Im Tessin war der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) mit seinem Wunsch nach mehr Essentialität und dem stärkeren Einbezug des Kirchenvolkes schon lange vor dem Vatikanum zu erkennen. Eine kleine Ausstellung in Balerna erzählt anhand von rund 60 liturgischen Gefässen vom kulturellen Wandel, der ab den 1950er-Jahren nicht nur die Architektur und die Kunst erfasst hatte, sondern ganz besonders auch die Katholische Kirche, und wie diese sakralen Gegenstände sogar die einschneidenden liturgischen Reformen vorwegnahmen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Tessin, jenem kleinen Kanton an der Schnittstelle zwischen Nord- und Südeuropa, zwei zukunftsweisende Ereignisse: eine internationale Tagung zur Liturgiewissenschaft von 1953 und zuvor, 1950, die Einweihung der ersten Bruder-Klausen-Kirche der Schweiz nach dessen Heiligsprechung in Lugano-Besso. Ihre Konstruktionsweise war schlicht-modern (wobei man sie schön finden kann oder nicht) und, was wichtiger ist, man stattete sie mit liturgischen Gefässen aus, die im Atelier des Obwaldner Künstlers Meinrad Burch-Korrodi an der Zürcher Bahnhofstrasse entstanden sind und nicht nur edle Wesentlichkeit austrahlten, sondern auch neue liturgischen Ansätze einläuteten. So schuf man in Lugano bereits damals, vor dem Vatikanischen Konzil, einen dem Volk zugewandten Altar und sang die Heilige Messe auf Italienisch anstatt auf Lateinisch.
Wie schwierig es für die damalige Bevölkerung war, den Gottesdiensten in der unverständlichen lateinischen Sprache zu folgen, illustrierte der Organisator der Ausstellung in Balerna, Don Angelo Crivelli, an der Vernissage von gestern Sonntag, 13. April, im Beisein des Apostolischen Administrators des Bistums Lugano, Alain de Raemy, anhand einer lustigen Episode aus seinen vorkonziliären Jugendjahren: Ein Ministrant habe bei der Messe versehentlich etwas fallen gelassen, woraufhin sich der Priester umgedreht und ihn im Tessiner Dialekt angeherrscht habe: «Tarlücc», was so viel heisst wie «Tölpel» oder «Dummkopf». Der Ministrant, der nicht damit gerechnet hatte, etwas in seiner Sprache zu hören, habe vor Schreck geantwortet: «Et cum spiritu tuo!»
Die Messfeier in der Sprache des Volkes war denn auch Thema der besagten Dritten Internationalen Konferenz für Liturgiewissenschaft in Lugano von 1953. An dieser Tagung wurde beschlossen, dass die Versammlung mit einer Ausstellung innovativer liturgischer Gefässe und Gewänder im Priesterseminar von Lugano beginnen sollte. Die über 130 Teilnehmer aus dreizehn Nationen (darunter zwei Äbte, fünfzehn Bischöfe und der Erzbischof von Köln, Kardinal Joseph Frings) bewunderten in einem Saal des Priesterseminars von Lugano unter anderem heilige Gefässe des Künstlers Burch-Korrodi oder liturgische Gewänder von Schwester Augustina Flüeler aus dem Nidwaldner Kapuzinerinnenkloster St. Klara in Stans. Die Theologiestudenten und künftigen Priester aus dem Seminar kamen so in Berührung mit liturgischen Gefässen, die von einer neuen Schönheit, Einfachheit und Würde geprägt waren. «Weniger ist mehr» schien das Motto zu sein. Einige junge Tessiner Priester begannen, sich für ihre Kelche und Paramente an Ateliers in der Innerschweiz und in Deutschland oder Italien zu wenden, und auf diese Weise kamen Gerätschaften in die Kirchen, die sich vom barocken Überschwang abwandten und durch ihre Einfachheit auch besser in die vielen Tessiner Gotteshäuser aus dem Spätmittelalter mit ihren schlichten Formen und Fresken der Volkskunst passten.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Ein paar Veränderungen die man (innerhalb der Rubriken des jetzigen Missale) machen könnte:
1. Die Messe wieder in Richtung des liturgischen Osten feiern (Priester und Gemeinde schauen in die gleiche Richtung. Diese zeigt, dass der Fokus auf Gott ist und dass die Messe nicht nur eine Gemeindefeier ist.)
2. Vor dem Gabengebet sprechen: "Betet Brüder und Schwestern, dass mein und euer Opfer Gott, dem allmächtigen Vater, gefalle." (Erwähnung des Messopfers)
3. Das erste Hochgebet (den Römischen Kanon) verwenden: "Dich, gütiger Vater, bitten wir durch deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus: Nimm diese heiligen, makellosen Opfergaben an und segne sie." (Starker Fokus auf das Messopfer. Auch ein sehr würdiger Text, der über 1500 Jahre das einzige Hochgebet der lateinischen Kirche war)
Einfach eine Meinung eines Amateur-Liturgikers (und vielleicht zukünftigen Seminaristen).
Ich kann hier natürlich auch nur als Amateur-Liturgiker meine Meinung wiedergeben. Das Gebet, das Sie in Punkt 2 erwähnen, wird gesprochen, wenn der Priester sich an das Messbuch hält. Das Problem ist, dass einige Priester sich nicht an das Messbuch halten, sondern ihre Kreativität zeigen wollen. Dies kann in seltenen Fällen angebracht sein, ist in der Regel aber falsch, da es die Gottesdienstteilnehmer verwirrt. Was das Hochgebet anbelangt, so ist das 4. Hochgebet auch sehr schön, wie auch das 2. und 3. Sich nur auf das 1. Hochgebet zu fixieren, fände ich eine Verkürzung der liturgischen Praxis. Je nach Anlass sollte dem Priester die Freiheit überlassen sein, zwischen den 4 Hochgebeten wählen zu dürfen. Wo ich entschieden anderer Meinung bin, ist die immer wieder vorgebrachte Meinung, dass das Messopfer in der jetzigen Liturgie zur Nebensache degradiert wurde. Es war ja gerade ein Anliegen der Liturgiebewegung, den Menschen die Tiefe der Eucharistie zu erschliessen. Von älteren Katholiken höre ich immer wieder, wie vor der Liturgiereform vor allem der Rosenkranz während der Messe gebetet wurde, da das einfache Volk das Geschehen in der Messe nicht verstand. Wenn wir die liturgische Praxis in der Schweiz beleben und erneuern wollen, dann muss dies bei den Gläubigen geschehen. Es ist an uns, Priester, die sich nicht an das Messbuch halten, darauf aufmerksam zu machen und auch ständig den Bischöfen (und Rom) zu schreiben, dass wir uns würdige Messfeiern wünschen. Vor allem darf es nicht sein, dass die Messfeier durch Wortgottesdienste ersetzt wird, wie es in den Bistümern St.Gallen und Basel in vielen Pfarreien der Fall ist. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Triduum Sacrum.