Das Fest «Mariä Heimsuchung» bezieht sich auf den Besuch Marias bei ihrer Verwandten Elisabet. Der Engel Gabriel brachte Maria nicht nur die Botschaft, dass sie die Mutter Gottes werden sollte, sondern berichtete ihr auch, dass Elisabet ebenfalls schwanger war. Und so macht sich Maria auf den Weg ins Bergland von Judäa, wo Elisabet mit ihrem Mann Zacharias lebt.
«Und es geschah, als Elisabet den Gruss Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruss hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess» (Lk 1,41–45).
Hier treffen sich zwei Frauen, deren Leben kurz zuvor eine dramatische Wendung genommen hat. Elisabet, die im hohen Alter unerwartet schwanger wird. Sie hat sich – vermutlich nach vielen inneren Kämpfen – mit ihrer Unfruchtbarkeit abgefunden. Als junge Frau wird sie bei ihrer Heirat mit Zacharias von einer eigenen Familie geträumt haben, ein Wunsch, der sich aber nicht erfüllen sollte. Und jetzt plötzlich, als sie nach menschlichen Massstäben gar nicht mehr damit rechnen konnte, wird sie schwanger. Ihr geordnetes Leben steht Kopf.
Und da ist Maria, eine junge Frau, frisch verlobt mit Josef, die vermutlich auch bereits von einer Familie geträumt hat – mit Josef natürlich. Und da kam der Engel Gabriel und brachte ihr die Botschaft, dass sie die Mutter Gottes werden sollte. Auch ihr Leben wird völlig durcheinandergewirbelt.
Doch beide Frauen nehmen diese unerwartete Wendung in tiefem Gottvertrauen an. Ihre Gottverbundenheit zeigt sich schön bei dieser Begegnung: Ihre ersten Worte bei der Begrüssung handeln nicht von ihren Problemen und Sorgen, wie das zu erwarten gewesen wäre. Elisabet begrüsst Maria als die «Mutter meines Herrn» und preist sie selig, weil sie «geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess». Maria ihrerseits bricht in den Lobpreis Gottes aus:
«Meine Seele preist die Grösse des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Sieh, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!
Denn der Mächtige hat Grosses an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheissen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig» (Lk 1,46–55).
Maria richtet unseren Blick auf das Heilshandeln Gottes. Der Gott Israels rettet die Armen und Hungernden, er sorgt für Gerechtigkeit und erbarmt sich aller Menschen, die ihn fürchten, d. h. ihn ehren. Diesen Lobgesang Marias kennen wir unter dem Namen «Magnificat» nach dem ersten lateinischen Wort des Lobpreises. Das «Magnificat» gehört spätestens seit dem heiligen Benedikt von Nursia (480–547) zur Vesper, dem kirchlichen Abendgebet, ja bildet sogar deren Höhepunkt («Allgemeine Einführung in das Stundengebet» 50).
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