Don Angelo Crivelli, Organisator der Ausstellung, vor dem weissen Tabernakel, der 1953 für die Bruder-Klausen-Kirche in Lugano von Meinrad Burch-Korrodi und Kurt Aepli geschaffen wurde. (Bilder: Kathrin Benz)

Kirche Schweiz

Lit­ur­gi­sche Gefässe als Spie­gel­bild des Zwei­ten Vatikanum

Eine Aus­stel­lung im Tes­sin blickt auf das Zweite Vati­ka­ni­sche Kon­zil, das die Kir­che der Gegen­wart ent­schei­dend geprägt hat. Anhand von 60 lit­ur­gi­schen Gegen­stän­den wie Kel­chen, Hos­ti­en­scha­len und Mons­tran­zen aus der Nach­kriegs­zeit wird ersicht­lich, wie sich die Lit­ur­gie­re­for­men auf die Kunst aus­ge­wirkt haben – oder umgekehrt.

Im Tessin war der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) mit seinem Wunsch nach mehr Essentialität und dem stärkeren Einbezug des Kirchenvolkes schon lange vor dem Vatikanum zu erkennen. Eine kleine Ausstellung in Balerna erzählt anhand von rund 60 liturgischen Gefässen vom kulturellen Wandel, der ab den 1950er-Jahren nicht nur die Architektur und die Kunst erfasst hatte, sondern ganz besonders auch die Katholische Kirche, und wie diese sakralen Gegenstände sogar die einschneidenden liturgischen Reformen vorwegnahmen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im Tessin, jenem kleinen Kanton an der Schnittstelle zwischen Nord- und Südeuropa, zwei zukunftsweisende Ereignisse: eine internationale Tagung zur Liturgiewissenschaft von 1953 und zuvor, 1950, die Einweihung der ersten Bruder-Klausen-Kirche der Schweiz nach dessen Heiligsprechung in Lugano-Besso. Ihre Konstruktionsweise war schlicht-modern (wobei man sie schön finden kann oder nicht) und, was wichtiger ist, man stattete sie mit liturgischen Gefässen aus, die im Atelier des Obwaldner Künstlers Meinrad Burch-Korrodi an der Zürcher Bahnhofstrasse entstanden sind und nicht nur edle Wesentlichkeit austrahlten, sondern auch neue liturgischen Ansätze einläuteten. So schuf man in Lugano bereits damals, vor dem Vatikanischen Konzil, einen dem Volk zugewandten Altar und sang die Heilige Messe auf Italienisch anstatt auf Lateinisch.

Wie schwierig es für die damalige Bevölkerung war, den Gottesdiensten in der unverständlichen lateinischen Sprache zu folgen, illustrierte der Organisator der Ausstellung in Balerna, Don Angelo Crivelli, an der Vernissage von gestern Sonntag, 13. April, im Beisein des Apostolischen Administrators des Bistums Lugano, Alain de Raemy, anhand einer lustigen Episode aus seinen vorkonziliären Jugendjahren: Ein Ministrant habe bei der Messe versehentlich etwas fallen gelassen, woraufhin sich der Priester umgedreht und ihn im Tessiner Dialekt angeherrscht habe: «Tarlücc», was so viel heisst wie «Tölpel» oder «Dummkopf». Der Ministrant, der nicht damit gerechnet hatte, etwas in seiner Sprache zu hören, habe vor Schreck geantwortet: «Et cum spiritu tuo!»

Die Messfeier in der Sprache des Volkes war denn auch Thema der besagten Dritten Internationalen Konferenz für Liturgiewissenschaft in Lugano von 1953. An dieser Tagung wurde beschlossen, dass die Versammlung mit einer Ausstellung innovativer liturgischer Gefässe und Gewänder im Priesterseminar von Lugano beginnen sollte. Die über 130 Teilnehmer aus dreizehn Nationen (darunter zwei Äbte, fünfzehn Bischöfe und der Erzbischof von Köln, Kardinal Joseph Frings) bewunderten in einem Saal des Priesterseminars von Lugano unter anderem heilige Gefässe des Künstlers Burch-Korrodi oder liturgische Gewänder von Schwester Augustina Flüeler aus dem Nidwaldner Kapuzinerinnenkloster St. Klara in Stans. Die Theologiestudenten und künftigen Priester aus dem Seminar kamen so in Berührung mit liturgischen Gefässen, die von einer neuen Schönheit, Einfachheit und Würde geprägt waren. «Weniger ist mehr» schien das Motto zu sein. Einige junge Tessiner Priester begannen, sich für ihre Kelche und Paramente an Ateliers in der Innerschweiz und in Deutschland oder Italien zu wenden, und auf diese Weise kamen Gerätschaften in die Kirchen, die sich vom barocken Überschwang abwandten und durch ihre Einfachheit auch besser in die vielen Tessiner Gotteshäuser aus dem Spätmittelalter mit ihren schlichten Formen und Fresken der Volkskunst passten.
 


Die Ausstellung «Mit Würde und Schönheit: Der frische Wind des Zweiten Vatikanischen Konzils im Bistum Lugano» ist bis zum 11. Mai in der Sala del Torchio neben der Kirche von Balerna zu sehen. Sie bietet die Gelegenheit, über das Zweite Vatikanum, auch bekannt als das 21. Ökumenische Konzil, nachzudenken, das vor 60 Jahren zu Ende ging und die Kirche nachhaltig geprägt hat. Das Konzil wurde 1963 von Papst Johannes XXIII. eröffnet und 1965 durch Papst Paul VI. beendet.

«Die theologischen Veränderungen schlagen sich zwar in der Kunst nieder», mahnte Bischof de Raemy an der Vernissage, «aber die Substanz ändert sich nicht. Die Realpräsenz Christi im Brot und Wein der Eucharistie wird sich nie ändern.» Und Don Crivelli erinnerte daran, dass sich die künstlerischen oder geschmacklichen Veränderungen letztlich aus lebendigen Traditionen ergaben, und aus einer tiefen Religiosität der Menschen, welche an die Gegenwart Christi in der Eucharistie glauben. Deshalb sei die Ausstellung nicht wie ein Museumsbesuch, sondern wie eine Wallfahrt zu verstehen. 
 

Ausstellung heiliger Gefässe «Mit Würde und Schönheit. Der Winde des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Diözese Lugano. Heilige Gefässe und liturgische Ausstattung zwischen 1950 und 1970», 13. April bis 11. Mai, Sala del Torchio, Via Carlo Silva 2, Balerna. Öffnungszeiten: Mi/Do/Fr 14 bis 17 Uhr; Sa/So 14 bis 18 Uhr. Eintritt frei.


Kathrin Benz


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    Daniel Ric 15.04.2025 um 08:27
    Vielen Dank für diesen Artikel. Teilweise wird von Kritikern der Liturgiereform die Behauptung aufgestellt, dass jene am Reissbrett entworfen wurde. Dabei wird vergessen, dass es im 19. und 20. Jahrhundert eine rege liturgische Bewegung gab, die bestrebt war, die Eucharistie wieder ins Zentrum des christlichen Lebens zu stellen. Wenn wir es im 21. Jahrhundert schaffen wollen, Menschen wieder vermehrt zur Teilnahme an der Heiligen Messe zu bewegen, müssen wir ihnen die Schönheit und Tiefe vermitteln, die in jeder Eucharistiefeier gegenwärtig wird. Diese Schönheit und Tiefe stammt von Christus selbst, der in jeder Eucharistie gegenwärtig ist.
    • user
      T.L.D 15.04.2025 um 22:35
      Vor allem muss wieder der Kern der Messe angesprochen werden; das Kreuzesopfer, weches auf dem Altar vergegenwärtigt wird! Das Heilige Messopfer hat unendlichen Wert, da es eben das Erlösungswerk vergegenwärtigt! Im kontemporären römischen Ritus ist dies aber in den Hintergrund gestellt worden, was verheerende Folgen hatte. Ich will keine Polemik gegen das Missale von Paul VI. machen. Ich akzeptiere dessen Gütligkeit und Gesetzmässigkeit. Erst heute habe ich in der Chrisam-Messe in der Kathedrale St. Gallen ministriert.

      Ein paar Veränderungen die man (innerhalb der Rubriken des jetzigen Missale) machen könnte:

      1. Die Messe wieder in Richtung des liturgischen Osten feiern (Priester und Gemeinde schauen in die gleiche Richtung. Diese zeigt, dass der Fokus auf Gott ist und dass die Messe nicht nur eine Gemeindefeier ist.)

      2. Vor dem Gabengebet sprechen: "Betet Brüder und Schwestern, dass mein und euer Opfer Gott, dem allmächtigen Vater, gefalle." (Erwähnung des Messopfers)

      3. Das erste Hochgebet (den Römischen Kanon) verwenden: "Dich, gütiger Vater, bitten wir durch deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus: Nimm diese heiligen, makellosen Opfergaben an und segne sie." (Starker Fokus auf das Messopfer. Auch ein sehr würdiger Text, der über 1500 Jahre das einzige Hochgebet der lateinischen Kirche war)

      Einfach eine Meinung eines Amateur-Liturgikers (und vielleicht zukünftigen Seminaristen).
      • user
        Daniel Ric 17.04.2025 um 09:00
        Zuerst einmal vielen Dank für Ihren Dienst als Ministrant und auch dafür, dass Sie sich überlegen, ins Seminar zu gehen. Die Kirche benötigt Menschen, die sich mit dem Glauben auseinandersetzen und ihn gewissenhaft leben.
        Ich kann hier natürlich auch nur als Amateur-Liturgiker meine Meinung wiedergeben. Das Gebet, das Sie in Punkt 2 erwähnen, wird gesprochen, wenn der Priester sich an das Messbuch hält. Das Problem ist, dass einige Priester sich nicht an das Messbuch halten, sondern ihre Kreativität zeigen wollen. Dies kann in seltenen Fällen angebracht sein, ist in der Regel aber falsch, da es die Gottesdienstteilnehmer verwirrt. Was das Hochgebet anbelangt, so ist das 4. Hochgebet auch sehr schön, wie auch das 2. und 3. Sich nur auf das 1. Hochgebet zu fixieren, fände ich eine Verkürzung der liturgischen Praxis. Je nach Anlass sollte dem Priester die Freiheit überlassen sein, zwischen den 4 Hochgebeten wählen zu dürfen. Wo ich entschieden anderer Meinung bin, ist die immer wieder vorgebrachte Meinung, dass das Messopfer in der jetzigen Liturgie zur Nebensache degradiert wurde. Es war ja gerade ein Anliegen der Liturgiebewegung, den Menschen die Tiefe der Eucharistie zu erschliessen. Von älteren Katholiken höre ich immer wieder, wie vor der Liturgiereform vor allem der Rosenkranz während der Messe gebetet wurde, da das einfache Volk das Geschehen in der Messe nicht verstand. Wenn wir die liturgische Praxis in der Schweiz beleben und erneuern wollen, dann muss dies bei den Gläubigen geschehen. Es ist an uns, Priester, die sich nicht an das Messbuch halten, darauf aufmerksam zu machen und auch ständig den Bischöfen (und Rom) zu schreiben, dass wir uns würdige Messfeiern wünschen. Vor allem darf es nicht sein, dass die Messfeier durch Wortgottesdienste ersetzt wird, wie es in den Bistümern St.Gallen und Basel in vielen Pfarreien der Fall ist. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Triduum Sacrum.