Bild: Ministerio de Cultura de la Nación Argentina/Wikimedia

Weltkirche

«Mut­ter der Plaza de Mayo» gestorben

Hebe de Bona­fini galt als pro­mi­nen­tes­tes Gesicht der «Müt­ter der Plaza de Mayo». Am Sonn­tag ist die Ikone der Men­schen­rechte mit 93 Jah­ren gestorben.

Ihren letzten Kampf konnte Hebe de Bonafini nicht mehr gewinnen: Am Sonntagmorgen erlag die Gründerin der «Mütter der Plaza de Mayo» im Alter von 93 Jahren einer Krankheit.

Präsident Alberto Fernandez ordnete daraufhin eine dreitägige Staatstrauer an: Argentinien habe eine «unermüdliche Kämpferin für Menschenrechte» verloren, die sich für die Wahrheit und Gerechtigkeit eingesetzt habe. Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die selbst das Land von 2007 bis 2015 als Nachfolgerin ihres Mannes Nestor als Präsidentin regierte, veröffentlichte in Sozialen Medien Bilder von gemeinsamen Treffen.

Sie forderte Gerechtigkeit für die Opfer der Militärdiktatur
Hebe de Bonafini steht wie wohl kaum eine andere Persönlichkeit in Argentinien für den zivilen Widerstand gegen die brutale rechte Militärdiktatur (1976-1983) in dem südamerikanischen Land, der Zehntausende zum Opfer fielen. Besonders grausam war die Praxis, Regimegegner tot oder lebendig aus Flugzeugen über dem Rio de la Plata abzuwerfen. Nach Angaben der Familie Bonafini schlossen sich ihre Söhne in den 70er-Jahren der linken Studentenbewegung an und gerieten nach dem Armeeputsch 1976 als Regierungskritiker in den Raster der Generäle. Den Erkenntnissen zufolge wurde der älteste Sohn auf einer Polizeiwache gefoltert und ermordet. Den jüngeren Sohn liessen die Wächter im berüchtigten Geheimgefängnis «La Cacha» verhungern und verdursten. Die Schwiegertochter wurde erschossen.

Gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen begann Hebe de Bonafini während der Militärdiktatur immer donnerstags auf dem Platz der Mai-Revolution zu demonstrieren, um auf das Schicksal der Tausenden von Vermissten hinzuweisen. Das machte sie zu einer nationalen und international anerkannten Menschenrechtlerin, die sich später stark für die Politik von Cristina und Nestor Kirchner einsetzte.

Néstor Kirchner (1950–2010) und seine Frau Cristina Fernández de Kirchner verfolgten eine Politik, die als «Kirchnerismo» bezeichnet wird. Innenpolitisch arbeitete er mit linken sozialen und politischen Bewegungen zusammen, aber auch mit Menschrechtsgruppen wie den «Madres de Plaza Mayo». Aussenpolitisch steht der «Kirchnerismo» internationalen und aus seiner Sicht imperialistischen Organisationen und Abkommen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF und dem Amerikanischen Freihandelsabkommen (FTAA) kritisch gegenüber. Der «Kirchnerismo» setzte sich zudem für die Strafverfolgung von Verbrechen während der Militärdiktatur ein, aber auch für die LGBT-Lobby. Die personenbezogene und populistische Ausrichtung förderte ein System aus Klientelismus und Vetternwirtschaft. Davon zeugen die zahlreichen Korruptionsskandale, in die der «Kirchnerismo» involviert war.

Hebe de Bonafini hatte direkten Zugang zu den Spitzen der peronistischen Politik, traf sich mit sozialistischen Grössen Lateinamerikas wie Kubas Revolutionsführer Fidel Castro oder Venezuelas Präsident Hugo Chavez, was ihr Kritik der dort unterdrückten Opposition einbrachte. Aufgrund ihrer Nähe zur Regierung sowie der finanziellen Unterstützung durch die Peronisten kamen allerdings auch immer wieder einmal Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Korruption auf.

Gefeiert, aber auch umstritten
Bonafnis Markenzeichen war das Kopftuch, heute in Buenos Aires allgegenwärtiges Erkennungssymbol der Organisation. Wo Hebe de Bonafini in den letzten Jahren auch erschien, zuletzt meist im Rollstuhl, erhoben sich die Menschen von ihren Plätzen oder spendeten lauten Beifall.

Doch es gab auch Schattenseiten: So sorgte Bonafini für Aufsehen, als sie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 den Anschlag als gerechtfertigte Rache verteidigte. Sie war auch Sympathisantin der baskischen Untergrundorganisation ETA und der kolumbianischen Guerilla FARC. Unter Bezugnahme auf Papst Johannes Paul II. verstieg sie sich zur Behauptung, dass er aufgrund seiner Sünden in die Hölle komme. Bonafini wurde 2016 wegen Unregelmässigkeiten bei der Finanzierung des Baus von Sozialwohnungen durch ein Programm der «Madres de Plaza de Mayo» angeklagt. Bei einem der wöchentlichen Proteste auf der Plaza de Mayo stellten sich zehntausende Anhänger vor Bonafini, woraufhin ein Haftbefehl gegen sie fallengelassen wurde.

Bonafini stand dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires nach dessen Wahl zum Kirchenoberhaupt 2013 zunächst kritisch gegenüber; Jorge Mario Bergoglio habe während der argentinischen Militärdiktatur eine zu grosse Nähe zu den damaligen Machthabern gehabt – so schrieb es zumindest die Tageszeitung «Pagina 12» über den Papst, die als Sprachrohr der Kirchners gilt.

Als Reaktion darauf gelangten immer mehr Diktatur-Opfer aus der dunklen argentinischen Epoche an die Öffentlichkeit und erzählten ihre Version der Geschichte. Sie lobten den Papst für dessen stille Unterstützung und wertvolle Hilfe während der damaligen Zeit. Vor allem der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel rückte öffentlich das Bild der Bergoglio-Kritiker zurecht. Das zeigte Wirkung: Auch Hebe de Bonafini ruderte zurück. «Ich kannte Ihre pastorale Arbeit nicht», schrieb Bonafini in einem Offenen Brief an Papst Franziskus.

Erst im Mai würdigte Papst Franziskus den Einsatz der «Mütter der Plaza de Mayo» für die Menschenrechte. In einem Schreiben an Hebe de Bonafini aus Anlass des 45. Jahrestages des ersten Protestmarsches bezeichnete Franziskus ihre Organisation als die «Mütter der Erinnerung».


KNA/Redaktion


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