Aufgebrachter Mob fordert Bestrafung für angebliche Blasphemie (Symbolbild). (Bild: © Christian Solidarity International CSI)

Weltkirche

Pakis­tan: Miss­brauch des Blas­phe­mie­ge­set­zes wird zum «Geschäftsmodell»

Christ­li­che und mus­li­mi­sche Anwälte in Pakis­tan beob­ach­ten mit Sorge eine Häu­fung von glei­chen Fäl­len: Junge Men­schen wer­den her­ein­ge­legt und dann online der Blas­phe­mie beschul­digt, was zur Ver­haf­tung, Inhaf­tie­rung und for­ma­len Anschul­di­gung der Blas­phe­mie führt, die in Pakis­tan auch lebens­lange Haft oder die Todes­strafe bedeu­ten kann.

Die pakistanischen Blasphemiegesetze sehen für jede Person, die den Islam beleidigt, eine lebenslange Haftstrafe oder die Todesstrafe vor. Diese Gesetze wurden am 7. August 2023 durch den «Criminal Laws (Amendment) Act verschärft. Neu wird auch die Beleidigung von Gefährten, Ehefrauen und Familienmitgliedern des islamischen Propheten Mohammed mit mindestens zehn Jahren bis zu lebenslanger Haft bestraft. Bisher galt eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis oder eine Geldstrafe.
Die Blasphemiegesetze wurden im Jahre 1986 eingeführt, angeblich um die Religion zu schützen. Tatsächlich werden sie seither in der Praxis häufig missbraucht, um Rache für Streitigkeiten um Geld, Eigentum oder Geschäfte zu üben. Betroffen sind mehrheitlich Christinnen und Christen.

Seit einiger Zeit gibt es vermehrt Blasphemievorwürfe gegen junge Männer, die immer dem gleichen Schema folgen. Die Anwälte vermuten dahinter eine kriminelle Gruppe, die das Blasphemiegesetz nutzt, um unschuldige Menschen zu erpressen. Bis jetzt sind bereits rund 450 Fälle bekannt.

Wie der katholische Anwalt und Parlamentsabgeordnete Khalil Tahir Sandhu gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur Fides berichtet, haben die Familien der fälschlicherweise der Blasphemie Beschuldigten zusammen mit ihren Rechtsvertretern kürzlich eine öffentliche Konferenz abgehalten, um den Mechanismus aufzudecken, Alarm zu schlagen und ein gezieltes Eingreifen der Polizeibehörden und der Justiz zu fordern. Der Betrug hat viele Familien erschüttert; sie fordern die Regierung und die Justizbehörden auf, den zu Unrecht Inhaftierten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Offiziell bestätigt wurde die Angelegenheit auch von der «Nationalen Menschenrechtskommission» (National Commission for Human Rights, NCHR), die eine unabhängige Untersuchung durchführte und die Aktivitäten einer Organisation beschrieb, die Blasphemie zu ihrem Vorteil kriminell ausnutzt und Unschuldige zum Zwecke der Erpressung in die Falle lockt. Aus dem NCHR-Bericht geht hervor, dass die meisten Opfer zu Familien mit niedrigem Einkommen oder aus der Mittelschicht gehören.

Die Anwälte äussern ernste Bedenken hinsichtlich der Integrität des Rechtssystems und der Rechtsstaatlichkeit und stellen fest, dass «diese Fälle offensichtlich unbegründet sind und wenn diese Praxis nicht gestoppt wird, einen unauslöschlichen Schandfleck auf dem Justizwesen hinterlassen werden». «Diese Praxis lässt ernste Zweifel an der Transparenz unseres Justizsystems aufkommen, erklärt Sardar Mushtaq Gill, Rechtsanwalt und Gründer der «Legal Evangelical Association Development». Und weiter: «Es ist dringend notwendig, eine transparente und unparteiische Untersuchungskommission einzusetzen, um die für diese Verschwörung verantwortliche organisierte Gruppe zu untersuchen und zu zerschlagen.»

Die Vorgehensweise ist immer die gleiche: Junge Männer werden über Facebook und andere Social-Media-Plattformen auf Mädchen aufmerksam gemacht. Sie werden dann eingeladen, zu Whatsapp-Gruppen zu wechseln, um persönliche Gespräche zu führen. Sie beginnen zu chatten und die Mädchen gewinnen ihr Vertrauen. Später schickt das Mädchen eine Nachricht mit einem gotteslästerlichen Bild oder Schriftzug. Das ahnungslose Opfer bittet um eine Erklärung. Das Mädchen gibt vor, nicht zu wissen, worum es geht, und bittet darum, die Nachricht zurückzuschicken. Sobald dies geschehen ist, blockiert das Mädchen das Opfer sofort und beschuldigt es, blasphemische Inhalte online zu teilen.

Es sind bereits einige junge Angeklagte in der Haft durch Folter ums Leben gekommen. Dies deutet nach Ansicht der Anwälte auf ein Zusammenspiel von Beamten der «Federal Investigation Agency» hin, der Bundesbehörde, die eigentlich Licht in die kriminellen Praktiken bringen sollte. Ausserdem gibt es Anwälte, die vor Gericht die Kläger verteidigen und Druck auf die Richter ausüben.

In Pakistan sind in islamistischen Kreisen Überwachungsgruppen wie die «Legal Commission on Blasphemy Pakistan» entstanden, ein Netzwerk von 13 Organisationen, die angeblich «entschieden gegen Online-Blasphemie vorgehen». Beobachtern zufolge steht das Netzwerk in Verbindung mit der radikal-islamischen politischen «Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan». Anwälte und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen fordern Ermittlungen in diesen Kreisen, um kriminelle Machenschaften aufzudecken. «Dieser alarmierende Missbrauch religiöser Gesetze ist zu einem schrecklichen Mittel der Erpressung geworden und gibt Anlass zu ernster Besorgnis über die Sicherheit und die Rechte aller Bürger», so der Anwalt Sardar Mushtaq Gill.


Fides/Redaktion


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