Am 12. September 2023 wurde die Pilotstudie zu sexuellem Missbrauch veröffentlicht. Am gleichen Tag gab die «Katholische Kirche im Kanton Zürich» bekannt, dass sie auf ihrer Webseite ein Meldesystem für Fehlverhalten im kirchlichen Umfeld startet. Dieses ist ein niederschwelliges und seit November 2023 gänzlich anonymes Meldesystem für Hinweise auf mögliche Vorfälle oder Verdachtsfälle von Fehlverhalten im kirchlichen Umfeld.
«Rund 50 Missbrauchsfälle gemeldet. Über eine anonyme Meldeplattform der katholischen Kirche Zürich können Betroffene von Übergriffen berichten», so lautete der Titel und Lead eines Beitrags im «Tages Anzeiger» vom 7. September 2024, in dem Synodalratspräsident Raphael Meyer Auskunft gab.
Zu Beginn ging beinahe täglich eine Meldung ein, ab Oktober 2023 habe sich die Zahl auf eine Meldung pro Woche reduziert. «Es wurden physische, psychische sowie sexuelle Übergriffe gemeldet», so Raphael Meyer. Doch alle 50 mutmasslichen Übergriffe lägen schon viele Jahre zurück.
Im Verlauf des Berichts erfährt der Leser, dass es sich von den 50 im Titel angekündigten Missbrauchsfällen nur bei vier gesichert um sexuelle Übergriffe handelt.
Da in vielen Fällen die Meldungen nicht klar formuliert sind und Klärungsbedarf besteht, muss die kirchenunabhängige Juristin und GLP-Kantonsrätin Andrea Gisler nachfragen. Doch da etwas die Hälfte der Meldungen anonym eingehen, können die Personen «danach nur indirekt kontaktiert werden». Einige Meldungen würden den «Kern der Sache nicht ganz treffen», so Andrea Gisler. Paradebeispiel: «Eine Person beschwerte sich darüber, dass das Evangelium von einer Frau verlesen wurde». Wie bitte? Nicht ganz getroffen? Voll daneben! Eine allfällige Verletzung liturgischer Vorschriften hat mit Übergriffen im hier verstandenen Sinne nichts zu tun. Dieser Person muss immerhin zugutegehalten werden, dass sie sich durch die Webseite «Kirche schaut hin» in die Irre führen liess. Deren Lockvogel-Slogan mit seiner schwammig-diffusen Formulierung «Meldungen von Fehlverhalten im kirchlichen Umfeld» verleitet geradezu zu solchen Falschmeldungen.
Dieser Beitrag zeigt zweierlei: Erstens gieren gewisse Medien konstant danach, in Sachen «de sexto» weiterhin möglichst skandalträchtige Schlagzeilen zu produzieren («50 Missbrauchsfälle» obwohl es sich nur in vier Fällen gesichert um einen sexuellen Übergriff handelte). Dieser offensichtlich unwiderstehlichen Versuchung kommt es – zweitens – bestens zupass, wenn wie tatsächlich der Fall der Begriff «Missbrauch» ins schier Uferlose ausgedehnt wird.
Gemäss der Statistik «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Schweizer Bischofskonferenz gehören dazu Vergewaltigung, Schändung, sexuelle Handlungen (ohne Beischlaf und Vergewaltigung), sexuelle Nötigung, Beischlaf im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses, Abhängigkeitsverhältnis zwischen Opfer und Täter, andere sexuelle Belästigungen wie Sexting, Social Media usw., sexuell gefärbte Äusserungen, sexuell gefärbte Gesten und unerwünschte Avancen, unangebrachte Berührungen. Ob unter diese Definition auch das Kompliment eines Reporters des Schweizer Fernsehens zu subsumieren ist? Diesem entwischte an den Olympischen Spielen in Paris nach einem gelungenen Einsatz der Stabhochspringerin Alysha Newman der Satz «Schön ist sie» – und handelte sich prompt den Vorwurf des Sexismus ein.
Angesichts der vorstehend geschilderten Meldung einer das Evangelium vorlesenden Frau stellt sich die bange Frage, wie viele solcher Phantom-Missbräuche sich unter den in der Pilotstudie behaupteten, aber nicht dokumentierten 1002 Missbrauchsfälle befinden.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccdds/documents/rc_con_ccdds_doc_20040423_redemptionis-sacramentum_ge.html