Pater Johnson Kallidukil mit Gläubigen. (Bild: zVg)

Weltkirche

Pater John­son Kal­li­du­kil blickt auf Afrika, Indien und die Schweiz

Das Aar­gauer Pfarr­blatt «Hori­zonte» berich­tet von Got­tes­dienst­be­su­chern, wel­che die Pre­digt nicht rich­tig ver­stan­den haben. Dies, weil die zele­brie­ren­den Pries­ter aus fer­nen Län­dern stam­men und Deutsch mit einem star­ken Akzent sprechen.

Sich des Problems bewusst hat das Bistum Basel Abhilfe geschaffen: Ab sofort verlangt es als notwendige Voraussetzung für eine Anstellung eine Sprachkompetenz, welche dem Niveau C entspricht, also der zweithöchsten Stufe.1 Definitiv kein Thema ist dies für Pater Johnson Kallidukil von den Missionaren des heiligen Franz von Sales, hat er doch an der theologischen Fakultät der Universität Würzburg promoviert und spricht perfekt Deutsch.

Pater Johnson ist 1966 in Kerala geboren, einer traditionell von Christen bewohnten Gegend im Süden Indiens und wuchs zusammen mit drei Geschwistern in einer katholischen Familie auf. Sie gehört den sogenannten Thomas-Christen an, so genannt, weil sie ihren Ursprung auf den Apostel Thomas zurückführen. Mit 15 Jahren trat Pater Johnson in das «Kleine Priesterseminar» ein, um eine 13 Jahre dauernde Ausbildung mit dem Fernziel Priestertum zu absolvieren. Bereits mit zehn Jahren verspürte er den Wunsch, Priester zu werden. Ein Wunsch, der von Ordensangehörigen in seiner Verwandtschaft unterstützt und gefördert wurde. Kurz nach seiner Priesterweihe im Jahre 1994 sandten ihn seine Ordensoberen nach Tansania. «Ich wollte schon immer in die Missionen gehen», begründet Pater Johnson im Interview mit swiss-cath.ch seinen für westeuropäische Ohren gewöhnungsbedürftigen Missionswechsel von Indien nach Afrika. «Dabei war für mich das in Ostafrika gesprochene Swahili die grosse Herausforderung» – «Herausforderung»: ein Wort, dem er eine ganz besondere Bedeutung beimisst.

Europäischer Kulturschock
Seit nunmehr 28 Jahren arbeitet Pater Johnson in Ostafrika, unterbrochen durch einen vierjährigen Studienaufenthalt in Deutschland, wo er zum Thema «Die kanonische Bedeutung der Bischofssynode im Ordensrecht» promovierte. Der Wechsel von Kerala ins ostafrikanische Tansania war abgesehen von der Sprache mit keinen kulturellen oder religiösen Problemen verbunden. Als einen veritablen Kulturschock erlebte Pater Johnson jedoch den Wechsel von Afrika nach Deutschland: «Am Anfang war es mir sehr peinlich, in der Öffentlichkeit Werbung für Sexshops und Liebesbekundungen zu sehen. Nachdem ich die aktive und lebendige Kirche in Afrika erlebt hatte, war es zudem eine langweilige Erfahrung, die Liturgie in Europa zu halten. Es gab Zeiten, in denen ich mit Misstrauen betrachtet wurde, weil ich Ausländer war. Vor allem aber das stets kalte Nachtessen wurde mir zur regelrechten Tortur – in Indien ein No-Go. Dreimal ein warmes Essen ist bei uns in Indien schlicht ein Muss. Kommt hinzu, dass ich für den Erwerb des Doktorats auch noch Hebräisch lernen musste. ‚Wie hältst Du das nur aus?‘, fragten mich die Besucher aus meinem Heimatland. In der Tat stand ich einige Male kurz davor, meine Zelte in Deutschland abzubrechen. Aber mein regelmässiges Gebet vor dem Tabernakel hat mir die Kraft gegeben, durchzuhalten. Mein Doktorvater Pater Stefan Haering OSB, sagte mir: ‘Um Schwimmen zu lernen, muss man ins kalte Wasser springen.’» Und da ist es wieder, das Lieblingswort von Pater Johnson: «Leistung und Herausforderung gehören zusammen. Wenn man herausgefordert wird, entwickelt sich unser Leistungsvermögen.»

Pater Johnson hat durchgehalten und wird nach seiner Rückkehr nach Tansania zum Regens des dortigen Priesterseminars ernannt. Auch ist er am Aufbau des ordenseigenen «Lumen Christi-Instituts» in Arusha beteiligt. Von 2011 bis 2017 war er Provinzoberer der MSFS-Kongregation in Ostafrika mit Hauptsitz in Morogoro, Tansania (das Kürzel MSFS steht für «Missionaires de Saint François de Sales», so der offizielle Name der nach ihrem Gründer benannten Franz von Sales-Missionare).

In Ostafrika – Tansania, Kenia und Uganda – betreut der Orden MSFS 20 Pfarreien: «Es ist eine junge, dynamische, glaubens- und zukunftsfrohe Kirche, die dort heranwächst», freut sich der Ordensmann. Erst im September dieses Jahres sind in dieser Region 600 junge Menschen durch die Taufe in die Kirche aufgenommen worden. «Keine Massenabfertigung – der Spendung des Taufsakramentes ging eine zweijährige Vorbereitungsphase voraus», betont Pater Johnson.

Indien – schwindende Toleranz
Spricht man mit einem aus Indien stammenden Priester, stellt sich unweigerlich die Frage nach den sich sukzessive verschärfenden religiösen Spannungen und Konflikten in diesem riesigen Land. Pater Johnson macht sich grosse Sorgen angesichts der wachsenden Intoleranz in der hinduistischen Mehrheitsgesellschaft in Indien: «In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 400 Kirchen in Indien zerstört, ohne dass dies die Weltöffentlichkeit zur Kenntnis genommen hätte. Unsere Leute verlieren die Kraft, der stets wachsenden Gewalttätigkeit wirksamen Widerstand entgegenzusetzen.» Die Folgen sind fatal – sowohl für Indien selbst als auch für die Christinnen und Christen – denn gerade die Gebildetsten unter ihnen verlassen das Land. Sogar der Orden von Mutter Teresa wird durch ständig neue Auflagen und Bedingungen schikaniert: Die einfachsten medizinischen Behandlungen dürfen nur noch unter Mitwirkung eines teuren Arztes vorgenommen werden.

Indien, die Geburtsstätte vieler Religionen, war ein Land, das für religiöse Toleranz und ein harmonisches Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen bekannt war. Die Verfassung der Republik Indien garantiert die Religionsfreiheit. Heute ist die Situation jedoch anders und sie verändert sich drastisch. Die religiösen Minderheiten fühlen sich in ihrer Freiheit, ihre Religion auszuüben und zu verbreiten, bedroht.

Die politische Führung des Landes scheint der aktuellen Situation gegenüber vorsichtig gesagt gleichgültig zu sein. Das Anti-Konversionsgesetz, obwohl es gegen den Geist der Verfassung verstösst, wird jetzt in einigen Bundesstaaten durchgesetzt. Die religiöse Realität in Indien ist, dass viele Christen in Angst leben. «Ich bin deshalb froh», sagt Pater Johnson, «dass an meinem aktuellen Wirkungsort in Tansania Muslime, Christen und Animisten, die je rund ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, friedlich zusammenleben.»

Katholische Priester sind mehr als Verwalter
Zurück in die Schweiz: Seit bald 22 Jahren kommt Pater Johnson in unser Land, vorab in den Kanton Thurgau, um alljährlich während den Sommerferien als Aushilfspriester zu wirken. Sein Eindruck: Es gibt hier (noch!) zahlreiche gutgesinnte Gläubige mit vielen positiven Werten und viel Engagement. Das Problem ist die überdimensionierte Bürokratie, vertreten durch Leute, die unzählige Strategiesitzungen abhalten und Strukturdebatten durchführen, aber selten am eigentlichen kirchlichen Leben, sprich der Feier der Gottesdienste, teilnehmen.

Nach der Einschätzung von Pater Johnson ist es die eigentliche Seelsorge am Menschen, die in der Schweizer Kirche zu kurz kommt. Es falle der Kirche zunehmend schwerer, eine authentische Gotteserfahrung zu vermitteln und das Glaubensgut an die nächste Generation weiterzugeben. Sein Ratschlag: Weniger Strukturdebatten und zeitraubende Kommissionssitzungen, stattdessen eine Fokussierung auf das, was die Kirche in ihrem Kern ausmacht: die glaubensfrohe Feier der Sakramente, insbesondere der Eucharistie, und eine für die Glaubwürdigkeit des Christentums unentbehrliche Caritas. Ein katholischer Priester werde nicht geweiht, um eine Gemeinde oder das Eigentum der Kirche zu verwalten, sondern um die Menschen auf ihrem Weg nach dem Willen Gottes zu begleiten. Wie Papst Franziskus sagt, brauchen wir Hirten, die die Schafe spüren.

«Die Kirche muss sensibel für die Bedürfnisse der Menschen sein. Jesus übte seinen Dienst mit einem Herzen des Mitgefühls aus. Wenn die Kirche zu sehr mit Strukturen, Regeln und Steuern beschäftigt ist, versäumt sie es, das Wesentliche zu vermitteln. Ich hoffe sehr, dass die Kirche durch den gegenwärtigen synodalen Prozess zu einem neuen Bewusstsein gelangen wird», so Pater Johnson abschliessend in seinem Interview mit swiss-cath.ch.
 

Die sogenannten Thomaschristen sind Angehörige indischer christlicher Kirchen, die ihren Ursprung auf die Missionstätigkeit des Apostels Thomas zurückführen (deshalb der Name «Thomaschristen»). Sie umfassen im Wesentlichen sechs Konfessionen mit insgesamt rund sieben Millionen Mitgliedern. Die grösste von ihnen mit rund 3,8 Mio. Gläubigen ist die mit Rom verbundene «katholische syro-malabarische Kirche», die vor allem im Bundesstaat Kerala verbreitet ist. In Indien befindet sich gemäss lokaler Überlieferung auch das Grab des Apostels Thomas, den die christlichen Kirchen als ihren Gründer und spirituellen Vater betrachten und sich deshalb als «Töchter des heiligenThomas» bezeichnen. Die von den Portugiesen Anfang der Neuzeit betriebene Missionierung empfanden die einheimischen Christinnen und Christen zunehmend als Fremdbestimmung, weshalb es schliesslich 1653 mit dem sogenannten «Schwur vom schiefen Kreuz» zur Abspaltung von Rom kam. Die in der Folge von Papst Alexander VII. gestartete Versöhnungsinitiative, in deren Rahmen er die Jesuiten durch italienische Karmeliten ersetzte, erwies sich dank der sukzessiven Berücksichtigung der ursprünglichen Traditionen der Thomaschristen als erfolgreich. 1896 erhielten sie während des Pontifikats von Papst Leo XIII. erstmals einheimische Bischöfe. 1923 wurde die ordentliche syro-malabarische Hierarchie errichtet. Heute nennen sich die mit Rom verbundenen Christen die «Syro-malabarische katholische Kirche».

 


1 Der «Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER)» ist ein internationaler Massstab für Sprachkenntnisse und umfasst sechs Niveaustufen A1 bis C2 (Grundkenntnisse bis nahezu muttersprachliche Kenntnisse).

 

 

 


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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