Symbolbild. (Bild: Courtney Sargent/Pexels)

Hintergrundbericht

Mit neuem Aus­bil­dungs­mo­dell vom Regen in die Traufe?

Die Per­so­nal­de­cke in der Kir­che Schweiz wird dün­ner. In den nächs­ten Jah­ren wer­den viele Mit­ar­bei­ter pen­sio­niert, neue kom­men nur spär­lich nach. Die «Deutsch­schwei­zer Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz» DOK sieht eine Lösung in einer wei­te­ren (ver­kürz­ten) Aus­bil­dung zur Seel­sor­ge­rin resp. zum Seelsorger.

In ihrer Sitzung vom 19. November gab die «Deutschschweizer Ordinarienkonferenz» DOK den Startschuss für die Umsetzung eines neuen dualen Ausbildungsmodells für Seelsorgerinnen und Seelsorger; dieses soll Studium und Praxis miteinander verbinden. Somit werden in der Schweiz bald drei offizielle Ausbildungswege für Seelsorger existieren: Das akademische Studium mit einen Masterabschluss, das «Bischöfliche Studienprogramm» und neu der «Kirchliche Studiengang Seelsorge». Die DOK gebe damit grünes Licht für ein Vorhaben, das bereits länger durch den «Bildungsrat der katholischen Kirche in der Deutschschweiz» zusammen mit Projekt- und Arbeitsgruppen aus Universitäten, Ausbildungsstätten und diözesanen Personalabteilungen vorbereitet wurde, so das Communiqué der DOK.

Mit diesem neuen Ausbildungsweg soll darauf reagiert werden, dass Menschen an einer Ausbildung zum Seelsorger interessiert sind, aber bereits im Berufs- und Familienleben stehen, weshalb der Standardweg über das akademische Vollstudium nicht möglich sei.

Nivellierung nach unten
Das «Bischöfliche Studienprogramm» gibt es in den Bistümern Basel und Chur schon länger. Die ursprüngliche Bezeichnung «Bischöfliches Sonderprogramm» wurde geändert, nachdem sich Menschen daran gestossen haben – Sonderprogramm erinnere zu stark an Sonderschule.

Voraussetzungen für das «Bischöfliche Studienprogramm» sind eine Erstausbildung und mehrjährige Erfahrung in einem Beruf sowie ein «theologisches Grundstudium» – entweder durch ein Diplom am «Religionspädagogischen Institut RPI» und Berufserfahrung oder durch den «Studiengang Theologie TBI» (STh) und abgeschlossene ForModula-Ausbildung mit entsprechender Praxis-Erfahrung. In Luzern wird das Studienprogramm in Absprache mit dem Studienleiter und den Verantwortlichen der Bistümer individuell auf die Bewerber abgestimmt und führt zum «Bischöflichen Diplom».

Im Bistum Chur wird als «theologisches Grundstudium» der «Studiengang Theologie» und eine katechetische Ausbildung ForModula oder eine «äquivalente Vorbildung» vorausgesetzt. Das Studium dauert in der Regel 4 bis 8 Semester und verlangt 120 Credit Points. Abgeschlossen wird mit dem «Bischöflichen Zertifikat».

«swiss-cath.ch» hat bereits darauf hingewiesen, dass durch das «Bischöfliche Studienprogramm» eine Nivellierung nach unten stattfand. Im Normalfall wird für die Anstellung als «Seelsorger» ein Vollstudium in Theologie mit Masterabschluss verlangt; dieses umfasst insgesamt 300 Credit Points. Absolventen eines (ebenfalls fünfjährigen) Hauptstudiums in Theologie mit 200 resp. 210 Credit Points werden nicht zum kirchlichen Dienst als Seelsorgerin resp. Seelsorger zugelassen, Absolventen des «Bischöflichen Studienprogramms» mit lediglich 120 Credit Points hingegen schon. Selbstverständlich bringen Letztere durch die Ausbildung am «Religionspädagogischen Institut RPI» und in geringerem Mass durch den Besuch des STh Wissen mit, doch sind diese keine äquivalente Ausbildungen zu einem Theologiestudium.

Jekami-Ausbildung?
Ab 2026 soll jetzt noch der «Kirchliche Studiengang Seelsorge» dazu kommen. Auf der seit dem 1. Dezember 2024 aufgeschalteten Webseite finden sich alle bisher bekannten Details zur Ausbildung.

Der «Kirchliche Studiengang Seelsorge» setzt ebenfalls entweder die Ausbildung am «Religionspädagogischen Institut RPI» voraus oder den Besuch des STh – der passenderweise 2026 von vier auf drei Jahre verkürzt wird – wohl auf Kosten des Inhalts.
Danach erfolgt eine «Anstellung als «Seelsorger:in in Ausbildung» & Vertiefungsstudium an einer Theologischen Fakultät». Diese zweite Phase dauert für Absolventen des «Religionspädagogischen Institut RPI» zwei Jahre, für Absolventen des STh drei Jahre.[1]
«Nach dem erfolgreichen Abschluss des STh oder des RPI und nach einem Standortgespräch mit den Verantwortlichen Ihres Bistums (Regentien) werden Sie als «Seelsorger:in in Ausbildung» mit einem Teilpensum (max. 50 %) angestellt. Ihre praktische Ausbildung wird durch speziell ausgebildete Personen begleitet, die durch ihre Expertise eine hohe fachliche Qualität sicherstellen», so die Webseite. Und weiter: Parallel «vertiefen Sie Ihre theologischen Kompetenzen» an einer der drei Theologischen Fakultäten in der Deutschschweiz: Chur, Fribourg oder Luzern.

Das sieht auf den ersten Blick nach einem durchdachten System aus, doch schaut man genauer hin, kommen Fragen: Woher nimmt man diese «speziell ausgebildeten Personen, die durch ihre Expertise eine hohe fachliche Qualität sicherstellen»? Im Communiqué der DOK heisst es dazu: «Für interessierte Ausbildner:innen steht ab Juni 2025 eine entsprechende Weiterbildung zur Verfügung, die sie dabei unterstützt, ihre Aufgabe kompetent und qualifiziert wahrzunehmen.» Vermutlich werden diese ebenfalls in einem Schnellkurs zu Experten ausgebildet, denn welcher Priester oder kirchliche Mitarbeiter hat neben seiner Arbeit noch Zeit, eine solche fundierte Zusatz-Ausbildung zu absolvieren? Und wie soll diese Begleitung konkret aussehen, wenn alle im Team mit ihrer normalen Arbeit ausgelastet sind?
Der Generalvikar des Bistums Basel, Markus Thürig, schreibt in der aktuellen Ausgabe der «Schweizerischen Kirchenzeitung» SKZ (22/2024) über die Situation in den Pfarreien: «Zu viele Personen im kirchlichen Dienst erkranken aufgrund von Überforderung und Dauerstress, von ewigen Streitereien und Machtgehabe innerhalb der Teams oder im Verhältnis zur Anstellungsbehörde oder zu pastoralen Vorgesetzten.»

Wie die theologischen Kompetenzen «vertieft» werden, wird ebenfalls nicht klar. Wie viele Credit Points muss man erlangen? Und wie wollen «Quereinsteiger» den Anschluss finden, wenn ihnen die nötige akademische Grundbildung fehlt?

Auf der Webseite heisst es unter «Voraussetzungen & Anerkennungen von Bildungsqualifikationen»: «Bitte wenden Sie sich für eine Beratung an uns. Gemeinsam mit Ihnen entwickeln wir einen für Sie stimmigen Ausbildungsplan, der Ihre Bedürfnisse und Ihre berufliche sowie familiäre Situation berücksichtigt.»
Es geht also nicht um eine festgelegte Ausbildung, die zu den geforderten Qualifikationen führt, sondern um eine Art «Jekami» (Jeder kann mitmachen). Wer in der (Aus-)Bildung tätig ist, kennt die vielen Ausnahmen, die immer wieder gemacht werden, weil jemand aus familiären oder beruflichen Gründen nicht in der Lage ist, die erforderlichen Aufgaben zu erledigen oder Veranstaltungen zu besuchen. Und wie sieht es dann in der Pfarrei aus? Wie sollen dort die Bedürfnisse und die berufliche sowie familiäre Situation der Absolventen berücksichtigt werden? Auf Kosten der alleinstehenden Mitarbeiter?

Es stellt sich weiter die Frage, was geschieht, wenn solche «Seelsorger:innen in Ausbildung» den «Kirchlichen Studiengang Seelsorge» abbrechen. Hier besteht der begründete Verdacht, dass sie –wenn die Pfarrei mit ihnen zufrieden ist oder nichts besseres findet – weiter in der Pfarrei werden arbeiten können, wenn auch nicht unter der Bezeichnung «Seelsorger».

Lieber engagierte Pfarreiangehörige statt schlecht ausgebildetes Personal
Gerade in der heutigen Zeit, wo selbst das rudimentäre Glaubenswissen immer mehr verdunstet und sich zum Teil nicht einmal mehr Bischöfe getrauen, sich klar zur Lehre der Kirche zu bekennen, sind Seelsorgerinnen und Seelsorger gefragt, die kompetent Auskunft geben können. Dies erfordert ein solides akademisches Theologiestudium.
Die Theologische Fakultät Luzern zum Beispiel bietet schon länger die Möglichkeit eines «Flex-Studiums» für jene, die aus familiären Gründen flexibel, berufsbegleitend sowie zeit- und ortsunabhängig studieren möchten.

Der Einführungstext zum «Kirchlichen Studiengang Seelsorge» auf der Webseite lässt vermuten, dass das Ziel der Ausbildung nicht darin bestehen soll, kompetente Seelsorger auszubilden.

«Das attraktive Berufsfeld «Seelsorger:in» mit vielfältigen Aufgabenbereichen und Entwicklungsmöglichkeiten braucht Menschen, die ‹mitten im Leben stehen›: Sie begleiten Menschen und Gruppen in unterschiedlichen Alltagssituationen, gestalten Liturgien und Feiern, arbeiten sowohl im Team als auch eigenverantwortlich, eröffnen Räume, um den christlichen Glauben ins Spiel kommen zu lassen, lieben die Buntheit des Lebens und können auch mit seinen Schattenseiten umgehen. Langweilig wird es mit Sicherheit nie.»

Wenn jetzt Personen angestellt werden, denen eine solide Ausbildung (auch punkto katholisches Glaubenswissen!) fehlt, wird sich die Situation nicht verbessern. Die Kirche Schweiz braucht keine neuen Ausbildungen, sondern eine Neu-Evangelisation. Alle Katholikinnen und Katholiken haben an der Firmung Charismen geschenkt erhalten, die der Kirche dienen. Es wäre wichtiger, diese Charismen zu fördern, statt immer neue Ausbildungen, Kurse und Diplome einzuführen. Der Beruf der Seelsorger oder Religionspädagoginnen ist ausserhalb der Schweiz fast nirgends bekannt, da engagierte Frauen und Männer freiwillig und mit Freude in der Kirche mitarbeiten. Die Einführung von Seelsorgern (früher Pastoralassistenten) war eine Notlösung, die – langfristig zum Schaden der Kirche – zu einer festen Institution geworden ist.
 

Zur Koordination der Anerkennung von Bildungsqualifikationen und Gleichwertigkeitsverfahren ist eine vertiefte Vorarbeit notwendig. Für diese Aufgabe und weitere operative Umsetzungsarbeiten wird für eine Einführungsphase von fünf Jahren am «Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut» TBI eine 40-Prozent-Stelle geschaffen. In dieser Zeit finanzieren die Diözesen Basel, Chur und St. Gallen diese Koordinationsstelle, anschliessend soll sie über die Studienbeiträge finanziert werden.

 


[1]Absolventen des STh können ihr erstes Jahr an einer der drei Theologischen Fakultäten auch ohne parallele Anstellung besuchen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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Bemerkungen :

  • Dominik Thali 13.12.2024 um 13:41
    «Die Kirche Schweiz braucht (...) eine Neu-Evangelisation»: Und mit welchem Personal bitteschön?
  • user
    Stefan Fleischer 06.12.2024 um 18:53
    Aus meiner Sicht ist ein Theologe und ein Seelsorger nicht dasselbe. Der Seelsorger muss auch Theologe sein. Das gehört zu den Werkzeugen seines Berufs. Der Theologe kann seinen Beruf ausführen, auch ohne eine seelsorgerliche Ausbildung und Erfahrung. Die grundlegende Sorge des Seelsorgers muss das ewige Heil de ihm anvertrauten unsterblichen Seelen sein. Die Sorge des Theologen sind Erfolge im wissenschaftlichen Bereich. Der Seelsorger ist der Praktiker, der Theologe der Theoretiker.
    So gesehen ist es verständlich, dass heute in der Pastoral theologisch gründlich und allumfassend ausgebildete Mitarbeiter nicht besonders erwünscht sind. Sie stören nur jene Seelsorger, die es mit der Lehre und den Vorschriften der Kirche nicht so genau nehmen, die ihr eigener Papst sein wollen. Wahre Seelsorge aber ist nicht möglich, wenn man dem irdischen Heil des Menschen die Priorität vor seinem ewigen gibt. Ich würde so etwas nicht Seelsorge nennen.
  • user
    Max Ammann 06.12.2024 um 14:42
    "Die Einführung von Seelsorgern (früher Pastoralassistenten) war eine Notlösung, die – langfristig zum Schaden der Kirche – zu einer festen Institution geworden ist."

    Im Grundsatz kann ich mit dem Artikel, wo ich in der Sache genug Eigenwissen mitbringe, mitgehen. Aber diese Bemerkung zum Ende halte ich in dieser allgemeinen Formulierung für falsch. Schlecht ausgebildete Seelsorger sind ein Problem, keine Frage. Aber Laienseelsorger, die eine gleichwertige Ausbildung wie ein Kleriker erhielten, sind definitiv nicht per se "langfristig zum Schaden der Kirche". Es ist eine Stärke und Chance der hiesigen Kirche, bei der es sonst an Schwächen nicht mangelt, dass sie die finanziellen Ressourcen hat, um Laienseelsorger möglich zu machen. In anderen Regionen der Kirche ist dies finanziell schlicht nicht möglich - deswegen (!) wird es auch nicht gemacht. Meine Erfahrung zeigt aber, dass man z.B. in Südamerika ungemein positiv auf theologisch gebildete Laien reagiert, die respektvoll aber auf Augenhöhe mit Klerikern sprechen können und sich für die Kirche in den Dienst nehmen lassen. Eine Messe oder Beichte will man von diesen zurecht nicht, aber in Katechese, Erwachsenenbildung, Diakonie, Seelsorge usw. sind sie willkommen.

    Ich bin der festen Überzeugung, dass theologisch gut geschulte und ausgebildete Laienseelsorger sinnvoll und mehr sind als blosse Lückenbüsser für nicht vorhandene Priester - auch wenn dies der historische Grund ihrer Einführung gewesen sein mag. Man kann sie weder gleich- noch ersetzen mit freiwillig mitarbeitenden Laien - die in der Regel keine theologischen und seelsorgerlichen Fachkompetenzen mitbringen. Die Gegenüberstellung - wie im Artikel gemacht - ist unsinnig; man vergleicht Äpfel mit Birnen.

    Natürlich gilt auch für Laienseelsorger, was für alle Mitarbeiter im kirchlichen Dienst gilt: Sie müssen glaubwürdige Zeugen des katholischen Glaubens sein. Das ist auch bei Klerikern nicht automatisch gegeben - jeder kennt seine Beispiele. Weiter macht es natürlich keinen Sinn, wenn man Laienseelsorger "klerikalisiert" - sei es in Richtung Priester oder in Richtung Diakon; leider finden sich aber solche negativen Beispiele. Laienseelsorger haben ein eigenständiges Profil und einen anders gestalteten Aufgabenbereich, der jenen der Kleriker ergänzt und unterstützt. Hier müsste unideologisch in Gedanke und Praxis weitergearbeitet werden, um Profile und Abgrenzungsstreitigkeiten zu klären. Das ist noch viel zu wenig geschehen.
    • user
      Daniel Ric 14.12.2024 um 08:52
      Ich danke Ihnen für diese Wortmeldung. Ich glaube auch, dass es sehr gute Laientheologen gibt, die ihr Bestes geben und deren Arbeit gute Früchte zeitigt. Das Problem liegt einfach darin, dass es in der Deutschschweiz verpasst wurde, den Laienseelsorger ein klares Profil zu geben. Bis heute sieht man in ihm oder ihr einen Ersatz für den Priester. Das ist falsch und schadet der Laienberufung sowie der Priesterberufung.