Ezéchiel de Mélac, einer der «Drei Zeitzeugen» von Peter Lenk. (Bild: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Mit spitzer Feder

Olym­piade: Der miss­glückte Befrei­ungs­schlag des Giu­seppe Gracia

Giu­seppe Gra­cia durfte im «Tages-​Anzeiger» einen Gast­kom­men­tar publi­zie­ren (31. Juli 2024). Thema war die blas­phe­mi­sche Par­odie auf das Letzte Abend­mahl anläss­lich der Eröff­nungs­feier der Olym­pi­schen Spiele in Paris.

Ausgerechnet Giuseppe Gracia! Als langjähriger Mediensprecher des Bistums Chur, sprich von Bischof Vitus Huonder und dessen rechter Hand Martin Grichting, vertrat er in der Öffentlichkeit ob gelegen oder ungelegen ihre am kirchlichen Lehramt orientierten Positionen. So verteidigte er in der «Arena»-Sendung des Schweizer Fernsehens mutig den Standpunkt der Katholischen Kirche betreffend den rechtlichen Status der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Just wegen solcher, inhaltlich gleichgelagerter Positionsbezüge wurde er von eben diesem (und nicht nur von diesem) «Tages-Anzeiger» regelmässig durch den Kakao gezogen, gleichsam mit einem weltlichen Anathem bestraft. Hat nun dieses links-libertäre Flaggschiff der TX-Group urplötzlich einen Gesinnungswandel vollzogen? Schön wär's. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Giuseppe Gracia versucht, sein Image als «Hardcore-Katholik» loszuwerden und so im säkularen Milieu Fuss zu fassen. Als Vehikel für seinen Befreiungsschlag dient ihm die eingangs erwähnte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele: Im Westen dürfe eine Religion öffentlich getrost verhöhnt werden. Das im schweizerischen Strafrecht verankerte Blasphemieverbot (Art. 261) tut er kurzerhand als längst überflüssig gewordenes Relikt vergangener Zeiten ab, denn «religiöse Gefühle sind kein Gegenstand des Rechts». Eben doch. Wer sich z. B. wegen Verleumdung oder übler Nachrede in seinen Ehrgefühlen verletzt fühlt, kann die einschlägigen Strafbestimmungen von Art. 173ff. des Strafgesetzbuches in Anspruch nehmen. Weshalb ausgerechnet religiöse Gefühle nicht geschützt werden sollen, vermag nicht einzuleuchten. Es gilt vielmehr, dem Blasphemie-Straftatbestand wieder Nachachtung zu verschaffen, zu verhindern, dass diese Strafnorm toter Buchstabe bleibt. Letztere ist gerade angesichts neuer Herausforderungen besonders aktuell und relevant, nämlich im Hinblick auf das Spannungsverhältnis der wachsenden Zahl von Muslimen in den westlichen Gesellschaften.

Schliesslich gilt kein Grundrecht, auch nicht jenes der Meinungsäusserungsfreiheit, schrankenlos, selbst nicht in der Form einer Satire. Diese Freiheit findet ihre Schranke in der Glaubens- und Religionsfreiheit, welche die Meinungsäusserungsfreiheit nicht beliebig konterkarieren darf.

Mit seiner absurd-grotesken Kehrtwende um 180 Grad («Wer als Christ gegen die Freiheit der Blasphemie antritt, der tritt gegen die Freiheit selbst an») schiesst sich Giuseppe Gracia ins eigene Bein. Mit diesem Kotau, der sich fast wie ein Bewerbungsschreiben für eine Festanstellung bei der «WOZ» lesen lässt, dürfte er in den einschlägigen säkularen Milieus schwerlich auf offene Ohren stossen – zu durchsichtig ist dieser Befreiungsschlag.
 

https://www.tagesanzeiger.ch/olympia-eroeffnung-kritik-der-kirche-an-abendmahl-parodie-886400745156


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Meier Pirmin 03.08.2024 um 12:17
    Betr. Gracia. Wurde meinerseits in der WoZ und in der Kulturszene schon als "Rechtskatholik" abgekanzelt, da halfen auch historisch-kritische Arbeiten über Bruder Klaus u. Forschungen über Homosexualität in der Kirche nichts, im Gegenteil, waren doch meine Einschätzungen nie auf zeitgeistigem Woke-Niveau. Wenn möglich die Quellen besser kennen als der Gegner. Z.B. vergeben heute Pseudo-Humanisten einen "Giordano Bruno-Preis" für Blasphemie, also besonders "geistvolle" Gotteslästerung und Beleidigung religiöser Gefühle. Dafür kann der in Rom brutal hingerichtete Giordano Bruno buchstäblich nicht, dessen religiöse Auffassungen nahe bei Paracelsus und Miguel de Serveto, von Calvin mit Zustimmung aller reformierten Städte der Schweiz hingerichtet. Der beste reformierte Bruno-Forscher in der Schweiz, Pfarrer Scartazzini, hat dies seinerseits nachgewiesen. Es lohnt sich ferner, die verdienstvollen Studien des Schweizer Reformierten aus Glarus, Heinrich Hössli (1784 - 1984) zur Kenntnis zu nehmen, dessen Ziel die Versittlichung der Homosexualität bei gleichzeitiger Anerkennung dieser Menschen gesellschaftlich durchzusetzen, wobei er als "Kinder" der Homosexuellen ästhetische, politische u. andere kulturelle Leistungen derselben für die Gesellschaft als anerkennenswert postulierte, vgl. Leonardo da Vinci und übrigens zahlreiche Künstler im Vatikan. Dass er sich auf Zwingli berief, hätte diesem zwar keine Freude gemacht ausser der im Prinzip auf Versittlichung hinauslaufenden Bemühungen. Ohne mit ihm gleicher Meinung sein zu müssen, sollte man dies auch beim Theologen David Berger anerkennen, der, wie Heinrich Hössli, die biblische Ehe zwischen Mann und Frau in keiner Weise in Frage stellt usw. So denkende Leute sind heute aber völlig zwischen Stühlen und Bänken, was leider nicht auf sich zu nehmen bereit ist.

    Ich habe Gracias Artikel gelesen und finde ihn als Zeit-Analyse denkschwach. Als ob es hier, vgl. auch die Oberreformierte Rita Famos, irgendwie um Kunst-Freiheit bzw. "Toleranz" gehen würde, als ob man zum Beispiel der katholischen Kirche bei den illustrationen Michelangelos (später z.T. leicht verdeckt) da noch in Sachen "Gewagtheit" irgendetwas beibringen müsste. Auch Dante und Boccaccio haben in ihren Werken um Welten mehr riskiert als die gemieteten Auftragskünstler in Paris, die wie 1936 die vergleichsweise sogar überdurchschnittlich begabte Filmemacherin Leni Riefenstahl nichts anderes gemacht haben, als im Rahmen eines absolut brutalen Kulturkampfes einem satanischen Zeitgeist gehuldigt. Vor allem hat Gracia keine Ahnung vom zivilreligiösen Charakter der Gender-Agenda, wo es knallhart, sicher konsequenter als bei einer herkömmlichen Sekte oder z.B. Scientology, um die missionarische Durchsetzung eines Menschenbildes geht, und zwar im direkten Kampf gegen Reste der christlichen Tradition. Es handelt sich um eine kultische Liturgie, weswegen selbst auch bei Musikwettbewerben. in der Schweiz bei Literaturpreisen es vielfach längst nicht mehr um die künstlerische Leistung geht, sondern um das Bekenntnis einer neuen Zivilreligion, was aber nicht offen deklariert wird. Dazu kommt, dass es z.B, wie in Frankreich im Namen des Staates und der franz. Kultur praktiziert wurde, mit Steuergeld auch gläubiger Nettozahler, siehe noch die sadistische Darstellung der Hinrichtung ihrer einstigen Königin, deren Todesurteil auf schändlichen Lügen basierte. Wäre es künstlerische Freiheit, man müsste in 4 Jahren in Atlanta zur Eröffnung der Spiele die Ermordung Kennedys nachspielen, mit herumfliegender Hirnmasse usw. Die vorliegende Blasphemie kann bei denjenigen, die sich dadurch beleidigt fühlen, so wenig entschuldigt werden wie wenn man z.B. Schwarze bei der Eröffnungsfeier so karikiert hätte wie vor 100 Jahren in Witzblättern "Menschenfresser" dargestellt wurden. In diesem Fall, bezogen auf heute, wäre es genau so als "menschenverachtend" und verabscheuenswürdig durchgekommen, gesetzlich wohl sogar als Rassismus strafbar, wie die auch rein künstlerisch ganz sicher nicht Leonardo und Michelangelo erreichende Darbietung der Olympia-Eröffnung die Gläubigen mindestens so trifft oder gar stärker, als wenn man Schwarze, was im Einzelfall nicht immer vorsätzlich böse gemeint war, als "N" oder Mohren titulierte. Die Entschuldigung, es "sei nicht so gemeint gewesen", hat man dieser Tage ja auch gehört. A good excuse is worth a penny!
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    ser AD 03.08.2024 um 10:24
    Nicht das erste Mal. Vor Jahren als glaub ich Christoph Blocher an die Bruderklausenfeier im Kanton Obwalden gehen sollte, schoss Giuseppe Gracia im Tagesanzeiger auf einer GANZEN Seite gegen das katholische (religiöse) Staatsverständnis. Ich besitze den Wortlaut nicht mehr.

    Meine Einwendung bei Martin Grichting zeitigte nur den lakonischen Kommentar, es habe ja dieses Zweite Vatikanische Konzil gegeben und es gebe Religionsfreiheit und keinen katholischen Staat und habe nie einen gegeben. Faktisch ist die Religion für die Politik tot. Die Welt lebt nach ihrer Façon.

    In den islamischen Staaten wird die Religionsfreiheit beschnitten, und niemand protestiert dagegen. Als Dank erhält Jesus in Seinen Stammlanden eine Verhöhnung seiner ewigen Liebe. Meine Wunden habe ich im Hause derer bekommen, die sagen, Mich zu lieben (Zach 13,6-7).

    Vielleicht ist es Aufgabe einiger (unnötiger) "Sprecher", ihren Chef in den Kakao zu zerren. Schon 2015 hat Giuseppe Gracia Bischof Huonder blöd hingestellt wegen seiner Bibelzitierung in Fulda. Und 2020 wurde Giuseppe Gracia zur Zensurinstanz gegen Weihbischof Eleganti erhoben. Er solle doch seine statements mit der Pressestelle vorbesprechen. So zu vernehmen auf bistum-chur.ch.
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      Paulettinus 03.08.2024 um 12:26
      Gracia ist ganz und gar auf der Linie Bergoglios.
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        Meier Pirmin 03.08.2024 um 16:46
        Hier verschieben Sie die Debatte auf eine ganz und gar unangemessene Ebene. Schrieb selber vor ca. 10 Jahren in der Neuen Luzerner Zeitung einen ausführlichen Artikel über Papst Franziskus und seine Bemerkungen über die Homosexuellenlobby in Rom. Übrigens hat sich der Vatikan aktuell zur Sache in Paris geäussert. Falsch wäre es aber gewesen, der Papst selber hätte sich mit seiner manchmal saloppen Art sozusagen auf die Ebene der Kritisierten heruntergelassen, wozu er nun mal sicher zu klug ist und bleibt. Bei gelegentlichem Andersdenken ist und bleibt er für mich der Heilige Vater. An unwürdigen Gottesdiensten, die mich von Kirchenbesuchen abhalten können, ist er meines Erachtens nicht schuld. Dazu staune ich kirchenhistorisch über das politische Geschick sogar des berüchtigten Papstes Alexander VI., der im Vertrag von Tordesillas 1498 im Kleingedruckten sogar Texte formulieren liess, die der Indianerbefreier Las Casas gegen die Inquisition zitieren konnte, auch gegen die Versklavung der eroberten Kolonien. Auch das Buch-Copyright ist eine Errungenschaft von Alexander VI., der nicht als Mensch, aber als Papst mehr Geschick zeigte als mehr als einer der neueren Päpste. Dem Kriegerpapst Julius II. verdanken die Schweizer Bergkantone 1513 einen Pfarrwahlprivileg, der sie davon abhielt, reformiert zu werden.
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          Paulettinus 03.08.2024 um 18:16
          Nie ist es gehört worden in 2000 Jahren, dass ein Vertreter der Kirchenspitze sich dermassen um die Verkündigung des Evangeliums gedrückt hätte, dass er sagen würde „werben ich um zu urteilen“.
          Und dass derlei Aussagen nicht direktestens die Thematik tangieren würden, plaudern Sie besser keinem vor.
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            ser AD 03.08.2024 um 19:33
            Der Papst hat in der Aussage "wer bin ich..." eine rhetorische Frage gestellt: wer gibt mir die Kompetenz zum (letzten) Urteil?
            Der Papst drückt sich keineswegs vor dem Evangelium.
            Die Thematik ist zudem eine andere, weil es hier um die öffentliche Religion geht und nicht um den privaten Vollzug.

            DAs von Martin Grichting schon behandelte Böckenfordediktum über die Abhängigkeit des Staates von Gott (dass der Staat die eigenen Grundlagen nicht schaffen kann) zeigt gerade in dieser Blasphemie in Paris, dass der STAAT sich vom Gottesbekenntnis nicht drücken kann - auch wenn die Laizisten es behaupten.
            Frankreich und IOK machen moralischen Selbstmord, indem sie die katholische Kirche als Trägerin der metaphysischen Subsistenz in den Kakao ziehen.

            Da kann man nur mit Jesus reagieren: Vater verzeihe ihnen, dass sie nicht wissen was sie tun.
            Aber Jesus hat es gesagt und die Wahrheit nicht verschwiegen.