Bronze-Baldachin von Gian Lorenzo Bernini im Petersdom. (Bild: Jules Holleboom/Flickr, CC BY-NC-SA 2.0)

Weltkirche

Pracht­vol­ler Hin­gu­cker zwi­schen Him­mels­kup­pel und Petrusgrab

Neun Jahre brauchte Gian Lorenzo Bern­ini für sein ers­tes Kunst­werk im Peters­dom; gut neun Monate wird es gedau­ert haben, den Bronze-​Baldachin vom Staub der Jahr­hun­derte zu befreien. Dann dürf­ten sich die Besu­che­rin­nen und Besu­cher die Augen reiben.

Die Spannung wächst: Noch erinnert der riesige graue Quader in der Vierung des Petersdoms eher an ein verirrtes Flugobjekt oder ein Werk von Verpackungskünstler Christo. Doch spätestens an Weihnachten soll der mächtige Bronze-Baldachin von Barockmeister Gian Lorenzo Bernini wieder in voller Pracht erstrahlen; gemessen an den neun Jahren seiner Entstehungszeit vor 400 Jahren sind diese wenigen Monate der Restaurierung ein kurzes Blinzeln.

Die Restaurierung des fast 30 Meter hohen und 63 Tonnen schweren Baldachins, der den Hauptaltar krönt, ist eines der Grossprojekte zum Heiligen Jahr 2025, das Papst Franziskus an Heiligabend eröffnen will. Viele Millionen Menschen hat das barocke Werk aus Bronze, Marmor, Holz und Gold seit seiner Vollendung 1633 in Staunen versetzt. Auch die Symbolkraft des Monuments, hoch wie ein zehnstöckiges Haus, könnte kaum grösser sein: Es verbindet das Grab des Apostels Petrus tief in den Vatikanischen Grotten mit der 117 Meter hohen Hauptkuppel der wichtigsten Kirche der Welt.

Dreck, Staub und Öl entfernen
Doch die täglich rund 60 000 Besucher lassen neben ihrer Bewunderung auch Schmutz, Haar- und Hautpartikel im Petersdom. Zusammen mit Staub und Ölen hat sich all das auf dem Ausnahmekunstwerk eingebrannt und es matt werden lassen, von den Marmorsockeln bis zu Weltkugel und Kreuz, hoch oben auf der zwiebelförmigen Spitze. Zum Heiligen Jahr, für das mehr als 32 Millionen Gäste in Rom erwartet werden, soll das Prachtwerk im ursprünglichen Glanz erstrahlen. Die veranschlagten Kosten von 700 000 Euro übernehmen die Kolumbusritter («Knights of Columbus»), eine römisch-katholische Laienvereinigung von Männern, die besonders in den USA tätig ist.

Und so analysieren, fotografieren, filmen und kartieren seit dem Frühjahr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten und den Vatikanischen Museen jede Putte, Quaste und Statue am Baldachin. Seit der letzten Restaurierung 1758 kam ihm niemand so nah. Hinter den leicht transparenten Planen um das Gerüst sind Trupps von bis zu 15 Restauratoren und Fachleuten mehr zu ahnen als zu sehen. Die Farbe der Verkleidung habe man gewählt, weil sie sich dezent in die Umgebung der Papstbasilika füge, erläutert der Chef der Vatikanischen Dombauhütte, Pietro Zander – soweit ein Kunstwerk dieses Ausmasses, das dem Besucher schon beim Eintritt in das 186 Meter lange Kirchenschiff ins Auge springt, dezent sein kann.

Auch die Konstruktion des Metallgerüsts sei anspruchsvoll: Es umschliesst das empfindliche Kunstwerk, ohne es zu berühren. Insgesamt wurden fast ein Kilometer Stromkabel sowie Wasserleitungen auf den Etagen verlegt. Darauf arbeiten sich die Fachleute langsam von oben nach unten, ausgerüstet mit Skalpellen, Eisenbürstchen, Mikrobohrern und Vibrationsgravierern.

Der Glanz von Gold und Schwarz
Obwohl die Oberfläche riesig ist – allein 150 Quadratmeter sind mit Gold versehen – die Arbeiten schreiten gut voran. Pietro Zander zeigt sich optimistisch für die rechtzeitige Vollendung vor dem 24. Dezember. «Das Neue ist, dass Besucher dann erstmals die Zweifarbigkeit sehen können: den Glanz von Gold und Schwarz der Säulen und Statuen.» Ganz wichtig: «Die Restauratoren fügen nichts hinzu. Wir werden den Baldachin so sehen, wie er vom Barockkünstler Bernini konzipiert wurde.»

Ganz in der Manier der Zeit sparte der nicht mit prunkvollen Details: Die vier beinahe lebensgrossen Engel an den Ecken des Dachs ziehen die Betrachter durch dramatische Gesten in ihren Bann; an den spiralförmigen Säulen ranken goldene Oliven- und Lorbeerzweige empor. Die Marmorsockel zeigen an den Aussenseiten die päpstliche Krone sowie die Schlüssel Petri als Zeichen für das Papsttum. Zahlreiche Bienen, Wappentiere des Adelsgeschlechts der Barberini, erinnern an die – nicht unumstrittene – Familie des Auftraggebers, Papst Urban VIII. (1623–1644).

«Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini» (Was die Barbaren nicht schafften, das schafften die Barberini) spielt ein römisches Sprichwort auf eine bekannte Legende an: Demnach habe Urban VIII. für sein Lieblingsprojekt tonnenweise Bronze vom Dach des Pantheon zum Petersdom schaffen lassen. Aber Pietro Zander verweist auf Archivdokumente: «Wir wissen, dass zwar Bronze vom Pantheon für den Baldachin kam, aber die stammte ursprünglich aus der Dombauhütte von Sankt Peter und wurde so dem Papst zurückgegeben.» Tatsächlich seien für das Kunstwerk sechs Kupferrippen von der Kuppel des Petersdoms abmontiert und eingeschmolzen worden. An der Legende um die bienenfleissigen Barberini sei jedenfalls nichts dran.


KNA/Redaktion


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