Der Turmbau zu Babel ist ein Symbol dafür, wohin die Hybris führt. «Turm zu Babel» von Van Valckenborch, 1594, Louvre.

Weltkirche

Orts­kir­che Brüs­sel oder der Miss­brauch des syn­oda­len Prozesses

Am 8. Novem­ber erhiel­ten die Dekane, Pas­to­ral­raum­ver­ant­wort­li­chen und Pries­ter des Vika­ri­ats Wal­lo­nisch Bra­bant (Erz­bis­tum Mecheln-​Brüssel) ein Schrei­ben der beson­de­ren Art. Hin­ter­grund ist die Ernen­nung von Rebecca Als­berge zur Bischöf­li­chen Dele­gier­ten für das Vika­riat am 19. Dezem­ber 2023.

Bis 2023 leitete Weihbischof Jean-Luc Hudsyn das Vikariat Wallonisch Brabant. Dann ernannte Erzbischof Luc Terlinden Rebecca Alsberge zur Bischöflichen Delegierten mit einer Amtsdauer von fünf Jahren. Ihr Stellvertreter ist ein Priester: Dekan Alain de Maere.

Da Rebecca Alsberge die erste Bischöfliche Delegierte im Vikariat ist, gibt sie gleich Anweisungen, was bei Gottesdiensten zu beachten ist, an denen sie teilnimmt. Diese «Hinweise» (indications) erfolgen in Absprache mit dem Erzbischof, heisst es im Schreiben. Da stellt sich schon die erste Frage: Warum schrieb nicht Erzbischof Terlinden diesen Brief? Er hat die Leitung des Bistums und es ist seine Aufgabe, Neuerungen bekannt zu geben. Aber unterzeichnet ist der Brief von Alsberge und ihrem Stellvertreter Alain de Mare.

Doch was genau muss jetzt beachtet werden, wenn Frau Alsberge in eine Pfarrei kommt?

  • Bei der Ein- und Auszugsprozession geht die Bischöfliche Delegierte neben dem Vorsteher der Feier.
  • Sie setzt sich in die erste Reihe der Versammlung.
  • Sie kann nach der liturgischen Begrüssung oder am Ende der Feier – vor dem Segen – das Wort ergreifen. Des Weiteren kann der Priester nach der Verkündigung des Evangeliums die Bischöfliche Delegierte bitten, «das Wort Gottes erklingen zu lassen».
  • Der Zelebrant gibt der Bischöflichen Delegierten den Friedensgruss.
  • Nach dem Auszug grüsst sie mit dem Pfarrer die Gemeindemitglieder.

Das ist aber noch nicht alles. Auf die angeblich «wiederholte Bitte von Priestern und Christen, gemeinsam für ihre neue Leiterin des Vikariats beten zu können», wird die Bischöfliche Delegierte im Hochgebet erwähnt. Der Brief bietet dann auch gleich für mehrere Hochgebete die entsprechende Vorlage.

«Eucharistisches Hochgebet»
Wir bringen sie in Einheit mit deinem Diener dar, unserem Papst N., unserem Bischof N., unserer Bischöflichen Delegierten N. und allen, die den von den Aposteln empfangenen katholischen Glauben treu bewahren.»

Rebecca Alsberge erklärt diesen Einschub mit der Formulierung des Zweiten Hochgebetes: «Mit allen, die für dein Volk Verantwortung tragen» (Deutsche Version des Messbuches: «und mit allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind»). Deshalb könne das Hochgebet um die «neue Aufgabe ausgeweitet werden, die der Bischöflichen Delegierten anvertraut wurde».

Erzbistum bestätigt Echtheit des Briefes
«swiss-cath.ch» fragte bei Erzbischof Luc Terlinden nach, ob dieser Brief echt sei. Weiters fragten wir nach den theologischen Begründungen für den gemeinsamen Einzug mit dem Priester, die Homilie und die Erwähnung im Hochgebet.

Antwort erhielten wir von seinem Pressesprecher Geert De Kerpel. Er ging jedoch nicht auf unsere Fragen ein, sondern wiederholte, was bereits im Schreiben von Frau Alsberge steht.

«Viele Katholiken des Vikariats Wallonisch-Brabant, Priester, Diakone und Gemeindemitglieder äusserten den Wunsch, mit dem Erzbischof und seiner Beauftragten für das Vikariat Wallonisch-Brabant zu beten und ihre Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen. Sie wollten auch einige Hinweise erhalten, wie sie diese bei Gottesdiensten in der Pfarrei, zu denen sie eingeladen wird, empfangen können.»

Er weist darauf hin, dass es sich bei diesen «Hinweisen» nicht um Anweisungen oder Verpflichtungen handle. Diese Vorschläge müssten immer mit dem zelebrierenden Priester abgesprochen werden. Es stellt sich die Frage, welcher Priester sich getraut, diese «Hinweise» nicht zu befolgen.

Pressesprecher Geert De Kerpel erklärt abschliessend: «Es ist auch klar, dass die Homilie weiterhin in der Verantwortung eines geweihten Amtsträgers liegt.» Nur steht das nirgends im Schreiben.
 


Liturgische Anmassungen
Es spricht nichts dagegen, dass ein (Erz-)Bischof eine Bischöfliche Delegierte einsetzt. Es ist ja auch ein Anliegen von Papst Franziskus, dass Frauen Aufgaben übernehmen, für die es keine Priesterweihe braucht. So ist im Vikariat Wallonisch Brabant Alain de Mare für die geweihten Amtsträger zuständig.

Selbstverständlich kann sich die Bischöfliche Delegierte im Gottesdienst nach der Begrüssung durch den Priester mit einigen Worten an die Gläubigen wenden. Ebenso ist es sinnvoll, wenn sie nach dem Gottesdienst mit den Gläubigen ins Gespräch kommt.

Was jedoch überhaupt nicht geht, ist der Einbezug in die liturgischen Dienste, denn sie selbst hat keine liturgische Funktion. Diese Hypris kennen wir in der Schweiz von gewissen Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die mit der Albe gekleidet einziehen und im Altarraum Platz nehmen. «Seelsorger» ist per se kein liturgischer Dienst. Als Seelsorger Tätige können als Lektoren, Kommunionhelferinnen oder auch als Ministranten im Gottesdienst beteiligt sein, aber eben nicht als «Seelsorger».

Dass nun Frau Alsberge darauf besteht, mit dem Priester – genauer neben dem Priester – einzuziehen und auch wieder auszuziehen, zeigt ihre anmassenden Kompetenzüberschreitungen, denn es ist für ihre Aufgabe schlicht nicht notwendig.

Noch abwegiger ist ihre Erwähnung im Hochgebet. Die Begründung, dass damit einfach ein neuer Dienst speziell erwähnt wird, der im Satz «Mit allen, die für dein Volk Verantwortung tragen» mitgemeint ist, läuft ins Leere. Man stelle sich vor, der Zelebrant müsste alle namentlich erwähnen, die in der Pfarrei Verantwortung übernehmen – von der Verantwortlichen für den Kinderhütedienst über den Verantwortlichen für die Ministranten bis zur Pfarreiratspräsidentin.

Die Erwähnung im eucharistischen Hochgebet ist den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel vorbehalten. Die «Allgemeine Einführung ins Messbuch» macht nur eine Ausnahme für denjenigen, der dem Diözesanbischof «rechtlich gleichgestellt» ist, z. B. Kapitularvikar oder Abt (AEM 149). Da General- oder Bischofsvikare die Teilkirche nicht leiten, werden sie auch nicht in einem eucharistischen Hochgebet erwähnt.

Frau Alsberge hat anscheinend ein Problem damit, dass sie keine Priesterin ist. Mit diesen «Hinweisen», die de facto sehr wohl Anweisungen sind, ändert sie nichts an ihrer Situation. Dass diese vom Volk und Priestern gewünscht werden, wie dies betont wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Dass Erzbischof Terlinden dieses Verhalten unterstützt, zeigt, wie weit der Missbrauch des synodalen Prozesses schon fortgeschritten ist. Es geht eben nicht um ein Zuhören und Reden auf Augenhöhe, sondern um die Aushöhlung und schlussendlich Demontage des Priestertums.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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Bemerkungen :

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    Hans Peter Flückiger 06.12.2024 um 13:02
    Bei einer solchen Kirche kann man nur hoffen, dass sie möglichst bald ein Ende findet.
  • user
    Hansjörg 03.12.2024 um 00:01
    Zum Glück hat die kath. Kirche keine grösseren Probleme :-))
    • user
      Martin Meier-Schnüriger 04.12.2024 um 10:46
      Ich glaube, Frau Schärer hat deutlich gezeigt, dass es sich hier sehr wohl um ein Problem handelt, wenn es auch nicht gerade das grösste ist. Aber die Anmassung der Laien, bzw. einer kleinen Kaste von Staatskirchenfunktionären, sich partout "auf Augenhöhe" mit den geweihten Amtsträgern zu bewegen, ist eine Krankheit, an der die Kirche namentlich nördlich der Alpen tatsächlich leidet. Wir sehen es auch bei uns in der Schweiz: So genannte "Gemeindeleiter(innen)" sonnen sich im Glanz ihrer Führungsrolle und geben ihren "priesterlichen Mitarbeitern" den Tarif durch. Mit "Weihesklaven" umschrieb einmal jemand resigniert, aber zutreffend den Stand des Priesters im Zeitalter der Pastoralräume und Laiengemeindeleitungen.
  • user
    ser AD 02.12.2024 um 17:14
    Das hat wohl mit dem Synodalen Weg als solchem nichts zu tun.

    Gleichwohl ist es eine Anmassung, die aber schon seit 50 Jahren praktiziert wird, wenn man an die früheren Institutionen von Pastoralassistentinnen gleichzeitig mit der Priesterweihe im Bistum Basel denkt, was von Rom abgemahnt wurde.

    Der Begriff "Seelsorger" ist so etwa der Gipfel dieser Auswucherung klerikaler Aufgaben. Man will einfach keinen Chef, und entsprechend der co-Manie muss jetzt diese Frau neben dem Zelebranten hergehen, als wäre sie Co-Priesterin. Das ist sicher im Hinterkopf die Meinung.

    Wenn der Chef eine Begleitung braucht, sind es zwei Assistenten, wie Sohn und Heiliger Geist zwei Parakleten des Vaters sind. Wie es Jesus beim Abendmahl selber sagt. Und der Vater bleibt (wenigstens im Himmel) der Chef, wie Jesus sagt: der Vater ist grösser als ich.