«Warum sich Psychologen wie Prostituierte fühlen und Psychiater um ihre Pfründen fürchten»: So lautet der Titel eines NZZ-Beitrages vom 26. Juni 2019. Die Formulierung mag zeitgeistkonform knallig sein, benennt aber ein gesellschaftliches Problem, das zunehmend gravierendere Ausmasse annimmt.
Um was geht es? «Das Modell grenzt an Prostitution, und der Psychiater ist unser Zuhälter.» Mit diesen drastischen Worten umschreibt Petra Kohler im zitierten Beitrag den Umstand, dass Psychotherapeuten Patienten nur dann zulasten der Grundversicherung behandeln dürfen, wenn sie von einem Psychiater angestellt sind und in dessen Praxis tätig sind. Vom Stundenansatz von 140 Franken, welche die Krankenkasse dem Psychiater überweist, leitet er der im konkreten Fall die Behandlung durchführenden Psychotherapeutin gerade noch 80 Franken weiter. Sozialbeiträge muss sie aus dem eigenen Sack bezahlen, Ferien ebenso. Zahlt ein Patient nicht, geht sie auch leer aus. Die «Föderation der Schweizer Psycholog:innen» (FSP) gelangte deshalb mit einer von 100 000 Personen unterzeichneten Petition an den Bundesrat, um die prekären Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu verbessern.
Im Zentrum stand die Forderung, zwar auf Anordnung eines Arztes, aber in der eigenen Praxis selbständig arbeiten und direkt mit den Krankenkassen abrechnen zu können. Die Forderung stiess bei den Psychiatern auf massiven Widerstand, setzte sich aber schliesslich durch – nicht zuletzt wegen der herrschenden Versorgungsengpässe im Bereich psychischer Krankheiten.
Am 1. Juli 2022 war es soweit. Seither dürfen selbstständig arbeitende Psychotherapeuten ihre Leistungen direkt mit den Krankenkassen abrechnen. Die Krankenkassen hatten im Vorfeld der Neuregelung eine erhebliche Mengenausweitung und damit eine Kostensteigerung befürchtet. Deshalb wurde ein Bremsmechanismus eingebaut: Nach 15 Therapiesitzungen muss vom betreffenden Arzt eine zweite Anordnung eingeholt werden. Nach 30 Sitzungen ist eine Kostengutsprache der Krankenkasse erforderlich.
Exorbitante Kostensteigerung
Wie berechtigt die Befürchtungen der Krankenkassen waren, zeigt die seitherige Kostenentwicklung – man ist geneigt, von einer veritablen Kostenexplosion zu sprechen: Im Jahr 2023 schlugen die Aufwendungen für die grundversicherten Psychotherapien mit 785 Millionen Franken zu Buche. Dies ist eine Steigerung von 200 Millionen Franken allein im Vergleich zum Vorjahr. Nota bene: Vor dem Systemwechsel beliefen sich die Kosten auf rund 385 Millionen pro Jahr.
Tatsache ist, dass die Zahl der gemeldeten psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. So wurde 2023 bereits jede zweite neue IV-Rente aufgrund einer psychischen Erkrankung zugesprochen. Und gemäss einer Erhebung des «Bundesamtes für Statistik» stieg die Zahl der stationären Spitalaufenthalte wegen psychischer und Verhaltensstörungen bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 10 bis 24 Jahren allein zwischen 2020 und 2021 um 26 Prozent.
Dabei gilt es allerdings, den Wertewandel oder besser gesagt Werteverlust in den westlichen Ländern im Auge zu behalten. Die Fokussierung auf Selbstverwirklichung und Selbstwahrnehmung bis hin zur Selbstoptimierung hat zur Folge, dass Befindlichkeitsschwankungen, wie sie zu jedem normalen Verlauf der Pubertät gehören, allzu oft als vermeintliche psychische Krankheiten fehldiagnostiziert werden, von denen sich Betroffene wiederum nur allzu gerne «therapieren» lassen.
Ein zuverlässiger Seismograph für das, was die moderne Gesellschaft unter dem Begriff «Gesundheit» versteht, ist der Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie hat 2022 neu «belastungsbezogene Störungen» in ihren Diagnosekatalog aufgenommen. Fachleute kritisieren, dass diese Ausweitung eine fatale Reflexwirkung auszulösen droht: Menschen, die bislang normale Reaktionen auf Ereignisse (wie z. B. Stress) oder Verlust von Angehörigen zeigten, würden nun ihre emotionalen Befindlichkeiten als eine psychotherapeutisch zu behandelnde Krankheit einstufen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Wenn aber die kath. Kirche, mit einer mittelalterlichen Sexuallehre, nahezu allen ihrer Gläubigen unnötigerweise Schuldgefühle eintrichtert, muss das Individuum dafür sicher nicht um Entschuldigung bitten.
Machen Sie sich doch bitte einmal über das Mittelalter schlau oder lesen Sie mittelalterliche Schriften wie die Hymnen eines Notker Balbulus, die Carmina Burana, das Nibelungenlied, usw. usf. Sie werden dann ein faszinierendes Zeitalter entdecken, dass nichts mit dem Zerrbild zu tun hat, das seit der Aufklärung durch unsere Schulbücher geistert.
Im übrigen wiederhole ich mich gern: Die katholische Lehre zu Ehe, Liebe und Sexualität ist zwar anspruchsvoll, aber a) nicht an eine bestimmte Zeit gebunden und b) viel menschlicher und menschenwürdiger als das Mainstreamdogma Nr. 1: "Erlaubt ist, was Spass macht!"
Gottes Ordnung besteht darin, dass Sex nicht zu den Lebenszielen eines Menschen gehört. Es ist ein Mittel zur Erledigung Seines Auftrags an uns, die Arterhaltung, wie bei den Tieren auch. Dass das mit Lust und Freude verbunden ist und zudem die eheliche Verbindung stärken und fördern kann, will uns immer wieder an diese Aufgabe erinnern und sie erleichtern. Dass diese aber nur mit Ordnung und Disziplin erfüllt werden kann, sollte jedem vernünftigen Menschen klar sein. Und dass ein egozentrisches Ausleben der Sexualität nicht menschenwürdig ist, gleichfalls. Dass Gott auch Menschen berufen kann, welche er nicht zu dieser Aufgabe bestimmt hat, sondern – wie beim z.B. Priestertum – zum Aufbau und zu Stärkung des geistigen Volkes Gottes, darauf hier einzugehen, würde zu weit führen.