Symbolbild. (Bild: Carlos Daniel/Cathopic)

Kommentar

Pries­ter für mor­gen – eine deut­sche Stu­die soll es richten

Eine im Auf­trag der «Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz» erstellte Stu­die for­dert eine Neu­ori­en­tie­rung der Pries­ter­aus­bil­dung. Das Rezept ist ebenso falsch wie die ihm zugrunde lie­gende Diagnose.

Eine deutsche Studie soll es richten. Ihr Titel «Wer wird Priester?» ist allerdings krass irreführend. Der Sozialwissenschaftler Nikita Katsuba hat sie in Zusammenarbeit mit Matthias Sellmann im Auftrag der «Deutschen Bischofskonferenz» verfasst. Analysiert wurden die Priester der Weihejahrgänge 2010 bis 2021, im Durchschnitt waren sie 37 Jahre alt.

Nikita Katsuba bereitet sein eigener Befund unverhohlenes Unbehagen, verortet er doch die meisten dieser Priester in «monokonfessionellen Herkunftsfamilien», in denen ein konservatives bzw. veraltetes Verständnis des Priesterberufes vorherrsche. Dazu passe es, dass sich die Priester auf «Gemeinden, Liturgie und Volkskirche» fokussieren würden.

Katsuba in seinem «kath.ch»-Interview weiter: «Die Mehrheit der Priester mit ihrem traditionell-katholischen Habitus repräsentiert immer weniger die Mitte der Gesellschaft und zunehmend einen konservativen, demografisch alternden und schwindenden Rand.»
Einmal abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe von Priestern sein kann, die «Mitte der Gesellschaft» zu repräsentieren, letztere vielmehr einen theologisch völlig irrelevanten Bezugspunkt darstellt (die zentrale Berufung eines Priesters besteht vielmehr darin, sich am Evangelium und der Lehre der Kirche auszurichten), ist diese viel beschworene Mitte längst inexistent, zum puren Phantom geworden.

Nikita Katsuba räumt ein, dass sich die Gesellschaft in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert hat. Zu diesen dramatischen Veränderungen gehören nun zweifelsohne gerade auch tatsächlich besorgniserregende Polarisierungen in fast allen gesellschaftspolitischen Segmenten. Studienautor Katsuba wird am Exempel der in Kürze stattfindenden Landtagswahlen in Ostdeutschland anschaulich vor Augen geführt bekommen, welch kümmerlicher Rest von dieser Mitte der Gesellschaft noch übrig leiben wird.

Von der Fehldiagnose zur fehlgeleiteten Therapie
Nikita Katsuba lässt es aber nicht bei diesem aus seiner Sicht bedauernswerten Befund der «jungen Priestergeneration» bewenden, sondern – und darin manifestiert sich der irreführende Studientitel – gibt im gleichen Atemzug auch noch die Marschrichtung vor, wie im Kontrast dazu das Profil «zukunftsfähiger Priester» aussehen müsse. Die Kirche solle ihre Milieubeschränkung überwinden, sich für andere Lebenswelten öffnen und schliesslich so zum attraktiven Arbeitgeber und Einsatzort für die junge Generation aus den Milieus der gesellschaftlichen Mitte werden und damit neue Berufungen von Männern unterschiedlicher sozio-demografischer Hintergründe fördern. Denn, so Katsuba apodiktisch: «Nur dieses Szenario ermöglicht es, den dramatisch sinkenden Zahlen der Priesterkandidaten entgegenzuwirken.»

Irgendwie nur logisch, dass sich Nikita Katsuba aufgrund seiner Fehldiagnose auch zu einer fehlgeleiteten Therapie verleiten lässt. Es mag ein soziologisch interessantes Gedankenspiel sein, der Kirche eine Öffnung auf andere Lebenswelten zu verschreiben und sie mit einem trendig aufgemachten Facelifting als «attraktiven Arbeitgeber» anzupreisen. Ein solches soziologisches Rezept ist zunächst einmal bar jeder theologischen Relevanz: Das Berufsbild des Priesters – wie konservativ oder progressiv es man auch immer definieren will – hat sich am Ruf Christi zur ungeteilten Nachfolge zu orientieren, Zeitgeistkonformität hin oder her (Matthäus 10,37).

Katsuba ist es zudem offensichtlich entgangen bzw. will die Tatsache schlicht nicht wahrhaben, dass sein «Therapie-Szenario» in den Seminarien im deutschsprachigen Raum längst Einzug gehalten hat – mit fatalen Folgen. Es ist just die von ihm propagierte Ausrichtung auf «neue Lebenswelten» und der damit einhergehende Verlust der spirituellen Beheimatung und der Vermittlung essentieller Glaubensinhalte, welche zu einem dramatischen Einbruch der Zahl der Priesteramtskandidaten führte. Ein ebenso anschauliches wie betrübliches Beispiel dieses Erosionsprozesses ist die Diözese Chur: Zählte ihr Priesterseminar im Jahre 2018, also zur Zeit von Bischof Huonder, noch 28 Priesteramtskandidaten, so sind es im Jahre 2023, also unter Bischof Bonnemain, der erklärtermassen das Priesterseminar zu einer «Je-Ka-Mi-Ausbildungsstätte» umkrempeln will, gerade noch drei. Der Abschreckungseffekt eines solchen Discount-Ausbildungskonzeptes ist buchstäblich mit Händen zu greifen.
 


Die Realität sieht anders aus
Demgegenüber fällt auf, dass sich der Tradition und Lehre der Kirche verpflichtete Seminare über mangelnden Nachwuchs nicht zu beklagen haben – übrigens zum nicht geringen Verdruss der sich als Bannerträger einer «zukunftsfähigen Kirche» inszenierenden Exponenten. Eindrückliches Beispiel dafür ist die von Abbé Jean-François Guérin 1979 gegründete Gemeinschaft «Communauté St. Martin». Sie kennt keinen konstruierten Gegensatz zwischen vor- und nachkonziliar, sondern ist vielmehr bestrebt, im Sinne der «Hermeneutik der Kontinuität» ihren Priesteramtskandidaten die Erneuerung der Kirche im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils in Treue zur Tradition und Lehre der Kirche zu vermitteln. Ihr «Leistungsausweis» lässt sich sehen: Die «Communauté St. Martin» ist mittlerweile das Seminar mit den meisten Priesteramtskandidaten in ganz Frankreich. Setzt sich der bisherige Trend fort, könnten Schätzungen zufolge in 20 bis 30 Jahren rund ein Drittel des französischen Klerus dieser Gemeinschaft angehören. Der aus dem Kanton Freiburg stammende Pascal Dumont hat seine Beweggründe, der «Communauté St. Martin» beizutreten, gegenüber «swiss-cath.ch» wie folgt umschrieben: «Drei Dinge sind es, die mich ganz besonders in Bann geschlagen haben: die Qualität des spirituellen Lebens und die Schönheit der Liturgie, die Kraft und Freude des gemeinsamen Lebens sowie die Gewissheit, eine lehramtstreue philosophische und theologische Ausbildung zu erhalten.»

Wie realitätsfremd die Behauptung Katsubas ist, die von ihm als «traditionell-katholisch» deklassierten Jungpriester würden einen «demografisch alternden und schwindenden Rand» repräsentieren, belegt auch der beeindruckende Aufschwung, den die «Priesterbruderschaft St. Petrus» in Fribourg in den letzten Jahren erlebt hat. Seit ihr der Ortsbischof Charles Morerod die prachtvoll restaurierte Kirche «Notre-Dame» im Herzen der Stadt Freiburg für Gottesdienste zur Verfügung gestellt hat, werden diese von einer stets wachsenden Zahl von Gläubigen besucht. Die Vermutung dürfte nicht übertrieben sein, dass an einem Sonntags-Gottesdienst in der Kirche «Notre-Dame» mehr junge Familien mit Kindern teilnehmen als in allen anderen Stadtfreiburger Pfarreien zusammen.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Stefan Fleischer 20.08.2024 um 08:00
    Gutes Bild für diesen Sachverhalt. Die moderne Theologie glaubt, mit einem "Kasperltheater" bei den Menschen punkten zu können. Dazu aber ist die Konkurrenz viel zu gross und weitaus professioneller. Ich bin überzeugt, wenn wir Gott wieder ganz bewusst als Gott, unseren Herrn und Gebieter akzeptieren und verkünden würden, wäre auch der Priestermangel rasch behoben.
  • user
    Claudio Tessari 19.08.2024 um 20:47
    Ich denke dort wo der Glaube unverkürzt verkündet wird, wo der Rosenkranz gebetet wird und die Eucharistie mit Ehrfurcht behandlet wird, dort blüht die Kirche UNABHÄNGIG des Ritus.
    • user
      Marquard Imfeld 20.08.2024 um 00:30
      Ihre Aussage ist korrekt.

      Das Problem liegt aber beim Priesternachwuchs: junge Männer zieht es in die traditionellen Priesterseminare, und nicht in die weltlich angepassten Institute. Deshalb müssen die nachkonziliär-orientierten Pfarreien ihre Priester aus Afrika, Indien und Polen importieren - solange das noch machbar ist.
      • user
        Meier Pirmin 20.08.2024 um 10:08
        Der Hauptgrund für die Priester aus der "3. Welt" ist wie im 16. Jahrhundert bei uns das Pfrundeinkommen. Ich habe das vor Jahren am Beispiel sowohl eines indischen wie auch afrikanischen Priesters sowohl im Raum oberer Zürichsee wie auch in der Innerschweiz konkret beobachten können, ohne diese Priester nur negativ beurteilen zu wollen. Es gibt Aussagen von Bruder Klaus über eben diese Sorte Priester. U.a. in seinem Testament bezeugt.
        • user
          Marquard Imfeld 20.08.2024 um 14:06
          Die hohen Saläre und der Wohlstand in der Schweiz halfen und helfen immer noch beim Anwerben von Priestern aus Afrika, Indien und Polen. Aber sagen Sie mir bitte, lieber Herr Meier, woher sollen unsere deutschsprachigen Bischöfe die Priester sonst bekommen? Denn es sind im deutschsprachigen Raum und in Frankreich nur noch die traditionellen Priesterseminare, und der Tradition verpflichteten Orden, deren Priesterseminare überquellen. Die diesbezüglichen Statistiken erklären alles.
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          Martin Meier-Schnüriger 21.08.2024 um 17:21
          Eine gewagte und zudem pauschalisierende Behauptung, auch wenn sie sich angeblich auf Bruder Klaus berufen kann! Wir können froh und dankbar sein für die Priester aus der "3. Welt" oder aus Osteuropa, die sich in den Haifischteich einer durchschnittlichen Schweizer Pfarrei wagen.
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            Daniel Ric 21.08.2024 um 21:05
            Vielen Dank für diesen Kommentar. Persönlich kenne ich viele ausländische Priester, die ganz bestimmt nicht aus monetären Gründen in der Schweiz wirken. Wenn pekuniäre Gründe mitspielen, dann stammen diese von den Bistümern, aus denen die Priester kommen. Natürlich senden viele Bistümer in Afrika oder Asien Priester in die Schweiz, um Geld für ihre Heimatdiözese zu verdienen. Aber ist dies verwerflich? Gibt es denn viele Schweizer Priester, Diakone oder Laientheologen, die gratis arbeiten? Wie viel Geld verdient Bischof Felix eigentlich? Ich finde es falsch, den ausländischen Priestern ständig vorzuwerfen, hier in der Schweiz Geld verdienen zu wollen, währenddem alle Angestellten der hiesigen Kirche so viel Geld verdienen.
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      Daniel Ric 22.08.2024 um 12:24
      Ich teile diese Auffassung. Oft haben wir in der Schweiz das Gefühl, dass die Polarisierung, die wir in der Schweiz haben, weltweit ähnlich aussieht. Es gibt weltweit viel Priesternachwuchs und diesen gäbe es auch in der Schweiz, wenn - wie Sie richtig schreiben - der Glauben im Zentrum stünde und der Priester in den Pfarreien wirklich Priester sein kann. Leider ist dies in vielen Pfarreien nicht der Fall. Der Priester wird an den Rand gedrängt. Es ist die Aufgabe von uns Laien, die Priesterberufung wieder attraktiv zu machen, indem wir dafür sorgen, dass die Priester in den Pfarreien wieder ihrer Berufung nachgehen können.