Madonna der Demut, Frau Angelico (um 1440), Rijksmuseum Amsterdam. (Bild: Wikimedia)

Kommentar

Maria und Maryam

Maria in den Evan­ge­lien und Maryam im Koran – in ihrem Gast­kom­men­tar ver­gleicht Mag­da­lena Veletta die bei­den Frauen.

Um die Stellung der Frau in verschiedenen Kulturen besser zu verstehen, muss man auch die religiöse Prägung berücksichtigen. Was für Unterschiede findet man im Verständnis von Mann und Frau in der Bibel und im Koran?

Maria als Mutter von Jesus
Christinnen und Christen glauben, dass Jesus von Nazareth, der Christus, durch den Heiligen Geist im Leib Mariens die menschliche Natur angenommen hat. Dabei ist das Einverständnis Marias zu dieser Empfängnis eine notwendige Voraussetzung (Lk 1,38). Der Engel liefert Maria sogar einen Beweis, auf den sie ihre Entscheidung stützen kann: Denn auch ihre Verwandte Elisabet, so wird ihr gesagt, habe noch im hohen Alter einen Sohn empfangen, obwohl sie als unfruchtbar galt. Diese (Elisabet) sei schon im sechsten Monat schwanger. Denn für Gott sei nichts unmöglich (Lk 1,36–37).

Maryam als Mutter von Isa
Im Islam wird Isa (Jesus) im Leib Maryams (Marias) von Allah (Name Gottes im Koran) durch sein Wort geschaffen. Das Einverständnis von Maryam ist nicht nötig, da ihr nur mitgeteilt wird, was von Allah bereits «beschlossene Sache» ist (Sure 19,21). Die Muslime sehen in Isa einen Diener und Propheten Allahs. Sie glauben, dass er ein Geschöpf ist, das durch Allahs Wort «So sei es» im Leib von Maryam Gestalt angenommen hat.

Bei Maria und Maryam handelt es sich um Mädchen, die beide als Jungfrauen – also ohne Zusammenkommen mit einem Mann – schwanger wurden (Lk 1,34 / Sure 19,20).

Religiöse Prägungen beeinflussen die gesellschaftliche Kultur und wirken sich auf die Stellung der Frauen in der Gesellschaft aus.
Bei Maria wird die Freiheit der Frau hervorgehoben. Sie ist zur Entscheidung gerufen und muss sich nicht zwangsläufig dem Willen Gottes unterwerfen. Sie erhält auch Informationen, die auf göttliche Anordnungen hinweisen. Trotzdem muss Gabriel, der Engel Gottes, vorerst ihre Antwort abwarten. Erst mit der Einwilligung Marias und ihrem «mir geschehe» entsteht das Kind in ihrem Leib.
Maria reist denn auch sofort zu ihrer Cousine Elisabet, die tatsächlich ebenfalls schwanger ist, und beide sind voller Freude (Lk 1,39 ff.).
Sie gebiert ihren Sohn Jesus in Anwesenheit von Josef, ihrem Bräutigam. Die Hirten werden durch Engel zum Neugeborenen geführt, die drei Weisen aus dem Morgenland durch Zeichen am Himmel. Die Geburt Jesu wird also von verschiedenen Seiten bezeugt.

Maryam hat sich, wie es von einer gläubigen Muslima verlangt wird, der Herrschaft Gottes zu unterwerfen. Sie kann sich nicht dagegen entscheiden, denn Gabriel, der Engel Gottes, verkündet ihr, dass es sich um eine «beschlossene Sache Allahs» handelt (Sure 19,21). Und Allah wird seinen Beschluss gewiss auch durchführen.
Maryam zieht sich nach der Empfängnis allein an einen entlegenen Ort zurück (Sure 19,22).
Bei der Geburt kommt Verzweiflung in ihr hoch, denn Maryam spricht: «O wäre ich doch zuvor gestorben und wäre ganz und gar vergessen!» (Sure 19,23).
Nach der Geburt schweigt Maryam (Sure 19,26), und als sie Isa zu ihrem Volk tragen lässt, verteidigt sich das Kind selbst, indem es spricht: «Ich bin ein Diener Allahs, Er hat mir das Buch gegeben und mich zu einem Propheten gemacht» (Sure 19,30). Im Koran bezeugt das Kind sich also selbst.

Schauen wir uns nun die unterschiedlichen Auffassungen über die Söhne von Maria und Maryam, über Jesus und Isa, in der Bibel und im Koran noch genauer an.

Marias Sohn Jesus
Im Evangelium fragt Jesus seine Jünger: «Für wen halten mich die Menschen?» Und er bekommt als Antwort, dass ihn einige unter anderem auch für einen Propheten halten. Erst auf die Nachfrage Jesus antwortet Simon Petrus, nachdem sich die anderen Jünger nicht festlegen: «Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!» (Mt 16,13–14). Jesus korrigiert die verschiedenen Ansichten nicht. Er sagt nichts über sich selbst aus. Er wartet auf die entsprechende Antwort und bestätigt diese dann als von seinem Vater im Himmel geoffenbarte Wahrheit (Mt 16,16–17).

Die Offenbarung, dass Jesus Gottes Sohn ist, geschieht vorausgehend schon bei der Taufe Jesu am Jordan. Dort bezeugt eine Stimme aus dem Himmel: «Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe» (Mt 3,17).

Maryams Sohn Isa
Wir haben oben festgestellt, dass Jesus von einigen Menschen seiner Zeit als Prophet angesehen wurde. Das ist auch heute noch das grundlegend andere Verständnis von Jesus als Sohn Gottes bei den Christen und Isa als Prophet bei den Muslimen. Denn für die Muslime gilt die Sure: «Es ist ausgeschlossen, dass der Barmherzige einen Sohn hat» (Sure 19,92). Isa ist für Muslime also ein Prophet und Diener Gottes und soll laut Koran von Allah die Gabe erhalten haben, aus Totem wieder Lebendiges zu machen. Denn Allah sagt zu Isa: «Du hast mit Meiner Erlaubnis den Blinden und den Aussätzigen geheilt; und die Toten ins Leben gerufen» (Sure 5,110). Oder Isa spricht selbst: «Seht, ich bin zu euch mit einem Zeichen von eurem Herrn gekommen. Seht, ich erschaffe für euch aus Ton die Gestalt eines Vogels und werde in sie hauchen, und sie soll mit Allahs Erlaubnis ein Vogel werden» (Sure 3,49).

Die Frage ist nun: Schreibt man dieses Vermögen vor oder nach Jesus auch einem anderen Propheten zu? Es ist immerhin das Vermögen, über Leben und Tod zu entscheiden und tote Materie zu beleben. Ist das nicht etwas, das ausschliesslich dem Schöpfer, also Gott (Allah) zusteht? Diese Frage müssen die Muslime selbst beantworten.

Für die Christen steht fest, dass nur Gott Schöpfer und Herr über Leben und Tod sein kann. Kein Geschöpf kann dies für sich in Anspruch nehmen, auch nicht mit Gottes Erlaubnis. Wenn also Jesus, wie im Evangelium und im Koran bezeugt wird, Herr über Leben und Tod ist, dann ist er Gott gleich. Deshalb sagen die Christen von ihm: Es ist Mensch gewordenes Wort Gottes. Er ist ganz Mensch und er ist ganz Gott. Von sich selbst sagt er: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben» (Joh 14,6). Aus christlicher Sicht ist Jesus die zweite Person der göttlichen Trinität, und es wird im Glaubensbekenntnis festgehalten, dass Jesus Christus gezeugt und nicht geschaffen ist. Das Mariendogma vom Konzil von Ephesus im Jahre 431 lautet: Jesus Christus ist in Wahrheit Gott und die heilige Jungfrau deshalb Gottesgebärerin.

Zur Dreifaltigkeit der Christen steht Maria in einer besonderen Beziehung, die keine Frau ausser ihr innehat. Sie ist nämlich Tochter des Vaters (wie alle Frauen auch), Mutter des Sohnes (wie niemand sonst) und Braut des Heiligen Geistes (wie niemand sonst). Wenn im Christentum von einer Sponsa Christi (Braut Christi) gesprochen wird, bezieht sich das ausschliesslich auf die Berufung zum jungfräulichen Leben gottgeweihter Frauen.

Ein Missverständnis über die Person des Heiligen Geistes führte sehr wahrscheinlich bei den ersten Muslimen zur Auffassung, dass die Christen neben Allah und Jesus Maria als die dritte göttliche Person definieren und anbeten. Dazu beigetragen haben mag auch eine Missdeutung des bereits erwähnten Dogmas von Maria als Gottesgebärerin.

Im Koran richtet jedenfalls Allah folgende Frage an Jesus: «O Isa, Sohn Maryams, hast du zu den Menschen gesprochen: ‘Nehmt mich und meine Mutter als zwei Götter neben Allah an?’» (Sure 5,116).
Die Beantwortung dieser Frage wird bei beiden, Christen und Muslimen, gleich ausfallen: Nie und nimmer.

Maria, die Mutter von Jesus, und das Kreuz
Dass Jesus von Nazareth, am Kreuz von Pilatus als «König der Juden» bezeichnet, gestorben ist, ist eine historische Tatsache, die inzwischen keine Zweifel mehr zulässt. Die Christen glauben, dass er dies freiwillig aus Liebe zu den Menschen und zur Vergebung der Sünden getan hat.

Maria, seine Mutter, stand nach dem Evangelium unter dem Kreuz und ihr Herz wurde von einem «Schwert» durchbohrt (Lk 2,34–35). Nach dem Tod Jesu am Kreuz spielte seine Mutter Maria im Evangelium weiterhin eine zentrale Rolle. Sie unterwies die Jünger, tröstete sie und war als Betende und Hörende für die junge Kirche von grosser Bedeutung. Durch die Worte Jesu am Kreuz wurde sie dem Apostel Johannes als Mutter anvertraut und wird bis heute als Mutter der Kirche und als Gottesgebärerin verehrt.

Maryam, die Mutter von Isa, und das Kreuz
Im Koran sollte Isa zwar gekreuzigt werden, aber Allah griff ein, um Isa aus der Bedrängnis durch die Juden zu retten und hat ihn zu sich in den Himmel emporgehoben. Isa wird nur scheinbar gekreuzigt, denn im Koran steht: «Die Wahrheit ist, dass sie ihn weder getötet noch gekreuzigt haben, sondern es war ein anderer, den sie für Jesus hielten …» (Sure 4,157). Über die Rolle von Maryam, seiner Mutter, bei der Aufnahme von Isa in den Himmel erfahren wir aus dem Koran nichts. Sie wird aber aufgrund ihrer Reinheit und Unterwerfung unter den Willen von Allah zum Vorbild der Frauen im Islam.

Wir haben nun an einigen zentralen Punkten festgestellt, dass sich «Maria und Jesus» im Evangelium und «Maryam und Isa» im Koran wesentlich unterscheiden. Daraus folgt auch, dass der Koran die Person von Isa als Sohn Gottes und zweite Person der Dreifaltigkeit verwirft.

Die Bedeutung Marias im Christentum hat sich über die Jahrhunderte eher noch verstärkt, wo hingegen im Koran ausgesagt wird, dass Gott die Männer gegenüber den Frauen bevorzugt (Sure 4,34).

Wenn im Koran von der «Liebe Gottes» die Rede ist, so ist diese Liebe als Belohnung für die Unterwerfung und das Wohlverhalten der Muslime zu verstehen. Die liebende Zuwendung Allahs ist also an Bedingungen geknüpft. Denn eine der wichtigsten Forderungen im Koran ist die Beachtung der Gerechtigkeit (Sure 5,8).

Im Evangelium ist Gott «die Liebe selbst». Bedingungslos wird er zum Erlöser und Retter aller Menschen, wenn sie sich ihm nur zuwenden. Etwas von dieser bedingungslosen Liebe kommt im Gebot der Feindesliebe zum Vorschein.

Im Koran liebt Allah jene, die seine Vorschriften befolgen. In der Bibel lesen wir: «Lasset uns ihn lieben; denn er hat uns zuerst geliebt» (1 Joh 4,19).


Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Magdalena Veletta


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  • user
    Claudio 10.11.2022 um 09:10
    Ein sehr sehr wichtiger Punkt welcher bereits der Heilige Johannes von Damaskus erwähnt hat, der am Hof des Kalifen wohnte: Der Name! Jesus, oder Jeschuha, bedeutet: GOTT RETTET. Der arabische Name welcher im Koran gegeben wird, Isa, der hat keine Bedeutung und das ist schon ein sehr wichtiger Unterschied. Es ist auch eine falsche Annahme das die Muslime die Muttergottes verehren. 90% der Muslime sind Sunniten, und diese sehen es wie die Protestanten, Heiligenverehrung gleich Götzendienst. Die Schiiten, kennen Heiligenverehrung zwar, aber nur jene der Imanen. Heute wird oft behauptet, dass Muslime Jesus und Maria verehren. Na ja was heisst das genau, sie verehren sie eben nicht wie sie wirklich sind, als Gott und Muttergottes, sondern als das wo sie sich vorstellen. Obwohl Jesus selbst im Koran der einzige Mensch ohne Sünde war, und aus Lehm Leben geschaffen hat, wird Mohammed verehrt, der gesündigt hat, der getötet hat, der ein 12 jähriges Mädchen mit 53 Jahren geheiratet hat, er ist das Vorbild aller Muslime, dass ist einfach ein Fakt der aus falscher Toleranz heute oft ausgeblendet wird.