Kinder in Pakistan. (Bild: DFID–UK/flickr, CC BY-SA 2.0 Deed)

Weltkirche

Pakis­tan: His­to­ri­scher Gerichts­be­schluss gegen Dis­kri­mi­nie­rung von Christen

Der Oberste Gerichts­hofs von Pakis­tan erliess eine für die christ­li­che Gemein­schaft in der Pro­vinz Khy­ber Pakhtunkhwa weit­rei­chende Anord­nung, die als his­to­risch gilt. Der Beschluss ver­pflich­tet die Regie­rung und alle öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen, den Begriff «Esai» (oder «Isai») durch «Masihi» zu erset­zen, wenn sie sich auf die christ­li­che Gemein­schaft und ihre Ange­hö­ri­gen beziehen.

Seit vielen Jahren setzt sich die christliche Gemeinschaft Pakistans aktiv für die Verwendung von «Masihi» als Bezeichnung in offiziellen Regierungsdokumenten und Mitteilungen ein. Der bisher gebräuchliche Begriff «Esai» wurde erstmals während der Kolonialzeit verwendet und bezieht sich hauptsächlich auf Menschen, die in der Strassenreinigung und anderen Berufen der unteren Kasten arbeiten. Der Begriff hat im Laufe der Jahre eine stark abwertende Bedeutung beibehalten und wird als Beleidigung für Christen, unabhängig von ihrem Beruf, verwendet. Solche Beschimpfungen mit emotionalen und psychologischen Auswirkungen beginnen oft in Klassenzimmern und haben schwerwiegende Folgen für das Wohlbefinden, das Vertrauen und das Selbstwertgefühl von Kindern christlichen Glaubens.

Der Begriff «Masihi» hingegen, der «Volk des Messias» bedeutet, wird auch von den pakistanischen Christen akzeptiert und enthält weder ein negatives Urteil, noch impliziert er eine Demütigung der Menschen, auf die er sich bezieht.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wurde unter der Leitung der vorsitzenden Richter Mian Saqib Nisar und Ejazul Ahsan gefällt und geht auf eine Petition von Samuel Payara, dem Vorsitzenden des «Implementation of Minorities Rights Forum», zurück. Das Urteil wurde auch vom «Council of Islamic Ideology» unterstützt.
Die pakistanische Wahlkommission reagierte unterdessen bereits auf die Richtlinie, indem sie das Wort «Esai» aus den Wählerregistrierungsformularen entfernte und durch «Masihi» ersetzte, und schuf damit einen Präzedenzfall für andere Regierungsstellen.

Führende Vertreter und Unterstützer der christlichen Gemeinschaft begrüssten diese Entwicklung und sehen darin einen wichtigen Schritt zur Anerkennung und Achtung der kulturellen und religiösen Identität. Die Entscheidung, «Esai» durch «Masihi» zu ersetzen, wird als konkreter Versuch gesehen, Gefühle der Verachtung und diskriminierende Vorstellungen aus der Gesellschaft zu verbannen und ein harmonisches Zusammenleben zu fördern.

Für die «Nationale Kommission für Menschenrechte» ist dies «ein wichtiger Sieg, um der religiösen Diskriminierung ein Ende zu setzen». Nach Ansicht der Nichtregierungsorganisation «The Edge Foundation» ist es «ein Schritt in Richtung Einheit, denn es handelt sich nicht nur um eine Änderung der Terminologie, sondern auch um ein Versprechen, die Mentalität zu ändern und die verschiedenen Identitäten zu respektieren, die Pakistans reiches Mosaik an Kulturen und Glaubensrichtungen ausmachen. Es handelt sich um eine Massnahme, die das religiöse Verständnis und die Einheit der pakistanischen Bevölkerung fördert.»

Um Stereotypen, die zu Feindseligkeit führen, zu überwinden, hat «Bargad» – Pakistans grösste muslimische Nichtregierungsorganisation für Jugendarbeit – ein Programm zur Vermittlung des alternativen Begriffs ins Leben gerufen, in dem sie ihre Mitglieder auffordert, Christen «Masihi» zu nennen.

In Pakistan bezeichnen sich mehr als 90 Prozent der Menschen als praktizierende Muslime. Laut der Volkszählung von 2017 gibt es rund 2,6 Millionen Christen (1,27 Prozent der Gesamtbevölkerung).

Als christliche Missionare in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Indien kamen – lange vor dessen Teilung von 1947 in die Republik Indien und Pakistan – wurden viele der niedrigen Kasten oder Ausgestossenen, die «Unberührbaren», von der Botschaft der Würde, der Gerechtigkeit, der Erlösung und der Wiedergutmachung, die das Christentum brachte, angezogen und konvertierten zum Christentum. Aufgrund vielfacher Diskriminierung üben die Christen mehrheitlich niedere Berufe wie Strassen- und Kanalreinigung aus. Auch nach der Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 waren die Chuhras in Punjab, die fast alle Christen waren, ungebildet und wurden weiterhin auf niedere Tätigkeiten in der Abwasserentsorgung beschränkt.
Neuere Daten, die von der Nichtregierungsorganisation «Minority Voices veröffentlicht wurden, zeigen, dass in Lahore, einer Stadt in der Provinz Punjab, 69,80 % der Christen die Grundschule besuchen, aber nur 28,7 % eine höhere Schule. Die von den christlichen Kirchen aller Konfessionen geleistete Arbeit im Bereich der Bildungsarbeit und bei der Förderung des allgemeinen Bildungsniveaus sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den sozialen und zivilen Status der christlichen Gläubigen in Pakistan und für die Überwindung der alten diskriminierenden Mentalität.

Dieser Gerichtsbeschluss ist umso bemerkenswerter, als die Lage der Christen in Pakistan infolge des dort herrschenden Blasphemiegesetzes nach wie vor höchst prekär ist. Dieses Gesetz gehört weltweit zu den schärfsten seiner Art. Es wurde seinerzeit von der britischen Kolonialmacht eingeführt, um den labilen Frieden zwischen den Religionsgemeinschaften auf dem indischen Subkontinent aufrechtzuerhalten. Nach der Gründung Pakistans im Jahre 1947 wurde dieses Blasphemiegesetz beibehalten und sukzessive verschärft, zuletzt im August 2023. Heute droht jeglicher Kritik am Islam im allgemeinen und am Koran im besonderen eine lebenslange Haftstrafe oder die Todesstrafe. Das Blasphemiegesetz wird regelmässig als Ventil missbraucht, um die schweren sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes zu kanalisieren. Erst im August dieses Jahres steckte in der Kleinstadt Jaranwala ein wütender Mob wegen angeblicher Entweihung des Korans christliche Kirchen und Wohnhäuser in Brand. Gemäss Bericht der «Neuen Zürcher Zeitung» musste die Lokalregierung 3000 Polizisten aufbieten, um die Gewalt unter Kontrolle zu bringen. Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieser historische Gerichtsbeschluss in der Praxis durchsetzen und zu einem tatsächlichen Mentalitätswandel führen wird.


Fides/Redaktion


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