Bischof em. Marian Eleganti. (Bilder: zVg)

Interview

«Man sollte wie­der den Mut zum Aus­schluss haben»

Bischof em. Marian Ele­ganti wurde auf eige­nen Wunsch 2021 eme­ri­tiert. Über die Gründe, die dazu führ­ten, und über seine aktu­el­len Tätig­kei­ten sprach er im Inter­view mit swiss​-cath​.ch.

Bischof Marian, Papst Franziskus hat am 4. Dezember 2019 Ihre Bitte um Emeritierung angenommen; diese wurde im Februar 2021 rechtskräftig. Warum haben Sie um Ihre Emeritierung gebeten?
Ich sah, dass ich als Einzelner innerhalb der Strukturen nicht viel bewegen kann, denn am Ende entscheidet ein Mehrheitsvotum und im Backoffice die Geldgeber und Strippenzieher. Dafür musste ich aber viel Zeit und Energie investieren, um am Ende den Zug in die falsche Richtung abfahren zu sehen. Letzteres bleibt natürlich Ansichtssache. Aber Sie fragen ja mich. In der Tat habe ich seit meiner Emeritierung innerhalb der Strukturen an Bedeutung verloren, bin aber sehr viel näher bei den Gläubigen und in fruchtbaren Projekten der Seelsorge und Verkündigung über die Landesgrenzen hinaus. Man kann ja mal einen Blick auf meine Homepage werfen, die aber nicht alles abbildet.

Sie waren lange Jugendbischof für die deutschsprachige Schweiz und den Tessin. Sie gestalten noch immer regelmässig Jugendmessen in der Liebfrauenkirche in Zürich. Wie erleben Sie die jungen Menschen?
Die monatlichen Jugendmessen habe ich inzwischen nach zwölf Jahren in jüngere Hände weitergegeben. Ich fühlte dafür den Zeitpunkt gekommen.1 Jetzt begleite ich mehr junge Erwachsene, die heiraten oder geheiratet haben, Familien, bin in der Männerseelsorge und anderes mehr. Natürlich habe ich immer wieder Begegnungen, Gottesdienste und Kontakte auch mit jungen Menschen. Sie kommen selbst auf mich zu, z. B. neulich in einem internationalen Webinar der «European Fraternity». Aber der Schwerpunkt hat sich verlagert. Ich erlebe diese jungen Leute als sehr offen, angenehm, ernsthaft und als echte Gottsucher.

Ein weiteres Aufgabenfeld war die Neuevangelisierung. In der Schweiz scheint die Kirche kein wirkliches Interesse an einer Neuevangelisierung zu haben. Täuscht dieser Eindruck? Wenn nicht: Woran liegt dieses Desinteresse an einem der Grundvollzüge der Kirche?
Das gilt vor allem für die offiziellen kirchensteuerfinanzierten Strukturen. Dort dominiert ein Toleranz- und Pluralitätsverständnis, das nicht missionieren will. Der Begriff hat dort den negativen Beigeschmack von Aufdringlichkeit, Besserwisserei, Arroganz oder kultureller Intoleranz und Lernunfähigkeit. Es geht mehr um Verstehen und Begleiten, um Begegnung auf Augenhöhe, was ja auch dazu gehört. In den Graswurzelbewegungen der Glaubenserneuerung aber ist man durchaus missionarisch und kreativ. Man hat dort keine Berührungsängste mit dem Begriff «Mission», der paradoxerweise in der säkularen Welt im Marketingbereich hemmungslos eingesetzt wird. Es könnte auch sein, dass man vom eigenen Evangelium nicht mehr so recht überzeugt ist, weil die aufgeklärte Exegese der letzten Jahrzehnte ganze Arbeit geleistet – und kaum etwas nicht problematisiert – vielmehr infrage gestellt oder entkernt hat. Das nimmt vielen Berufskatholikinnen und -katholiken den Wind aus den Segeln. Sie würden vielleicht gar nicht mehr für die Kirche arbeiten, wenn die Mittel ausgingen.

Die Teilnehmer am sogenannten «Synodale Weg» in Deutschland haben sich geweigert, die Evangelisierung in das Programm aufzunehmen, obwohl dies von Papst Franziskus mehrfach gefordert wurde. Wie schätzen Sie den «Synodalen Weg» als solches ein?
Das genannte Faktum spricht für sich und ist offenbarend in Bezug auf ihre oben gestellte Frage nach der Neuevangelisierung. Der «Synodale Weg» ist für mich total entgleist, und hier in der Schweiz wird man auch nicht klüger. Für mich ist das eine Art «Reformation 2.0», natürlich aktualisiert und in der Semantik unserer Zeit. Aber es ist der alte Protestantismus des allgemeinen Priestertums der Getauften und der «Synodalität» im Sinn von «demokratischen Prozessen» und flachen Hierarchien, die im Protestantismus unter anderem zur Selbstauflösung in unübersehbare, selbstwidersprüchliche Splittergruppen, Sekten und sogenannte Landeskirchen geführt hat und zum Verlust eines gemeinsamen Credos. In einer interessenorientierten Hermeneutik des Zweiten Vatikanums treibt man die Klerikalisierung des Laien immer mehr voran auf Kosten des sakramentalen Priestertums, das demontiert und relativiert wird. Diese Laien aber sind Funktionäre und hauptamtliche Professionellen, ein kleines Segment, nicht die breite Masse der Getauften, die auf ganz anderem Gebiet als im liturgischen Raum und an den Versammlungstischen prophetisch sein sollten. Die meisten von diesen werden gar nicht mehr erreicht und nehmen an den synodalen Prozessen nicht teil.

Welche Entwicklungen sehen Sie aufgrund der gefassten Beschlüsse?
Es besteht die Gefahr eines «schmutzigen» Schismas, das heisst eines Schismas, das real existiert, aber nicht offen deklariert wird. Es steht immer noch die Etikette «katholisch» darauf, obwohl der Inhalt der Flasche absolut häretisch ist und ein Bruch mit der Tradition und dem Glauben der Kirche bedeutet. Entschlüsse ohne jede kirchliche, kanonische Legitimität werden dann einfach von instrumentalisierten oder verblendeten Bischöfen in ihren Diözesen umgesetzt – aus welchen Gründen auch immer. Man sollte wieder den Mut haben zum Ausschluss («anathema sit»), will man nicht, dass der ganze mystische Leib landesweit verdirbt zusammen mit seinen Hirten.

Was erhoffen Sie sich vom weltweiten «Synodalen Prozess», der durch Papst Franziskus angestossen wurde?
Bis jetzt haben alle Synoden unter Papst Franziskus keine Klarheit gebracht. Sie sind mehr oder weniger verpufft (z. B. die Jugendsynode, die Amazonassynode), und wir sind immer am Interpretieren, was die Texte bzw. Fussnoten bedeuten könnten. Ein paar Perlen gibt es immer, auch in den Synodendokumenten. Aber sie machen die allgemeine Lage des Glaubens und der religiösen Praxis in der Kirche hierzulande und darüber hinaus nicht besser, zu sehr dominieren die Geister, die man gerufen hat und nicht mehr in die Flasche bringt. Es wird also schon im Vorfeld der Synoden viel Staub aufgewirbelt, wie man überall sehen kann. Ob dann nach der kommenden Doppelsynode über Synodalität 2023/24 (in Wirklichkeit geht es um ganz anderes als um Synodalität: um die Kassierung der bisherigen, katholischen Moral und die Veränderung der auf das Priestertum des Mannes fokussierten sakramentalen Struktur der Kirche; das sieht doch jedes Kind vom Schiff aus) wieder reine Luft herrschen wird, darf bezweifelt werden.
 


Durch den «Synodalen Weg» in Deutschland wie auch durch die Berichterstattung über den Missbrauch in der Kirche wird das Priesteramt immer wieder infrage gestellt. Sie waren selbst von 2011 bis 2014 Regens des Priesterseminars St. Luzi in Chur. Worauf müsste bei der Ausbildung von zukünftigen Priestern besonders geachtet werden.
Die Homosexualität im Klerus ist ein Problem, das auch der Papst sieht, denke ich, denn er hat die Norm seiner Vorgänger übernommen, solche Personen nicht unter die Priesteramtskandidaten aufzunehmen. Die allgemeine Atmosphäre und Militanz diesbezüglich verhindert aber eine wahrhaftige Aufarbeitung des Missbrauchs, denn 80 Prozent der Übergriffe durch den Klerus sind homosexueller Natur. «Klerikalismus» ist keine wirkliche Erklärung dafür, nur ein Faktor dabei. Zukünftige Priester sollten in sich gefestigte Männer mit einer guten pastoraltheologischen und dogmatischen Ausbildung sein, beziehungs- und kommunikationsfähige Leute mit einem tiefen Gebetsleben und mit sakramentaler Praxis im Alltag. Sie sollten von innen gesteuert sein, im Herzen, das immer vor Gott steht. Insofern brauchen sie keine von aussen auferlegten Regeln. Sie sollten sich in der Welt von heute auskennen und «anschlussfähig» sein. Bildung und Herzensbildung sind gefragt.
 


Ihr Herz schlägt besonders für medizinische und ethische Themen. Welche Themen müssten in nächster Zeit unbedingt angegangen werden?
Bioethisch sind die Dämme schon längst gebrochen. Das gilt für den Lebensanfang wie für das Lebensende. Die Trennung von Fruchtbarkeit und Sexualität, von Reproduktion und Sexualität führt zur Abtreibung, zur Vermarktung des Embryos bzw. des Kindes, zu einer fortschreitenden Dehumanisierung der Gesellschaft und zur Auflösung der natürlichen Familie und der natürlichen Familienverhältnisse mit allen Auswüchsen der Genderfragen (Gender-Dysphorie; Transgender; Transsexualität; Homosexualität). Das ist kein Gewinn, ebenso wenig wie Euthanasie und Suizidbeihilfe am Lebensende. Weiterhin haben wir eine weit fortgeschrittene Ökonomisierung der Medizin mit einer Sicht des Menschen als blosse Materie (physis). Wir haben die fortschreitende Übergriffigkeit auf die leibliche Integrität der Person (Impfzwang und Widerspruchslösung in der Transplantationsmedizin; Euthanasie). Überhaupt: Was wir alles machen können, haben wir ethisch überhaupt nicht im Griff (Genmanipulation, verbrauchende Embryonenforschung, Leihmutterschaft). Das gilt auch für den sich abzeichnenden Transhumanismus als Verschmelzung von Mensch und Technik: der Mensch als «hackable animal» (Harari). Es stellt sich uns die Frage: Wie bleiben wir human im Hinblick auf alles, was technisch möglich und zum Teil auch wünschenswert ist. Wehe, wenn es in falsche Hände kommt!

Offiziell sind Sie im Ruhestand. Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Mein Ruhestand war – wie gesagt – eine rein strategische Entscheidung. Ich hatte nie die Absicht, mich zur Ruhe zu setzen. In der Tat arbeite ich nicht weniger als zuvor. Vor mir liegen Tagungen mit Ärzten (ich wurde vom Vatikan zum Ecclesistical Assistent des Weltverbandes der kath. Ärzte FIAMC ernannt), eine davon in Rom; Exerzitienkurse für unterschiedliche Adressaten und zum Teil im Ausland (Frankreich, Deutschland, Österreich); pastorale Reisen, Gottesdienste (charismatische Erneuerung; Firmungen), Radiosendungen und Videobotschaften. Ich arbeite an einem neuen Kinderbuch über Weihnachten, nachdem ich schon über die Erstkommunion eines herausgebracht habe, zusammen mit einem journalistischen Freund, der auf Zypern lebt. Ich predige sehr viel und begleite immer wieder auch im Kleinen und Verborgenen. Ich fliege vorzugsweise unter dem Radar, aber natürlich nicht immer.

 

Marian Eleganti ist Missionsbenediktiner der Abtei St. Otmarsberg in Uznach. Am 21. Januar 2010 empfing er die Bischofsweihe in Chur. 2021 wurde er auf eigenen Wunsch emeritiert. Er ist seitdem in verschiedenen Bereichen tätig. Unter anderem ist er geistlicher Begleiter der Bibelgruppe Immanuel, der Gebetsgruppen «Die Schweiz betet» und der «Katholischen Ärzte in der Schweiz» VKAS. Seit Dezember 2022 ist er Ecclesiastical Assistent der «Fédération Internationale des Associations de Médecins Catholiques. Informationen zu seiner Person und seinem Engagement findet sich auf seiner Webseite.

 


1 In der Jugendmesse vom Mittwoch, 31. Mai, wird Bischof em. Marian Eleganti offiziell verabschiedet (siehe «Veranstaltungen» auf swiss-cath.ch).


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Claudio 25.04.2023 um 11:31
    Ein heiligermässiger Bischof denn ich schätze und kennen darf.
  • user
    Kurt Wiedmer 24.04.2023 um 21:27
    Vielen Dank lieber Bischof Marian für die Glaubenstreue und die Klarheit eines Mannes Gottes.