Ziel dieser gemeinsamen Plattform ist es, kirchliche Perspektiven frühzeitig in gesundheitspolitische Strategien einzubringen und die Zusammenarbeit zwischen Kirchen, staatlichen Behörden und Institutionen zu fördern. «Unsere Seelsorge verdient auch eine starke nationale Vertretung. Mit der Koordinationsstelle schaffen wir eine gemeinsame Stimme, um die Anliegen der Kirchen im Gesundheitswesen auf nationaler Ebene wirksam einzubringen», ergänzt Bischof Markus Büchel. Im Fokus stehen gemäss Medienmitteilung die Themen «Demenz, Palliativversorgung, Spiritual Care und Datenschutz».
Roland Loos, Präsident der «Römisch-Katholischen Zentralkonferenz» (RKZ), betont die ökumenische Ausrichtung dieser in der Rechtsform der einfachen Gesellschaft gegründeten Plattform: «Die Gründung der nationalen Koordinationsstelle ist ein starkes Zeichen für die Kraft der ökumenischen Zusammenarbeit. Gemeinsam können wir die Präsenz der kirchlichen Seelsorge stärken.»
Zweifel an diesen hehren Absichten sind angebracht. Da wären als erstes die aufgelisteten Stichworte unter die Lupe zu nehmen. Grundsätzlich sind die Kantone für das Gesundheitswesen zuständig. Dies gilt insbesondere für Spiritual Care und den Datenschutz. Diesbezügliche Kompetenzen des Bundes und demzufolge auf nationaler Ebene sind kaum auszumachen. Kantons- und Universitätsspitäler unterstehen den jeweiligen kantonalen Datenschutzregelungen. Auch für die Spiritual Care sind die Kantone im Rahmen der Sicherstellung der Seelsorge in den Einrichtungen des Gesundheitswesens zuständig. Bleibt noch als mögliches Betätigungsfeld die Armeeseelsorge. Dass dort diesbezüglicher Handlungsbedarf besteht, lässt sich gerade unter der Ägide der für das Militär zuständigen Bundesrätin Viola Amherd schwerlich behaupten.
Wo bleibt die Sterbehilfe?
Vor allem aber: Ausgerechnet jene Thematik, für deren Regelung der Bund zuständig ist, fehlt in diesem Stichworte-Potpourri: die Sterbehilfe. Dabei steht die Art und Weise der hierzulande praktizierten Sterbehilfe seit Jahrzehnten im Fokus oft heftig geführter gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen, die förmlich nach einer Regelung auf nationaler Ebene rufen. Es ist gewiss kein Zufall, dass just die Schweiz als Testlabor der neuesten Variante, als buchstäblicher dernier cri menschenverachtender Suizidhilfe-Praktiken auserkoren wurde, gilt die Schweiz doch als eines der Länder mit den weltweit liberalsten Suizidhilfe-Regelungen.
Medial perfekt inszeniert stellte der australische Arzt Philip Nitschke am 17.<Juli 2024 die von ihm konstruierte Suizidkapsel «Sarco» der Öffentlichkeit vor. Das Besondere an dieser Form der Selbsttötung: Die suizidwillige Person setzt sich in eine Kapsel, die mit ihrem windschnittigen Design wie gemacht scheint für den Abschuss ins Jenseits, nimmt aber nicht das handelsübliche, todbringende Medikament Natrium-Pentobarbital zu sich, sondern füllt per Knopfdruck den ganzen Behälter mit Stickstoff.
Am 23.<September 2024 schritt Arzt Nitschke zur Tat. In einem Waldstück der Schaffhauser Gemeinde Merishausen nahm sich eine 64-jährige Amerikanerin in einer solchen Suizidkapsel das Leben. Dies, obwohl die Staatsanwaltschaft Schaffhausen ein vorsorgliches Verbot erlassen hatte. Seither laufen mehrere Strafverfahren gegen die Beteiligten.
Dignitas-Gründer Ludwig Minelli will die Gunst der Stunde nutzen und fordert in der NZZ vom 12. Dezember 2024 die Legalisierung der bislang verbotenen Tötung auf Verlangen: «Die aktive Sterbehilfe ist das letzte Puzzlestück, das uns noch fehlt für die wahre Selbstbestimmung.» Dieser auf die Spitze getriebenen «Kultur des Todes» gilt es entschieden entgegenzutreten. Es wäre dies ein ideales Tätigkeitsfeld für die neu gegründete nationale ökumenische Koordinationsstelle «Seelsorge im Gesundheitswesen». Sie könnte dabei auf prominente Unterstützung zählen. So nimmt Yvonne Gilli, Präsidentin der Ärztevereinigung FMH, dezidiert gegen die aktive Sterbehilfe Stellung, weil damit insbesondere Demenz generell als menschenunwürdiges Leben stigmatisiert wird (NZZ ibid.).
Zweifel, dass sich die Koordinationsstelle in diesem Sinne für den Schutz des Lebens einsetzen wird, sind angebracht. Schliesslich ist die Gründungsgeschichte der hiesigen Suizidassistenz im Protestantismus zu verorten. Sie lassen sich aber auch an der Person von Rita Famos festmachen, welche in ihrer Eigenschaft als Präsidentin und Vertreterin der «Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz» diesen Kooperationsvertrag unterzeichnet hat. Vor ihrem Amtsantritt war sie unter anderem für die reformierte Spitalseelsorge im Kanton Zürich zuständig. Am Karfreitag, den 19. April 2019, war sie «Gast am Mittag» von Radio SRF und musste sich der Gretchenfrage stellen: «Hilft Beten gegen Krankheit?». Ein Dilemma: Nimmt sie das Evangelium ernst, muss sie die Frage bejahen. Dann riskiert sie allerdings, als vormodern, als unwissenschaftlich taxiert zu werden. Rita Famos entschied sich für Aufklärung und Wissenschaft: «Nein, dies ist eine Engführung.»
Verflachung programmiert
Pater Roland-Bernhard Trauffer, langjähriger Generalsekretär der Schweizer Bischofskonferenz, stellte schon vor Jahren fest, dass auch gut gemeinte Ökumene oft zu einer Verflachung führt. Angesagt ist jeweils der kleinste gemeinsame Nenner, was bedeutet, dass spezifisch katholische Glaubensinhalte zumeist ausgeblendet werden. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei dieser nationalen Koordinationsstelle der Fall sein. Rita Famos merkte im Rahmen der Vorstellung der neuen Koordinationsstelle an: «Die Vielfalt kantonaler und konfessioneller Zuständigkeiten ist eine grosse Stärke, die es uns ermöglicht, innovative und tragfähige Lösungen zu entwickeln.» Weshalb es dazu ein neues nationales Gremium braucht, bleibt schleierhaft. Diese Aussage legt den Verdacht nahe, dass das neue Gremium kantonale und konfessionelle Zuständigkeiten gerade nicht respektieren wird und vielmehr zu usurpieren gedenkt, ansonsten bräuchte es dieses nationale Gremium gar nicht. Für die katholische Spitalseelsorge beispielsweise stellt sich die Frage, welcher Stellenwert inskünftig Krankensalbungen, Eucharistiefeiern und Beichtgesprächen angesichts dieses potentiell übergriffigen Szenarios noch zukommen soll.
«swiss-cath.ch» hat sich an die Bischofskonferenz gewandt, um Einsicht in den ganzen Vertragstext nehmen zu können. Dieser bleibt unter Verschluss, beschied deren Generalsekretär Davide Pesenti. Die in der offiziellen Medienmitteilung genannten Angaben müssten genügen. Was haben die Schweizer Bischofskonferenz, die «Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz» und die «Römisch-Katholische Zentralkonferenz» zu verbergen? Diese Geheimniskrämerei passt jedenfalls wie die Faust aufs Auge auf die viel beschworene Transparenz als angebliches Gütesiegel der geradezu zum Dogma erhobenen «Synodalität».
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Wenn man Christus nicht mehr haben will, kann man auch die Zelte abbrechen.