Das hässliche Entlein, die kleine Meerjungfrau, die seit 1913 auch in Bronze an Kopenhagens Langelinje Kaj steht, oder die Schneekönigin. Die Märchen von Hans Christian Andersen wurden in weit mehr als 100 Sprachen übersetzt und haben ihn zum weltweit bekanntesten Dänen gemacht. Dabei wäre der Exzentriker aus Odense auf Fünen wohl lieber als erfolgreicher Bühnenschauspieler oder Opernkomponist in die Geschichte eingegangen.
«Mein Schicksal hätte nicht glücklicher und besser geleitet werden können», so schrieb Andersen in seinen beiden Autobiografien. Der dänische Titel «Eventyr og Historier» könnte nicht passender sein. Eventyr heisst Abenteuer; denn aufregend war das Leben des Dänen bestimmt. Aber vielleicht war es auch – zumindest in Teilen – ein Märchen, so die zweite Wortbedeutung von eventyr.
Vom Theater zur Literatur
Seine Geburt rund 70 Jahre zuvor am 2. April 1805 war das Gegenteil von Glanz, Ehre und Berühmtheit. Die Mutter Anne Marie Andersdatter soll später Alkoholikerin gewesen sein; der zehn Jahre jüngere Vater Hans Andersen schaffte es als Schuhmachergeselle kaum, die Familie durchzubringen. 1812 wurde er während der Napoleonischen Kriege Soldat und starb kurz nach seiner Rückkehr erst 34-jährig.
Hans Christian Andersen entdeckte schon früh seine Freude an reisenden Theatergruppen, die regelmässig nach Odense kamen. Ausgestattet mit viel Fantasie und Zähigkeit, brach er mit gerade mal 14 Jahren als blinder Passagier in die Hauptstadt Kopenhagen auf; mit dabei sein Talent als guter Netzwerker. Schon in seiner Heimatstadt hatte er Bekanntschaft mit Künstlern geschlossen, was er – anfangs eher erfolglos – in der Hauptstadt fortsetzte, getrieben vom Wunsch nach einer Theaterkarriere.
Im zweiten Jahr nach seiner Ankunft erhielt er zwar einige Monate nach der Aufnahme an der Ballettschule des Königlichen Theaters eine kleine Statistenrolle, musste aber feststellen, dass es zu mehr nicht reichte. Stattdessen begann er erste Erzählungen und Tragödien zu schreiben, inspiriert von seinen Vorbildern Walter Scott und William Shakespeare. Auch wenn diese zunächst abgelehnt wurden, erweiterte sich sein Bekanntenkreis – und somit jener der finanziellen Unterstützer. Nach seiner Matura im Jahr 1828 veröffentlichte er mehrere Gedichte sowie das Opernlibretto Ravnen (Der Rabe).
Reise- und abenteuerlustig
1831 bricht Hans Christian Andersen zu seiner ersten Auslandsreise auf, die in den Harz und die Sächsische Schweiz führt; viele weitere folgen. «Insgesamt hat er 29 Reisen ausserhalb Dänemarks unternommen und mehr als neun Jahre ausserhalb seines Heimatlandes verbracht», so der Bremer Kunsthistoriker Detlef Stein.
Begeisterung, Neugier und Inspiration müssen enorm gewesen sein: Im Harz sieht Andersen erstmals Berge; er reist bis nach Nordafrika, auf den Balkan, in die Türkei und Schweden. «Es gibt kaum jemanden, der so viel gesehen hat», sagt Detlef Stein. Die Aufenthalte werden mit besonderen Besuchen verbunden. In Weimar lernt er den sächsischen Grossherzog Carl Friedrich und dessen Sohn Carl Alexander kennen. In Zürich trifft er Richard Wagner. Andersen besucht Theater- und Opernaufführungen, Pariser Salons und zweimal auch die Weltausstellung.
Hans Christan Anders liebte Italien und besonders die Ewige Stadt. 1833 besuchte er erstmals Rom. Er lebte in der Via Sistina Tür an Tür mit der deutsch-skandinavische Bohème: die Malerin Angelica Kaufmann, ihr Kollege Franz Lenbach und der Bildhauer Bertel Thorvaldsen, die Schriftstellerin Fanny Lewald, die Komponisten Edvard Grieg und Franz Liszt.
Wie beliebt vor allem Andersens Kinderbücher in Italien sind, zeigt der seit 1982 verliehene «Premio Andersen»: Die Auszeichnung ehrt Autoren, Herausgeber, Übersetzer und Illustratoren von Kinderbüchern. Dazu ist eine eigene Fachzeitschrift «Andersen – Il mondo dell'infanzia» («Die Welt der Kindheit») nach dem Dichter benannt. Und zwischen 5.30 Uhr früh und 2.00 Uhr nachts fährt die Linie 916 quer durch Rom, auf dem Busschild steht in Grossbuchstaben: «Andersen». Sie zirkuliert von der zentralen Piazza Venezia im Herzen der Stadt bis zur Endhaltestelle «Via Andersen».
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