Pilgern ist ein uraltes Element christlicher Spiritualität: Körperliche Bewegung, innere Einkehr und die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte vereinen sich. Christliche Erlebnispädagogik schöpft aus dieser Erfahrung. Sie baut auf dem Grundgedanken auf, dass Gott sich offenbart – konkret, erfahrbar, im Leben der Menschen. Diese Erfahrung geschieht oft unterwegs, so wie bei den Jüngern von Emmaus, denen der Auferstandene auf dem Weg begegnete (vgl. Lk 24,13-35). Der Weg bietet reflexive Räume: die Stille des Morgens, Gespräche mit Weggefährten, Brüche im Alltag. Nicht das Ziel ist alles, sondern unser Werden auf dem Weg, die Menschen, die uns begegnen, uns unterstützen oder herausfordern – und das geistliche Zentrum des Pilgerns, das im Licht des Evangeliums erkannt werden will.
Pilgern ist eine Schule der Offenbarung
Das Neue Testament ist durchzogen von Wegbildern: Jesus ruft Menschen in seine Nachfolge mit den Worten «Komm, folge mir nach» (vgl. Mt 4,19). Die Apostelgeschichte schildert eine Kirche im Aufbruch – ein wanderndes Gottesvolk. Paulus beschreibt das Christsein als Weg, als Wettkampf, als Streben nach dem Ziel (vgl. 1 Kor 9,24f; Phil 3,13f). Und in den Emmaus-Jüngern verdichtet sich die Erfahrung vieler Pilger: «Brannte uns nicht das Herz, als er unterwegs mit uns redete?» (Lk 24,32). Sie erkennen den Auferstandenen erst im Rückblick, aber erfahren haben sie ihn schon unterwegs. Jesus selbst wirkt in den Evangelien vielfach wie ein göttlicher Erlebnispädagoge. Er lehrt nicht abstrakt, sondern durch Begegnung, durch gemeinsames Gehen, durch existentielle Herausforderungen. Als Petrus auf dem See aus dem Boot steigt und im Vertrauen auf Jesus über das Wasser geht (vgl. Mt 14,22-33), ist das eine typische pädagogische Grenzerfahrung: Glaube und Zweifel, Mut und Angst, Scheitern und Gerettet-Werden. All das verdichtet sich in einer Szene. Jesus stellt Petrus nicht bloss, sondern begleitet ihn durch das Erleben hindurch – ganz wie ein geistlicher Begleiter.
Auch heute begegnet Christus den Menschen auf ihren Wegen. Wer sich aufmacht, wer mit offenen Herzen pilgert, dem wird oft etwas geschenkt, das grösser ist als blosse Erholung oder sportliche Leistung. Die Wege heutiger Pilgerinnen und Pilger werden so zu Orten der Offenbarung. Wer unterwegs ist, wie damals die Jünger, kann erfahren: Gott geht mit – verborgen, aber gegenwärtig. Christus selbst wird zum Weg (vgl. Joh 14,6). Pilgerwege werden dadurch zu Räumen gelebter Hoffnung. Wer sich aufmacht, öffnet sich der Möglichkeit, dass sich dieser Weg in neuer Tiefe zeigt.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Wir erfahren unsere Nächsten und die ganze Welt zuerst einmal so, wie wir glauben, dass sie seien. Und so sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Wir erfahren nicht zuletzt auch Gott so, wie wir glauben, dass er sei. Unsere Vorfahren erfuhren ihn meist als den zwar gerechten aber auch strengen Richter, wie er damals verkündet wurde. Der moderne Christ erfährt ihn zuerst als den liebenden, den barmherzigen, wie er uns heute präsentiert wird. Doch ein einseitiges Gottesbild ist immer gefährlich. Nur der ganze Gott ist der wahre Gott. Wenn er uns katholisch, das heisst allumfassend präsentiert wird, laufen wir viel weniger Gefahr, uns enttäuscht von ihm abzuwenden. Dann fällt es uns leichter, jene echte Beziehung zu ihm aufzubauen, die er uns anbietet, die wir wahrnehmen, glauben, und entgegnen sollen.
Mit freundlichen Grüssen
Mike Qerkini