Kirchenoffizielle Portale verbreiteten noch gleichentags die Nachricht weiter, um der Umfrage der Bistumsleitung flächendeckend die nötige Resonanz zu verschaffen (kath.ch: «Wie soll ein zukünftiger Weihbischof fürs Bistum Chur aussehen?»; Medienstelle der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich: «Der Bischof befragt die Kirchenbasis – braucht das Bistum einen Weihbischof?»). Doch just diese Kirchenbasis reagierte mit ausgesprochener Zurückhaltung auf die bischöfliche Einladung. Die Kommunikationsbeauftragte des Bistums Chur, Nicole Büchel, sah sich deshalb veranlasst, dem renitenten Kirchenvolk auf die Sprünge zu helfen. Unter dem Titel «Umfrage zum Weihbischof ausgefüllt?» erhob sie den Mahnfinger: «Wer jetzt diese Chance, sich zu äussern, nicht nutzt, verpasst seine Gelegenheit.» Um gleich mit einer Realsatire der Extraklasse nachzudoppeln: «Sollte die Homepage kurzfristig nicht erreichbar sein, keine Sorge. Der Ansturm hat das letzte Mal die Technik überfordert und die Seite zum Absturz gebracht. Etwas Geduld und nach ein paar Minuten läuft alles wieder.»
Unterirdische Rücklaufquote
Am 27. Juni 2025 verkündete das Bistum Chur das Resultat der Umfrage: «Eindeutiges Ergebnis: Kirchenvolk wünscht Weihbischof.» Wenig überraschend. Überraschender hingegen die faustdicke Übertreibung «Kirchenvolk wünscht Weihbischof», hatten doch nur 346 Personen an der Umfrage teilgenommen. Ein findiger Zeitgenosse hat ausgerechnet: Das sind gerade einmal (0,069) Prozent der im Bistum wohnenden, erwachsenen Gläubigen – noch weniger als beim weltweiten synodalen Prozess, an welchem 0,27 Prozent teilnahmen.
Wie der Medienmittteilung weiter zu entnehmen war, votierten 84 Prozent der 346 Teilnehmenden für einen oder zwei Weihbischöfe. Weiter hiess es darin: «Bischof Bonnemain gelangt nun mit der formalen Bitte an die zuständigen Instanzen im Vatikan, die Situation und das Bedürfnis eines oder mehrerer Weihbischöfe selber zu beurteilen. Sofern die Beurteilung des Dikasteriums für die Bischöfe zum selben Schluss kommt, wird Bischof Bonnemain ein Dossier möglicher Kandidaten einreichen…Endgültig wird darüber Papst Leo XIV. entscheiden.»
Man braucht nicht mit einer besonderen prophetischen Gabe gesegnet zu sein, um schon jetzt feststellen zu können, dass Rom dem Gesuch einer Ernennung eines Weihbischofs stattgeben wird. Das Bedürfnis ist in der Tat mehr als ausgewiesen. Das Bistum Chur zählt gesamthaft rund 502’272 Gläubige ab 15 Jahren (SPI:2023), ist dreisprachig, zeichnet sich durch eine Vielfalt an Kulturen und sozialer Milieus aus. Entsprechend anspruchsvoll ist das Amt des Bischofs. An sich kein neuer Befund: Schon in der Vergangenheit entlasteten Weihbischöfe den jeweiligen Bischof. Erwähnt seien Peter Henrici, Paul Vollmar und Marian Eleganti.
Mission impossible
Doch nun zur Gretchenfrage: Über welches Profil, über welche Eigenschaften soll ein Weihbischof verfügen? Vertieft man sich in den in der Medienmitteilung des Bistums Chur vom 27. Juni 2025 aufgelisteten Wunsch- und Anforderungs-Katalog, wird einem mit zunehmender Lesedauer immer schwindliger. Der zukünftige Weihbischof soll «authentisch und nahbar, achtsam und hörend» sein, «verbunden mit der Weltkirche, offen für Neues, hoffnungsvoll und mutig.» Darüber hinaus soll er sich als Pfarreiseelsorger bewährt haben, über ein offenes Herz und Ohr für die verschiedenen Bedürfnisse der Gläubigen verfügen, ein Mann der Mitte, ein Brückenbauer sein und über einen besonders guten Draht zu den Jugendlichen verfügen.
Soweit zu den Erwartungen. Zusätzlich soll der zukünftige Weihbischof mit folgenden Primäreigenschaften ausgestattet sein, als da wären:
- Spirituell verwurzelt
- Kommunikativ
- Versöhnungsbereit
- Kritikfähig
- Integrativ
Als Sekundäreigenschaften werden gewünscht:
- Eine Persönlichkeit mit weitem Horizont
- Mehrere Sprachen sprechen
- Führungskompetenz und Teamfähigkeit
- Loyale Haltung und enge Zusammenarbeit mit dem Diözesanbischof
- Eine Ergänzung zum Diözesanbischof, damit unterschiedliche Anspruchsgruppen und Kulturen im Bistum erreicht werden können
- Nicht älter als 60 Jahre und mit viel Seelsorgeerfahrung
- Gerne unter den Menschen sein und sie gerne haben (guter Hirte), und mit ihnen ins Gespräch kommen
- Fröhlich, lebensfroh und humorvoll
- Offen für die Entwicklung und Stärkung der Rolle von Frauen in de Kirche
- Väterlicher Begleiter für die Priester
Mission impossible: Schlicht ausgeschlossen, dass ein Kandidat auch nur annäherungsweise über diese die gesamte Fülle der Gnadengaben des heiligen Geistes erfassenden Qualitätsmerkmale verfügt. Doch ein Lichtblick in diesem schier unlösbaren Dilemma tut sich unvermittelt auf: Bischof Bonnemain himself. «Ohne mich» soll seine erste Reaktion gewesen sein, als er erfuhr, zum engeren Kreis der Kandidaten für das Bischofsamt zu gehören. Als er eines Abends den Telefonanruf aus Rom erhielt, habe er eine schlaflose Nacht verbracht, denn diese Bürde könne er unmöglich schultern. «Sag ab, sag ab» habe er immer wieder zu sich gesagt, doch die Autosuggestion sollte sich − wenig überraschend − als unwirksam erweisen, denn schliesslich war sein Altruismus doch übermächtig: «Ich dachte mir, dass so viele Menschen schon so lange auf einen neuen Bischof warten und diese bei einer Absage nochmals hingehalten werden. Das kann man den Gläubigen nicht zumuten» (Tages-Anzeiger vom 10. Juli 2021).
Fazit: Nur ein Klon von Bischof Bonnemain wird die tonnenschwere Last des Amtes eines Weihbischofs schultern können – die Biogenetik wird es richten müssen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Nicht von der Hand zu weisen sind die Überlegungen, die sich Kurt Vogt macht: Soll hier am Ende ein "Klon des amtierenden Diözesanbischofs" durch die Hintertür auf den Bischofssitz von Chur gehievt werden? 1988 spien die Progressiven über dieses Vorgehen Gift und Galle, heute hätten sie vermutlich nichts dagegen.
Die heutige Form der Weihbischöfe kam nach dem Konzil von Trient um teils Missstände wie Bischöfe welche nicht Kleriker waren zu unterstützen. Heute kann man auch die Frage sich stellen ob es diese Form generell noch braucht. Denn der Weihbischof unterscheidet sich schon sehr von einem Bischof. Die Kirche ist hierarchisch und der Bischof hat eine Jurisdiktion, er leitet, während der Weihbischof das nicht kann.
CIC 1983:
„Wenn die pastoralen Erfordernisse es nahelegen, können Weihbischöfe bestellt werden; sie besitzen jedoch keine Vollmacht, die dem Diözesanbischof eigen ist.“
(Can. 403 §1)
Schon Trient betonte klar, dass Weihbischöfe nur assistieren, nicht leiten:
„Sie sollen nichts aus eigener Vollmacht unternehmen, was der Diözesanbischof selbst tun könnte.“
(Trient, Sessio XXIV, Cap. 1)
Entweder steht das Bistum Chur zu seinem Wahlrecht aus einem Dreiervorschlag oder lässt dies sein.
Viele wagen dies nicht mehr zu sagen, doch ist es klar: Ein Bischof, der am 26. Juli 77-jährig wird und gemäss Urkunde - so wird es immer gesagt - damals für 5 Jahre ernannt wurde und somit seine Amtszeit entsprechend am 19.3.2026 endet (mit 78 Jahren), um einen Weihbischof nachfragt, erhält gemäss Usus eine Co-Adjutor. - Ist dies wirklich gewollt und freiwillig das Wahlrecht aufgegeben?
Viele Seelsorgende wollen die Zeiten von 1988 bzw. 1990 nicht nochmals erleben. (Und die Umfrage wurde wie damals auch nicht für einen Co-Adjutor gemacht....)
Eine ganz andere Frage ist, die nirgends beschrieben ist: Was wäre die Aufgabe des Weihbischofs/Co-Adjutors?
Die Anzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an dieser Umfrage zeigt deutlich, dass es sich dabei um einen Verwaltungsleerlauf handelt. Einerseits hat vermutlich nicht einmal eine repräsentative Anzahl der direkt von dieser Frage betroffenen kirchlichen Amtsträger und Angestellten es für nötig gefunden, zu antworten. Die allermeisten «Normalkatholiken» interessiert das Problem logischerweise entweder gar nicht und / oder hat keine Ahnung von all den Aufgaben eines modernen Bischofs neben den Besuchen in den Gemeinden.
Das Positive an dieser Umfrage ist meines Erachtens, dass sie sehr deutlich zeigt, wie verweltlicht die Kirche heute bereits ist. Aus den Antworten zum Anforderungsprofil lässt sich ein solches für einen weltlichen Manager oder Politiker zusammenstellen, aber nicht für ein Hirtenamt der Kirche. Hier zählen andere Werte wie Glaubensgehorsam, Verantwortungsbewusstsein auch für das ewige Heil der Menschen, Frömmigkeit und eine väterliche Einstellung allen ihm anvertrauten Gläubigen gegenüber etc. Zusammenfassend könne man von einer standesgemässen Gottesbeziehung reden, und von einer Vorbildfunktion uns Gläubige alle.
Interessant dagegen wäre eine Umfrage, ob es nicht an der Zeit wäre, den Riesenaufwand an Verwaltung (Räte, Gremien, Arbeitsgruppen Projekte und Stuhlkreise etc. ) zu reduzieren und dafür die dringen nötige Neuevangelisation und das Glaubenswissen an die Hand zu nehmen.