Weltgebetstreffen in Assisi 2011. (Bild: Stephan Kölliker, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

«Nos­tra aetate»: Eine Zangengeburt

Eigent­lich woll­ten die Väter des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ledig­lich eine Erklä­rung zum Juden­tum erar­bei­ten. Doch nach Indis­kre­tio­nen und poli­ti­schen Tur­bu­len­zen kam alles ganz anders. Vor 60 Jah­ren ver­ab­schie­de­ten die Kon­zils­vä­ter die Erklä­rung «Nos­tra Aetate. Über das Ver­hält­nis der Kir­che zu den nicht­christ­li­chen Religionen».

Viele Superlative ranken sich um die Erklärung «Nostra aetate», die vor 60 Jahren vom Zweiten Vatikanischen Konzil mit 96-prozentiger Zustimmung verabschiedet und am 28. Oktober 1965 von Papst Paul VI. verkündet wurde. Euphorisch wurde sie als «Meilenstein» in den Beziehungen der Katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, als «Neuanfang», «Magna Carta», gar als «Kopernikanische Wende» gefeiert. In dem Dokument unterstrich die Kirche ihre Wertschätzung anderer Religionen und eröffnete mit ihnen Dialog und Zusammenarbeit. Schon damals hiess es nicht ohne Übertreibung, man werde das gesamte Konzil nach dieser Erklärung beurteilen.

Es ist eine der kürzesten und zugleich umstrittensten Erklärungen des Konzils; um wenige Texte wurde so hart gerungen. Das Papier enthält positive Formulierungen zu Buddhismus und Hinduismus. In erster Linie aber ruft es die Katholiken zu gegenseitigem Verständnis mit den Religionen auf, die ihnen am nächsten stehen, weil sie den alleinigen Gott anerkennen: Islam und vor allem Judentum.

Arabische Einwände
Schon im September 1960, zwei Jahre vor Beginn des Konzils, beauftragte Johannes XXIII. den deutschen Kurienkardinal und Jesuiten Augustin Bea, eine Erklärung über die inneren Beziehungen zwischen der Kirche und dem Volk Israel vorzubereiten. Eine durchaus persönliche Initiative des Papstes; allerdings mehrten sich Anfang der 60er-Jahre die Stimmen, die auf eine neue, positive Bewertung des Verhältnisses zwischen Christentum und Judentum drängten.

Durch die Indiskretion einer Journalistin, die ein vertrauliches Gespräch als Interview veröffentlichte, erfuhren die arabischen Staaten von der geplanten Judentumserklärung – und reagierten mit heftigen Interventionen. Man fürchtete, dass dies zu einer internationalen Aufwertung des Staates Israel führen könnte – von dem die Arabische Welt damals noch hoffte, er werde sich nicht halten können.

Auch unter den Konzilsvätern gab es unerwartete Opposition von Bischöfen arabischer Länder. Sie fürchteten, eine den Juden entgegenkommende Konzilserklärung werde den Christen in israelfeindlichen Staaten schaden. Und von Anfang an gab es eine kleine, aber sehr kämpferische Gruppe unter den Konzilsvätern, die theologisch ein neues Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum bzw. allgemein zu den Weltreligionen ablehnte.

Verurteilung des Antisemitismus
«Nostra aetate» betont das Verbindende mit den anderen Religionen, ohne den eigenen Wahrheitsanspruch zu schmälern. Christen, Juden und Muslime werden ermuntert, gegenseitige Missverständnisse im Dialog auszuräumen.

Das Judentum nimmt in «Nostra aetate» den grössten Raum ein. «Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche […] alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die Juden gerichtet haben», heisst es darin.

Die Konzilsväter stellten unmissverständlich fest, dass den Juden als Volk keine kollektive Schuld wegen der «Ereignisse des Leidens» Jesu angelastet werden könne. Aus der Bibel sei auch nicht zu folgern, dass die Juden von Gott «verworfen» seien. Das Konzil betont mehrfach mit biblischen Verweisen, dass die Juden «weiterhin von Gott geliebt werden», der sie mit einer «unwiderruflichen Berufung» erwählt habe.

In den Monaten nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 war von jüdischer Seite dem mittlerweile verstorbenen Papst Franziskus Parteinahme für die Palästinenser und einseitige Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung im Gaza-Krieg vorgeworfen worden. Positiv vermerkt wurde, dass Papst Leo XIV. ein paar Tage nach seiner Wahl in einer Botschaft an den römischen Oberrabbiner Riccardo Di Segni zusicherte, «den Dialog und die Zusammenarbeit der Kirche mit dem jüdischen Volk fortzusetzen und zu stärken im Geiste der Erklärung ‹Nostra aetate› des Zweiten Vatikanischen Konzils».

Holprige Geschichte mit dem Islam
Zum Islam heisst es wörtlich: «Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten.» Christen und Muslime sollten sich «aufrichtig um gegenseitiges Verstehen bemühen und gemeinsam eintreten für Schutz und Förderung von sozialer Gerechtigkeit, sittlichen Gütern sowie [...] Frieden und Freiheit für alle Menschen».

Die Muslime ehren Jesus als einen Propheten. Den Glauben an seine Göttlichkeit lehnen sie aber scharf ab. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: den Glauben an den einen Gott, die Bedeutung des Gebets oder die ethische Verantwortung des Menschen.

2001 besuchte Johannes Paul II. in Damaskus als erster Papst eine Moschee. Unter seinem Nachfolger Benedikt XVI. kühlten die Beziehungen der Kirche zur islamischen Welt ab, dies nach seiner ebenso umstrittenen wie zukunftsweisenden «Regensburger Rede», in welcher er das Gewaltpotenzial des Islams angesprochen hatte. Papst Franziskus belebte «Nostra aetate» neu. Die «Erklärung zur Geschwisterlichkeit aller Menschen», die er 2019 mit dem Grossimam der Kairoer Azhar-Universität in Abu Dhabi unterzeichnete, gilt als wichtiges Dokument des christlich-muslimischen Dialogs.

Zum Schluss ruft «Nostra aetate» unter dem Titel «Universale Brüderlichkeit» zur Achtung der Würde jedes Menschen auf. Wörtlich heisst es: «Deshalb verwirft die Kirche jede Diskriminierung eines Menschen oder jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder Farbe, seines Standes oder seiner Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht.»

Eklat an Kongress
Anlässlich des 60. Jahrestages der Erklärung «Nostra aetate» versammelten sich am Dienstagabend rund 80 führende Vertreter verschiedener Religionen in Rom. Tags zuvor war es bei einem von der Päpstlichen Universität Gregoriana organisierten Kongress zum interreligiösen Dialog zu einem Eklat zwischen einem katholischen Theologen und jüdischen Vertretern gekommen. Auslöser war ein Vortrag des in Neapel lehrenden Schweizer Jesuiten Mario Imperatori. Er hatte in seinen Ausführungen eine Parallele zwischen dem Vorgehen Israels im jüngsten Gaza-Krieg und dem Genozid an den Juden im Dritten Reich gezogen. In spontanen Reaktionen aus dem Publikum sprachen sichtlich erzürnte jüdische Teilnehmer aus Israel und den USA von einem «dunklen Moment» und einem «traurigen Tiefpunkt» für den jüdisch-christlichen Dialog. Die von der Gregoriana-Universität gestellte Kongressleitung bemühte sich, die Wogen zu glätten, und rief dazu auf, die Standards einer akademischen Debatte einzuhalten. Zugleich distanzierte sich das Präsidium von einigen Ausführungen Imperatoris.

Echter Dialog beginnt nicht mit Kompromissen, sondern mit Überzeugungen
Papst Leo XIV. stellte seine Ansprache vom gestrigen Abend anlässlich des 60. Jahrestags von «Nostra aetate» unter das Thema «Gemeinsam in der Hoffnung voranschreiten». Vor sechzig Jahren wurde ein Samenkorn der Hoffnung für den interreligiösen Dialog gesät, so der Pontifex. «Ihre heutige Anwesenheit zeugt davon, dass dieses Samenkorn zu einem mächtigen Baum herangewachsen ist, dessen weit ausladende Äste Schutz bieten und üppige Früchte der Verständigung, Freundschaft, Zusammenarbeit und des Friedens tragen». Er erinnerte daran, dass einige Menschen ihr Leben gegeben haben – «als Märtyrer für den Dialog, die sich gegen Gewalt und Hass gestellt haben». Er betonte, dass echter Dialog weder eine Taktik noch ein Werkzeug, sondern eine Lebensweise ist. Dabei müsse man stark im eigenen Glauben verankert bleiben. «Denn authentischer Dialog beginnt nicht mit Kompromissen, sondern mit Überzeugungen – mit den tiefen Wurzeln unseres eigenen Glaubens, die uns die Kraft geben, anderen in Liebe zu begegnen.»

Kriege, Konflikte und Armut erinnern daran, wie zerbrechlich die Menschheitsfamilie ist. Die Religionsführer hätten die gemeinsame Verantwortung»: «unseren Gläubigen dabei zu helfen, sich von den Fesseln der Vorurteile, der Wut und des Hasses zu befreien; ihnen dabei zu helfen, sich über Egoismus und Selbstbezogenheit zu erheben; ihnen dabei zu helfen, die Gier zu überwinden, die sowohl den menschlichen Geist als auch die Erde zerstört.» Die Religionen seien mit der grossen Mission betraut, in allen Menschen wieder den Sinn für Menschlichkeit und für das Heilige zu wecken. Papst Leo XIV. erinnerte an die Worte des heiligen Johannes Paul II. 1986 in Assisi: «Wenn die Welt weiterbesteht und Männer und Frauen in ihr überleben sollen, kann ihr das nicht ohne Gebet gelingen» und lud alle zu einem Augenblick stiller Andacht ein. «Möge der Friede auf uns herabkommen und unsere Herzen erfüllen.»

So wichtig das Treffen der Religionsführer ist und der Aufruf zu mehr Menschlichkeit und Frieden: Angesichts der zunehmenden Christenverfolgung gerade in islamischen Ländern, aber auch in Indien, stellt sich die Frage, ob ein ehrlicher Dialog mit den Religionen diese Fakten ausblenden darf.


KNA/Redaktion


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Bemerkungen :

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    Claudio 30.10.2025 um 16:07
    Wie man das Dokument auch beurteilen will, die Früchte sind klar, ein Relativismus ist in die Kirche gedrungen. Nach dem Konzil haben die Modernisten leider viele Dokument ihrer Ideologie angepasst. Das Dokument ist aber nicht VERPFLICHTEND. Erzbischof Guido Pozzo, Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, wies vor etwa einem Jahrzehnt darauf hin, dass "Nostra Aetate keine dogmatische Autorität hat, und daher kann man von niemandem verlangen, diese Erklärung als dogmatisch anzuerkennen". Im genannten Artikel der FSSP wird auf den Heiligen Thomas von Aquin verwiesen der folgendes sagte: DIE KIRCHE HAT IMMER FALSCHE LEHREN ZURÜCKGEWIESEN, ZUGLEICH ABER AUCH NACH ANKÜNPFUNGSPUNKTEN GESUCHT, ÜBER WELCHE IN KULTUREN UND RELIGIONEN EIN WEG ZU CHRISTUS FÜHREN KÖNNTE. Zita Ende. Leider sehen wir heute im Dialog mit Nicht Katholiken, wenig Mission sondern viel Relativismus. Papst Benedikt wollte dem entgegenwirken durch das Dokument DOMINUS JESUS.
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    Daniel Ric 30.10.2025 um 15:52
    Ich finde es schade, dass ein Artikel über ein solch wichtiges Dokument nicht zu sachlichen Diskussionen führt, sondern zum Schauplatz von Verschwörungstheorien wird. Unabhängig davon, wer an Nostra aetate schrieb, ist der Text zukunftsweisend gewesen und gerade in unserer Zeit, die von Krisen und Kriegen geprägt ist, wichtiger denn je.
    Eine Stelle im Artikel muss aber korrigiert bzw. ergänzt werden. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. war nicht in allererster Linie eine Kritik am Islam, sondern am Protestantismus und den Tendenzen im Katholizismus, welche Vernunft und Glaube trennen wollen. Der Glaube schliesst Gewalt aus, da Gewalt dem Wesen Gottes widerspricht. Dem Voluntarismus,, der den göttlichen Willen von der Erkenntnisfähigkeit und damit auch von der Vernunft des Menschen löst, galt die Kritik Papst Benedikts, nicht speziell dem Islam. Aus diesem Grund wurden durch diese Rede keine Brücken niedergerissen, sondern blieben so intakt, dass Papst Franziskus den christlich-islamischen Dialog intensivieren und stärken konnte.
    Und natürlich gibt es in allen Religionen und Weltanschauungen wahre Elemente, die man anerkennen kann, ohne das Christentum zu verleugnen. Wenn wir daran glauben, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist, dann wird auch jeder Mensch einen Wunsch und Drang haben, die Wahrheit zu suchen. Ihm dabei zu helfen, ohne dessen Glaubensüberzeugungen zu beleidigen, führt die Menschen mehr zu Christus als ein dogmatisches und autoritäres Auftreten.
    Als Katholiken sollten wir die Würde jedes Menschen - unabhängig von seiner Herkunft und Religion - verteidigen, dies von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Ich bin stolz, dass der Vatikan - hier sehe ich keinen grossen Unterschied zwischen Papst Franziskus und seinem Nachfolger Papst Leo - in den grossen Kriegen der letzten Jahren eine sachliche und objektive Position einnahm, die diesem Anspruch gerecht wurde.
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    Sonja 30.10.2025 um 07:58
    Die Erklärung Nostra aetate entstand unter der Leitung von Kardinal Augustin Bea. Einen wichtigen Teil des Textes schrieb Pater Gregory Baum. Später legte Baum sein Priesteramt nieder und heiratete seine Freundin Shirley Flynn, eine frühere Ordensfrau. Trotz dieser Ehe bekannte er sich offen zu seiner homosexuellen Neigung und gab zu, eine Beziehung zu einem ehemaligen Priester gehabt zu haben. Später setzte er sich öffentlich für die Rechte homosexueller Menschen ein und wurde zu einem bekannten Vertreter dieser Bewegung. Er starb 2017.
    Einer der wichtigsten Mitautoren dieses Konzilsdokuments war also jemand, der sich im Laufe seines Lebens immer weiter von der kirchlichen Lehre entfernte.
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      ser AD 30.10.2025 um 10:06
      Wenn man so mit der Wahrheit umspringt wie scheinbar vor dem Konzil schon, muss nicht verwundern, dass solche Resultate hervorkommen.

      Man kann nur sagen "pervers". 1946 konvertiert, 1947 Augustiner, 1954 Priester.

      Wo bleibt da die Prüfung? entsprechend wurde die Pflanze 20 Jahre später wieder ausgerissen.

      Persönlich betrachtet kann man das verstehen, aber es ist nicht der Sinn der katholischen Kirche. Genau so chaotisch präsentiert sie sich seit den 60er Jahren.

      auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Gregory_Baum
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    Joseph Laurentin 29.10.2025 um 21:36
    Nostra aetate wollte Brücken schlagen zwischen den Religionen – ein ehrbares Ziel. Doch wer die Entstehungsgeschichte und den Inhalt genau liest, erkennt, dass mit dieser Öffnung auch eine gefährliche Unschärfe in die katholische Lehre Einzug hielt. So heisst es in Nostra aetate, im Hinduismus suchten die Menschen „das göttliche Geheimnis“ und im Buddhismus werde ein Weg zur „höchsten Erleuchtung“ gelehrt. Auch den Muslimen bescheinigt das Dokument, sie beteten „den einen Gott“ an. Solche Formulierungen erwecken den Eindruck, als könnten auch ausserchristliche Religionen zur »vollkommenen Befreiung« oder gar zur »höchsten Erleuchtung« führen – eine Vorstellung, die mit der überlieferten katholischen Lehre kaum vereinbar ist. Papst Leo XIII. und Pius X. hätten dieser Sichtweise wohl entschieden widersprochen. Papst Paul VI. hingegen liess sich von einem ökumenischen Ideal leiten, das in manchen Punkten freimaurerischem Denken nahekommt – der Überzeugung, alle Religionen führten letztlich zu einer gemeinsamen Wahrheit. Zwar wurde nie bewiesen, dass Paul VI. der Freimaurerei angehörte, doch seine Haltung entsprach ihren Zielen auffallend. Pater Pio soll nach seiner Wahl gesagt haben: »Mut, Mut, Mut! Die Freimaurerei ist bereits in die Kirche eingedrungen – sie steckt schon in den Schuhen des Papstes.«
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      Martin Meier-Schnüriger 30.10.2025 um 14:24
      Wenn Papst Paul VI. ein Freimaurer gewesen wäre oder zumindest die Ziele der Freimaurerei unterstützt hätte, hätte er nie und nimmer gegen den massiven Widerstand des Zeitgeistes "Humanae vitae" veröffentlicht. Auch ein Satz wie "Der Rauch Satans ist in die Kirche eingedrungen" passt ganz und gar nicht zu einer freimaurerischen Gesinnung. Eine solche hätte nämlich dazu geführt, diesen Rauch tunlichst nicht zu erwähnen.
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    Martin Meier-Schnüriger 29.10.2025 um 14:01
    Man hat - u.a. auch in der Kommentarspalte dieser Internetplattform - dem 2. Vatikanischen Konzil und insbesondere der Erklärung "Nostra aetate" vorgeworfen, den katholischen Glauben relativiert zu haben. Erfreulicherweise zieht die Zeitschrift der dem a.o.Ritus verpflichteten St. Petrusbruderschaft in ihrer neusten Ausgabe ein anderes Fazit und beurteilt "Nostra aetate" positiv. Sie zitiert dabei folgende Passage aus dem Konzilsdokument: "Die katholische Kirche lehnt nichts von all dem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. (...) Unablässig aber verkündet sie und muss sie verkündigen Christus, der ist 'der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14, 6)', in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat." Relativierung sieht anders aus!
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      Peter 29.10.2025 um 17:11
      Im Kontext der Erörterung anderer Religionen IST diese Formulierung eine Relativierung des Christentums! Auch wenn Sie - und die meisten Konzilsväter - es nicht erkannten. Es wäre nur dann keine, wenn es heissen würde, dass die Erlösung AUSSCHLIESSLICH durch Christus in seiner Kirche möglich ist.
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        Manfred Steiger 30.10.2025 um 01:23
        Immer und immer wieder wiederholt sich in den journalistischen Diskussionen das gleiche Denkmuster der Theologie der Religionen, die ein entweder order von drei Positionen diskussionslos voraussetzt: Exklusivismus (extra ecclesia nulla salus), Inklusivismus (nostra aetate), Pluralismus (Perry Schmidt-Leuekl). Das ist eine äusserst primitive Dreiteilung die den Begriff von Heil nicht differenziert. Andere Religionen, können, sofern sie richtige philosophische Einsichten heilsam wirken, wie jede philosophische Denktradition, die den Geist erhellt. Wenn ich philosophisch meinen Geist erhelle durch Beweise der Existenz Gottes und der Unsterblichkeit der Seele, so ist dies bestimmt heilsam. Unterschiedliche Religionen, können je nachdem, was sie für Denktraditionen haben auf unterschiedliche Weise heilsam wirken. Hier sind eingehende achtungsvolle wissenschaftliche und differenzierte meditative Vertiefungen nur hilfreich. Wie Gott wiederum die Menschen durch Jesus Christus erwählt zum ewigen Heil hat mit der Wertschätzung wie auch mit der notwendigen freimütigen Kritik bestimmter Aspekte anderer Religionen keinen direkten Zusammenhang. Es geht bei der Beurteilung anderer Religionen also um ihren Beitrag (1) zu neuen wahren Einsichten, aus denen gelernt werden kann, wie aus jeder Philosophie, (2) zu heilsamen Folgen ihrer Lehren und Praktiken, aus denen auch gelernt werden kann und die man achten sollte als Grundlage der Kooperation, der Verfassungsgebung und Achtung der menschlichen Würde die sie implizieren sollte in vielen Staaten, wo man zusammenlebt. Wie und ob diese Einsichten anderer Religionen zu Christus und zum ewigen Heil hinführen oder fernhalten ist wiederum Gegenstand eingehender Untersuchungen und kann nicht pauschal beurteilt werden.
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          Michael Dahinden 30.10.2025 um 12:12
          Wenn wir lieben, was an den andern Religionen "wahr und heilig" ist, dann heissen wir nicht gut, was von Gott wegführt. Logische Folgerung: Die "pluralistische Toleranz" aus Abu Dhabi etc. führt von der wahren Religionsfreiheit weg und ist unwahr.
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      MT 29.10.2025 um 22:06
      Es überrascht kaum, dass die Petrusbrüder «Nostra aetate» in einem positiven Licht darstellen. Die Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP) entstand 1988 aus einer Abspaltung der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), nachdem Erzbischof Marcel Lefebvre vier Bischöfe ohne päpstliche Zustimmung geweiht hatte. Im Gegensatz zur FSSPX hat die FSSP das Zweite Vatikanische Konzil vorbehaltlos anerkannt – eine Voraussetzung für ihre kirchenrechtliche Errichtung. Doch dieser Schritt hatte seinen Preis: Er bedeutete weitgehende Anpassung und Schweigen gegenüber der römischen Linie. Offene Kritik am Konzil oder an den Entwicklungen in der Kirche ist ihnen untersagt, andernfalls drohen Sanktionen. Die Petrusbrüder haben es ohnehin nicht leicht: Sie erhalten keine Kirchensteuermittel und müssen sich in vielem zurückhalten, um innerhalb der kirchlichen Strukturen geduldet zu bleiben.