«Die Handlung Metzgers ist so abartig und verbrecherisch, dass der Angeklagte ausgemerzt werden muss. Ich habe in meinen Verhandlungen noch nie das Wort ‹ausgemerzt› gebraucht. Hier aber gebrauch ich es. Eine solche Pestbeule muss ausgemerzt werden.» Mit diesen Worten verdammte der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, Leben und Wirken des Max Josef Metzger. Womit hatte sich diese grosse Priestergestalt des 20. Jahrhunderts eine solche «Auszeichnung» verdient? Kardinal Kurt Koch gibt in seinem Interview mit «swiss-cath.ch» darauf eine Antwort.
Sie leiten am 17. November die feierliche Zeremonie zur Seligsprechung von Max Josef Metzger. Was bedeutet Ihnen dessen Seligsprechung? Was verbindet Sie persönlich mit diesem von den Nationalsozialisten hingerichteten Priester?
«Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und für die Einheit der Kirche.» Diese Worte stehen auf dem Grabstein des Priesters Max Josef Metzger. Sie bringen am deutlichsten zum Ausdruck, worin seine geistlichen Ideale bestanden haben, denen er sich während seines ganzen Lebens verpflichtet gewusst hat und die gleichsam sein Testament darstellen. Bereits kurz nach seiner Priesterweihe wurde er im Jahre 1914 als Divisionspfarrer an die französische Front gesandt. Diese Erfahrung hat ihn zum leidenschaftlichen Kämpfer für den Frieden unter den Völkern gemacht. Zugleich hat er unter der Zerstrittenheit der christlichen Kirche gelitten und ist überzeugt gewesen, dass das Friedensreich Christi in der Welt nur wirksam werden kann, wenn die Christen unter sich die Einheit wiederfinden. In dieser Überzeugung ist er zu einem bedeutenden Promotor der ökumenischen «Una-Sancta-Gemeinschaften» geworden. Sein Einsatz ist dabei begründet in seiner tiefen Christkönigsspiritualität. Unter dem Leitwort «Christus muss König sein» hat er die «Societas Christi Regis» (Christkönigsgesellschaft) gegründet. Für seine Treue zu Christkönig hat er sein Leben hingegeben, da er von den Nationalsozialisten hingerichtet worden ist. Max Metzger ist für mich ein glaubwürdiger Christuszeuge in einer arg zerrissenen Welt gewesen. Wir leben heute wieder in einer ebenso gefährdeten Welt und dürfen dabei uns von seinem Beispiel der Christusnachfolge bestärken lassen und auf die Fürbitte des neuen Seligen im Himmel hoffen.
Roland Freisler, der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofes, sagte anlässlich der Gerichtsverhandlung in Berlin: «Die Handlung Metzgers ist so abartig und verbrecherisch, dass der Angeklagte ausgemerzt werden muss. Ich habe in meinen Verhandlungen noch nie das Wort ‹ausgemerzt› gebraucht. Hier aber gebrauche ich es. Eine solche Pestbeule muss ausgemerzt werden.» Womit hat sich Max Josef Metzger diese «Auszeichnung» verdient?
Die Erfahrung des schrecklichen Grauens des Ersten Weltkrieges hat Max Metzger zum christlichen Pazifisten werden lassen. Besonders die Wahrnehmung, dass in diesem Krieg alte katholische Nationen einander an allen Fronten bekämpft haben, hat ihn zum leidenschaftlichen Apostel für Völkerverständigung und Völkerfrieden heranreifen lassen. Bereits im Jahre 1917 hat er deshalb ein «internationales religiöses Friedensprogramm» entwickelt, das er auch Papst Benedikt XV. hat zustellen lassen; und einige Jahre später hat er den «Friedensbund deutscher Katholiken» gegründet. Und in der sensiblen Wahrnehmung, dass angesichts des drohenden Zweiten Weltkrieges den Christen eine besondere Verantwortung für den Frieden zukommt, hat er auch die ökumenische Arbeit zwischen den grossen Kirchen in Deutschland gefördert. Beide Anliegen standen völlig quer zur rassistischen und nationalistischen Kriegsideologie der Nationalsozialisten, die Metzger als Volksverräter verurteilt haben. Zudem spürt man aus den Worten des Präsidenten des Volksgerichtshofes einen abgrundtiefen Hass gegen das Christentum, den er mit Adolf Hitler und seinen Genossen geteilt hat. Max Metzger wird deshalb von der Katholischen Kirche als Märtyrer, der sein Leben in Treue zu Christus hingegeben hat, anerkannt und verehrt.
Max Josef Metzger war nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges zum glühenden Pazifisten geworden. Er forderte schon vor dem Zweiten Weltkrieg die Schaffung einer überstaatlichen Armee im Dienste der «Vereinigten Staaten von Europa» und die Garantie der Menschenrechte. Was ist inzwischen von den Visionen Metzgers Wirklichkeit geworden, wo gibt es noch offene Baustellen?
Die grosse Hoffnung von Max Metzger auf die «Vereinigten Staaten von Europa» ist zunächst auf dem Hintergrund zu verstehen, dass in seinen Augen eine der wesentlichen Ursachen der beiden Weltkriege in den grassierenden Nationalismen gelegen hat, weshalb er nach einer übernationalen Wirklichkeit im Dienst des Friedens gesucht hat. Vor allem aber ist seine Hoffnung auf Europa in der Überzeugung begründet gewesen, dass Europa nur dann der Überwindung der nationalistischen Gefahr und damit der Völkerverständigung dienen kann, wenn es seine ihm eigenen christlichen Wurzeln verlebendigt und aus ihnen Gesellschaft und Politik gestaltet. In der Zwischenzeit hat sich diese Hoffnung nicht im Sinne von Max Metzger bestätigt. Europa ist weithin zu einer ökonomischen und politischen Realität geworden und steht in der Gefahr, seine christlichen Wurzeln stets mehr – um es harmlos auszudrücken – zu vergessen. Die starke Tendenz in Europa, beispielsweise das Menschenrecht auf Leben in ein sogenanntes «Menschenrecht auf Abtreibung» umzudefinieren, greift der christlichen Idee der Menschenwürde und Menschenrechte an die Wurzel. Ähnliches muss auch im Blick auf die rechtlichen Regelungen der so genannten Euthanasie am Ende des menschlichen Lebens gesagt werden. Es liegt an uns Christen in der europäischen Gemeinschaft, die Hoffnung von Max Metzger neu aufleben zu lassen und das christliche Menschenbild zu verlebendigen, das allerdings ohne die Vertiefung des christlichen Gottesglaubens nicht möglich sein wird.
War Max Josef Metzger ein Einzelkämpfer? Wurde er – wenn überhaupt – von seinen kirchlichen Vorgesetzten ausreichend unterstützt und in Schutz genommen?
Wieweit Max Metzger von seinen kirchlichen Vorgesetzten in seinem Friedensengagement unterstützt worden ist, ist eine komplexe Frage, die nicht kurz beantwortet werden kann. Sicher jedoch ist auf jeden Fall, dass sein Wirken von den Friedensbemühungen von Papst Benedikt XV. gefördert worden ist. Mit aller Schärfe hat dieser Papst den Krieg verurteilt; er hat den Ersten Weltkrieg, der mehr als 17 Millionen Menschenleben gekostet hat, als «unnützes Blutvergiessen» bezeichnet und ihn als «Selbstmord des zivilisierten Europa» verdammt. Und in seiner Enzyklika über den Frieden im Jahre 1920 hat er betont, dass ein echter Friede allein auf der Grundlage der Versöhnung zwischen den einstmals verfeindeten Nationen möglich ist. Mit dieser klaren Stimme hat Papst Benedikt XV. den christlichen Zweig der Friedensbewegung massgeblich gefördert und gewiss auch das Wirken von Max Metzger ermutigt. Hätte man damals auf die vielfältigen Friedensvermittlungen dieses Papstes gehört, wären die Welt und besonders Europa vom grauenhaften Ersten Weltkrieg weithin verschont geblieben. Wohl deshalb hat Papst Benedikt XVI. in Erinnerung an seinen Vorgänger als Papst diesen Namen gewählt; und auch heute spricht Papst Franziskus ein klares Wort gegen die grassierenden Kriege in der heutigen Welt. In diese Situation hinein enthält die Seligsprechung von Max Metzger eine klare Botschaft, die man nicht überhören darf.
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