Die Vereidigung der neuen Gardisten am 4. Oktober 2025 in Anwesenheit von Papst Leo XIV. (Bild: Dominik Chanton)

Weltkirche

Mein Sohn – ein Schwei­zer Gardist

Am Sams­tag habe ich in Rom etwas erlebt, das mich als Vater tief bewegt: Mein Sohn Giuliano wurde im Cor­tile San Damaso als Hel­le­bar­dier ver­ei­digt. Ein Moment vol­ler Stolz, Glau­ben und Tränen.

Es ist Samstagabend, kurz nach 19 Uhr. Die Eindrücke sind noch so frisch, dass ich kaum weiss, wo ich anfangen soll. Vor wenigen Stunden habe ich meinen Sohn Giuliano in Rom vereidigen sehen – und mein Herz ist übervoll.

Eigentlich beginnt diese Geschichte vor vielen Jahren. Meine Frau leitete damals eine katholische Jugendgruppe, mit der wir nach Rom fuhren – unsere vier Kinder mit dabei. Giuliano war elf, voller Träume: Helikopterpilot, Lokführer … An jenem Abend, nachdem er zum ersten Mal die Schweizer Garde gesehen hatte, sagte er mir vor dem Einschlafen: «Papa, ich werde Gardist.» Und er blieb dabei. Von da an sprach er jeden einzelnen Tag davon. Dass heute sogar zwei meiner Söhne in Rom dienen – Giuliano und sein Bruder Robin – ist ein Geschenk, mit dem ich nie gerechnet habe. Robin wird am 6. Mai 2026 vereidigt werden.

Zwei Söhne im Dienst
Als wir in diesen Tagen ankommen, zieht mich die unvergleichliche Architektur des Petersdoms erneut in ihren Bann. Diese Basilika, diese Pilgerströme – und mitten darin mein «kleiner Giuliano» als Beschützer des Heiligen Vaters. Giuliano erfüllt mich als Vater mit Stolz. Von Kameraden und Vorgesetzten höre ich: pflichtbewusst, zuverlässig. Schon immer war er der Grösste in unserer Familie; mit Schuhgrösse 47 haben wir etliche Schuh-Odysseen erlebt. Jetzt wirkt er nochmals gewachsener – vielleicht, weil er den Rücken gerader trägt, die Schultern breiter, die Muskulatur kräftiger. Die im letzten November im Wallis massgeschneiderten schwarzen Anzugsgarnituren sind am Limit.

Der Tod seiner Mama vor zwei Jahren hat ihn dem Glauben noch nähergebracht. Er steht hier nicht nur, weil «Söldnersein» aufregend klingt, sondern auch, weil er die Nähe zu Jesus Christus sucht und lebt.
 


Begegnung mit dem Papst
Am Freitag durften wir bereits dem Papst in der Sala Clementina begegnen – ein «ad mano», das ich nie vergesse. Von meiner Arbeit bei Radio Maria kenne ich seine Stimme, sehe Bilder. Aber als er in Weiss vor mir steht, mir die Hand reicht und sich auf seine Art für den Dienst meines Sohnes bedankt, zittern mir die Knie. Heiss, kalt, sprachlos – und doch tief dankbar. Knapp kann ich mich an das gelernte «Buongiorno Santità» erinnern.
Giuliano zeigt uns seine Kaserne: Stunden, Überstunden, reduzierte Zimmer – alles auf das Notwendige fokussiert. Was meine Söhne da leisten und auf sich nehmen, ringt mir grosse Achtung ab. Als Kontrast schlendern wir später durch die vatikanischen Gärten. Stille. Weite. Ein Atemholen.

Der grosse Tag
Heute Nachmittag um 17 Uhr hat die Vereidigung begonnen. In höchster Präzision marschierten die Gardisten in Galauniform in den Cortile San Damaso. Ich hatte einen Stuhl; die erste Träne fiel früh. Reden, das Musikkorps der Garde, Gesichter aus Kirche und Politik – eine dichte Komposition aus Klang, Farbe, Geschichte. Normalerweise erinnert der Termin am 6. Mai an den «Sacco di Roma»; in diesem Heiligen Jahr, nach dem Tod von Papst Franziskus im April, wurde er ausnahmsweise auf den Oktober verlegt.
 


Der Schwur
Dann der Moment. Ein Gardist nach dem anderen trat vor die Fahne. «Hellebardier Chanton.» Ich hielt den Atem an. Giuliano ging, gross gewachsen, konzentriert, den Blick auf den Vizekommandanten hinter der Fahne gerichtet. Er sprach – nicht pathetisch, sondern fest: Er schwor, dem regierenden Papst und seinen rechtmässigen Nachfolgern treu, redlich und ehrenhaft zu dienen, sich mit ganzer Kraft einzusetzen, nötigenfalls das eigene Leben zu geben; dem Kommandanten und allen Vorgesetzten versprach er Achtung, Treue und Gehorsam. Am Schluss die Worte, die mich ins Mark trafen: «Ich schwöre es, so wahr mir Gott und unsere heiligen Patrone helfen.» Meine Augen machten, was sie mussten: Tränen vergiessen. In mir klang das Bruder-Klaus-Gebet: «… und nimm mich mir und mach mich ganz zu eigen Dir.» Giuliano lebt es.

Dankbarkeit und Vorfreude
Wir sitzen nun beim Nachtessen. Giuliano lächelt und sagt: «Genau das wollte ich immer sein. Ich bereue keine Minute.» Ich schaue ihn an und sehe den Elfjährigen, der damals in Rom die Garde sah – und den stattlichen Mann von heute, der dem Heiligen Vater Leo XIV. dient. Für einen Vater ist das eine «katholische Vitaminspritze» pur: Nähe zum Grab Petri, kirchliche Sendung, persönlicher Glaube, alles verdichtet in einer einzigen Stunde. Im Mai werde ich das noch einmal erleben – wenn Robin an der Reihe ist.

Heute aber bin ich einfach dankbar. Für die Kirche. Für den Glauben. Für meine Kinder. Und für Giuliano, der mir zeigt, was es heisst, Christus mit dem eigenen Leben zu dienen.
 

Die Schweizer Garde ist nicht nur die älteste Armee der Welt, sondern auch jene mit den schönsten Uniformen. Gerade erst, d. h. am vergangenen Donnerstag, hat Gardekommandant Christoph Graf der Öffentlichkeit die «Mezza-Gala-Uniform» vorgestellt. Sie ist den neun höchstrangigen Offizieren vorbehalten und soll bei Empfängen, Medienkonferenzen und Besuchen in Botschaften zum Einsatz kommen.
Die Schweizergarde wurde am 22. Januar 1506 von Papst Julius II. gegründet und ist für den Schutz des Papstes sowie seiner Residenz zuständig. Unter der Leitung von Oberst Christoph Graf (LU) ist sie dafür zuständig, die Zugänge zum Vatikan, dem Apostolischen Palast, zu kontrollieren, Ordnungs- und Repräsentationsdienste bei päpstlichen Zeremonien und Staatsempfängen zu leisten und das Kardinalskollegium während der Sedisvakanz zu schützen. Das Korps umfasst Gardisten aus allen Sprachregionen der Schweiz. Wegen des Todes von Papst Franziskus wurde die traditionell am 6. Mai jährlich stattfindende Vereidigung heuer auf den 4. Oktober verschoben. Mit Papst Leo XIV. hat erstmals seit 57 Jahren wieder das Oberhaupt der Katholischen Kirche an einer Vereidigung der Schweizergarde teilgenommen.
Die 27 Rekruten, die vereidigt werden, kommen aus verschiedenen Regionen der Schweiz, unter anderem aus den Kantonen Wallis (5), Freiburg (4), Waadt (4) und Zürich (4). Der Sollbestand der Garde beträgt 135 Mann. Im Jahre 2024 schwankte der Ist-Bestand zwischen 115 und 129 Mann.


Dominik Chanton


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Bemerkungen :

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    Germaine Zanella 05.10.2025 um 21:09
    Liebe Familie Chanton
    Lieber Dominik

    Grosses Dankeschön und grosses Kompliment für den wunderbar geschriebenen Beitrag. Ich bin zu Tränen gerührt ...
    Von Herzen wünsche ich euch alles Gute.
  • user
    Kathrin Benz 05.10.2025 um 17:31
    Sehr geehrter Herr Chanton, vielen Dank für Ihren Zeugenbericht! Ich habe keinen Augenblick daran gezweifelt, dass Ihnen und Ihren Söhnen klar ist, dass sie sich in den Dienst Gottes und nicht „nur“ eines Menschen stellen, und dass die Kirche der mystische Leib Christi ist. Seinen Sohn gehen zu lassen, ist bewegend. Dass er, der die Mutter verloren hat, sogar noch näher zum Glauben rückt, ist alles andere als selbstverständlich! Es ist ein Geschenk, wie Sie schreiben! Ich habe Ihr Bruder-Klausen-Gebet an dieser Stelle sehr gut verstanden! Sie und Ihre Söhne erleben ein Loslassen, Sie wissen, in wessen Hände Sie sich fallen lassen, und ich finde ohnehin, wir sollten das Gebet viel öfter beten. Danke für Ihren Artikel, Danke Ihren Kindern für ihren Dienst! (Und mein Sohn hat Schuhgrösse 47,5!)
  • user
    MT 05.10.2025 um 12:01
    Es ist schön, wie stolz der Vater auf den Glaubensweg seines Sohnes ist. Doch der Text vermischt persönliche Frömmigkeit, Papsttreue und mystische Gotteshingabe, ohne klar zu unterscheiden, wem letztlich die höchste Loyalität gilt. Wenn das Bruder-Klaus-Gebet im Zusammenhang mit dem Eid auf den Papst zitiert wird, verschiebt sich sein Adressat. Bruder Klaus hätte sanft, aber klar gemahnt: „Das Gebet gehört Gott. Nicht dem Menschen.“ Christus ist das Haupt der Kirche, der Papst sein Stellvertreter – nicht sein Ersatz. Auch Päpste sind nur Menschen – irrtums- und schwach wie Petrus. Man soll sie achten, aber nicht anbeten.
  • user
    Joseph Laurentin 04.10.2025 um 21:56
    Im Artikel heisst es: «In mir klang das Bruder-Klaus-Gebet: ‹… und nimm mich mir und mach mich ganz zu eigen Dir.› Giuliano lebt es.» Doch darf man dieses Gebet hier einfach übernehmen? Nein. Bruder Klaus richtet diese Worte an Gott, den Herrn über Kirche und Geschichte – nicht an einen Papst und nicht an eine menschliche Institution. Dienst am Papst – ja, aber um Christi willen, nicht an seiner Stelle. Es geht um die völlige Hingabe an den göttlichen Willen, nicht um Gefolgschaft gegenüber einer menschlichen Autorität, die nur dann rechtmässig ist, wenn sie sich der unveränderlichen Lehre und der Wahrheit Christi unterordnet.
    • user
      Martin Meier-Schnüriger 06.10.2025 um 14:37
      Ich denke, dass Giuliano und den übrigen Gardisten klar ist, wem sie letztlich dienen. Man sollte auch mal etwas einfach stehen lassen und sich herzlich über positive Dinge in unserer Kirche freuen, statt ständig Haare in der Suppe zu suchen, die bei näherem Betrachten nicht einmal solche sind. Oder wie es der hl. Don Bosco sagte: "Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen."