Seit dem vergangenen Oktober pilgert im Tessin eine besondere Holztafel von einer Kirche zur anderen und macht auch in Instituten oder Altersheimen Halt, um die Menschen zum Gebet zu versammeln. Es handelt sich um die «Mater Spei Confraternitatum» (Mutter der Hoffnung der Bruderschaften), eine thronende Muttergottes, flankiert von vier Heiligen aus den Schweizer Sprachregionen. Am vergangenen 7. Oktober segnete der Apostolische Administrator Alain de Raemy das Bildnis anlässlich des internationalen Rosenkranzfestes (Rosary Day) in der Kathedrale von Lugano ein. Sie hat bereits 40 Stationen hinter sich und war beispielsweise auch am Jubiläum der Pflegekräfte in Lugano präsent, wurde bereits zweimal kopiert und wird im ganzen Jubeljahr in der Diözese unterwegs sein. Mitte Mai wollen die Tessiner ihre «Mater Spei Confraternitatum» für das Weltjubiläum der Bruderschaften eigentlich auch nach Rom tragen, wobei man nun die Ereignisse rund um die Papstwahl abwarten muss.
Die Initiative der «Mater Spei Confraternitatum» stammt von der «Vereinigung der Bruderschaften im Bistum Lugano» (UCDL), die auch Mitglied des paneuropäischen Forums der Bruderschaften ist.
Bruderschaften sind kirchlich anerkannte Vereinigungen von Männern und Frauen zur Pflege des Glaubenslebens und für karikative Werke, aber auch zur Förderung des sozialen Zusammenhalts. Heute existieren im Tessin an die 70 von ihnen, wie der Historiker und Spezialist für Bruderschaften in der italienischen Schweiz sowie Vorstandsmitglied der UCDL und Mitarbeiter des paneuropäischen Forums der Bruderschaften, Davide Adamoli, gegenüber «swiss.cath.ch» erklärt. Er selbst ist Mitglied der Bruderschaften «Santissimo Sacramento» von Biasca und «San Rocco» von Lugano.
Im Tessin sind Bruderschaften seit dem Spätmittelalter dokumentiert. Früher waren sie streng nach Geschlechtern getrennt, heute hingegen sind die meisten gemischt. Ihre Gewänder orientieren sich im Südkanton an der Tradition der Mittelmeerländer, erläutert Adamoli. Nach seinem Wissen existieren in der restlichen Schweiz etwa weitere hundert aktive Bruderschaften.
Madonna del Sasso
Für das Gemälde «Mater Spei Confrateritatum» beauftragte die UCDL den jungen Künstler Carmelo Ciaramitaro. Er liess sich dabei von der Madonna del Sasso von Locarno inspirieren.
Sie ist die Schutzpatronin des Tessins und thront seit dem Spätmittelalter in ihrem Heiligtum hoch über der Stadt. Die Madonna del Sasso ist nicht nur das Ziel zahlreicher Wallfahrten, sondern sie hat früher auch selbst ihre Kirche verlassen und wurde reich mit Blumen geschmückt feierlich durch den ganzen Kanton getragen. Ihre letzte grosse Wallfahrt durch die Strassen des Tessins fand vor 76 Jahren im Frühjahr 1949 statt; bis 2013 gab es noch einige Wallfahrten im kleineren Rahmen. Im aktuellen Heiligen Jahr lassen die Bruderschaften diese Tradition indirekt wieder aufleben, indem sie das von Carmelo Ciaramitaro gemalte Abbild in viele Kirchen der Diözese bringen wollen.
Weil dieses Abbild aber nicht nur an sein Vorbild, die beliebte Tessiner Madonna, erinnern, sondern die ganze Schweiz einbeziehen soll, haben die Bruderschaften auch vier betende Heilige malen lassen, welche die vier Sprach- und Kulturregionen der Eidgenossenschaft repräsentieren: der Obwaldner Schutzpatron der Schweiz, Bruder Klaus (1417–1487), für die deutsche Schweiz, der Benediktinermönch und Gründer der Abtei von Disentis, Sigisbert (8. Jahrhundert), für die rätoromanische Schweiz, die Schneiderin heilige Marguerite Bays (1915–1879) aus dem Kanton Fribourg für das Welschland sowie der «venerabile» (ehrwürdige) Aurelio Bacciarini (1873–1935), Apostolischer Administrator des Bistums Lugano, für die italienischsprachige Schweiz. Bacciarini hatte in seiner Amtszeit viel für das Aufblühen katholischer Vereine und Gewerkschaften getan und die katholische Tageszeitung «Giornale del Popolo» gegründet, die bis 2018 existierte.
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