Visitation, Hans und Jakob Strüb,1505 (geschnitten). (Bild: Public domain via Wikimedia Commons)

Neuevangelisierung

Mariä Heim­su­chung – Begeg­nung zweier Frauen, die über sich hinausweist

Die deutsch­spra­chi­gen Bis­tü­mer fei­ern am 2. Juli das Fest «Mariä Heim­su­chung». Der Evan­ge­list Lukas erzählt als ein­zi­ger der Evan­ge­lis­ten diese Szene zwi­schen Maria und Eli­sa­bet, die mehr ist als eine ein­fa­che Begegnung.

Das Fest «Mariä Heimsuchung» bezieht sich auf den Besuch Marias bei ihrer Verwandten Elisabet. Der Engel Gabriel brachte Maria nicht nur die Botschaft, dass sie die Mutter Gottes werden sollte, sondern berichtete ihr auch, dass Elisabet ebenfalls schwanger war. Und so macht sich Maria auf den Weg ins Bergland von Judäa, wo Elisabet mit ihrem Mann Zacharias lebt.

«Und es geschah, als Elisabet den Gruss Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruss hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess» (Lk 1,41–45).

Hier treffen sich zwei Frauen, deren Leben kurz zuvor eine dramatische Wendung genommen hat. Elisabet, die im hohen Alter unerwartet schwanger wird. Sie hat sich – vermutlich nach vielen inneren Kämpfen – mit ihrer Unfruchtbarkeit abgefunden. Als junge Frau wird sie bei ihrer Heirat mit Zacharias von einer eigenen Familie geträumt haben, ein Wunsch, der sich aber nicht erfüllen sollte. Und jetzt plötzlich, als sie nach menschlichen Massstäben gar nicht mehr damit rechnen konnte, wird sie schwanger. Ihr geordnetes Leben steht Kopf.

Und da ist Maria, eine junge Frau, frisch verlobt mit Josef, die vermutlich auch bereits von einer Familie geträumt hat – mit Josef natürlich. Und da kam der Engel Gabriel und brachte ihr die Botschaft, dass sie die Mutter Gottes werden sollte. Auch ihr Leben wird völlig durcheinandergewirbelt.

Doch beide Frauen nehmen diese unerwartete Wendung in tiefem Gottvertrauen an. Ihre Gottverbundenheit zeigt sich schön bei dieser Begegnung: Ihre ersten Worte bei der Begrüssung handeln nicht von ihren Problemen und Sorgen, wie das zu erwarten gewesen wäre. Elisabet begrüsst Maria als die «Mutter meines Herrn» und preist sie selig, weil sie «geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess». Maria ihrerseits bricht in den Lobpreis Gottes aus:

«Meine Seele preist die Grösse des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Sieh, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter!
Denn der Mächtige hat Grosses an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Er nimmt sich seines Knechtes Israel an
und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheissen hat,
Abraham und seinen Nachkommen auf ewig» (Lk 1,46–55).

Maria richtet unseren Blick auf das Heilshandeln Gottes. Der Gott Israels rettet die Armen und Hungernden, er sorgt für Gerechtigkeit und erbarmt sich aller Menschen, die ihn fürchten, d. h. ihn ehren. Diesen Lobgesang Marias kennen wir unter dem Namen «Magnificat» nach dem ersten lateinischen Wort des Lobpreises. Das «Magnificat» gehört spätestens seit dem heiligen Benedikt von Nursia (480–547) zur Vesper, dem kirchlichen Abendgebet, ja bildet sogar deren Höhepunkt («Allgemeine Einführung in das Stundengebet» 50).
 


Doch bei der «Heimsuchung Marias» begegnen sich nicht nur Maria und Elisabet, sondern auch Jesus und Johannes. Es ist Johannes, der Elisabet durch seinen «Freudensprung» im Mutterleib auf den kommenden Messias aufmerksam macht. Die Heimsuchung ist damit die erste Offenbarung des menschgewordenen Gottes. Diese wird ab dem Mittelalter bildlich dargestellt, indem Elisabet ehrfürchtig den Leib Mariens berührt oder anbetend vor ihm kniet. Ab dem 14. Jahrhundert findet sich das Motiv der zwei ungeborenen Kinder als kleine Figuren in einer Gloriole vor den Leibern der Frauen. Die Begegnung von Maria und Elisabet schliesst ihre Kinder im Mutterleib mit ein und zeigt so die Würde des noch ungeborenen Kindes.

Es war Bonaventura (1221–1274), der 1263 als Generalminister der Franziskaner das Fest «Mariä Heimsuchung» für den Orden einführte. Er legte es auf den 2. Juli; dies war der erste Tag nach der Oktav[1] des Festes der Geburt Johannes des Täufers. Durch das rasche Wachstum des Franziskanerordens fand es in der ganzen Westkirche schnell Verbreitung. Papst Pius V. nahm das Fest 1568 ins Brevier und 1570 in den römischen Generalkalender auf.

Mit der Liturgiereform wurde das Fest 1969 auf den 31. Mai verlegt. Dies macht chronologisch mehr Sinn: Verkündigung (25. März), Heimsuchung (31. Mai) und Geburt des Johannes (24. Juni). In den deutschsprachigen Bistümern wird aus Rücksicht auf die Verwurzelung in der Volksfrömmigkeit der ursprüngliche Termin beibehalten.

 


[1] Die Oktav wurde 1955 gestrichen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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