eindrücke reden zu wollen. Die Kinder waren bei Verwandten. Er gelang ihm, seine Ehefrau und Katrin Waschk in der Wohnung einzuschliessen und tötete die beiden mit 40 Messerstichen.
Auch eine Schweizerin
Auch eine Schweizerin findet sich in der Schrift von Helmut Moll: die gebürtige Baslerin Beatrice Stöckli. Diese setzte sich vor allem für Menschen am Rand und später für Prostituierte ein. Sie war beeindruckt von Charles de Foucauld und reiste mit einem freikirchlichen Missionswerk nach Afrika. Später entschloss sie sich, allein nach Mali zu gehen. Sie lebte in einer kleinen Hütte und kümmerte sich um die Armen und vor allem um die Kinder. Sie brachte ihnen mit Märchen und Kindergeschichten das Lesen und Schreiben bei. Aus dem Koran nahm sie jene Stellen, die von Jesus Christus handeln. Eine radikale Strömung des Islam verbietet es Christen, im Koran zu lesen. Als ein Moscheeprediger von Beatrice Stöckli als «Missionarin» sprach, wurden Terrormilizen auf sie aufmerksam und verschleppten sie im Jahr 2012. Sie wurde misshandelt und mit dem Tod bedroht, wenn sie ihrem Glauben nicht abschwöre. Ihre Rettung verdankte sie einem hastigen Rückzug der Gruppierung vor französischen und EU-Truppen. Nach der Zersplitterung der islamischen Kräfte erachtete sie die Region als genug sicher für eine Rückkehr. Verschiedenste Personen versuchten sie davon abzubringen, doch sie sah es als ihre Mission an, nach Timbuktu zurückzukehren. 2016 wurde sie wiederum verschleppt und 2020 ermordet.
In seinem Vorwort schreibt Kardinal Kurt Koch: «Christen werden heute nicht verfolgt, weil sie einer bestimmten christlichen Glaubensgemeinschaft angehören, weil sie Lutheraner oder Baptisten, Orthodoxe oder Katholiken sind, sondern weil sie Christen sind.» Der Präfekt des «Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen» ist überzeugt: «Wie die frühe Kirche ihren Glauben mit der Überzeugung zum Ausdruck gebracht hat, dass das Blut der Märtyrer Same von neuen Christen ist, so dürfen wir auch wir Christen heute in der Hoffnung leben, dass das Blut von so vielen Märtyrern Same für die künftige Einheit des von so vielen Spaltungen verwundeten Leibes Christ sein wird.»
Die 15 Märtyrerinnen und Märtyrer haben in ihrem ganz gewöhnlichen Alltag den Glauben an Jesus Christus bezeugt. Die Schrift von Helmut Moll bringt uns ihr Leben näher und kann uns ermutigen, unseren Glauben an den Sohn Gottes bewusster zu leben.
Helmut Moll, Christliche deutschsprachige Märtyrer (2000-2024). Zum Heiligen Jahr 2025.
Mit einem Vorwort von Kurt Kardinal Koch, Dominus-Verlag Augsburg 2025. 40 Seiten, ISBN 978-3-940879-86-8 Link
[1] Ansprache von Papst Franziskus vom 29. November 2015 bei der Begegnung mit den evangelischen Gemeinschaften während seiner Reise nach Kenia, Uganda und in die Zentralafrikanische Republik in Bangui.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Wir Christen müssen uns aber auch an die, vorwiegend von Christen ausgeführte, Verfolgung und Ermordung von gut 6 Millionen jüdischen Menschen erinnern.
Und haben wir in letzter Zeit nicht auch viele Opfer des Islamismus einerseits und/oder sonstigem Kirchenhasses der verschiedensen Richtungen?
In dieser Schrift geht es nur um die deutschsprachigen Märtyrer des 21. Jahrhunderts. Helmut Moll hat über 1000 Märtyrer in seinem Werk «Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhundert» dargestellt. Hier finden Sie auch die Blutzeugen aus der Zeit des Nationalsozialismus.