Eine deutsche Studie soll es richten. Ihr Titel «Wer wird Priester?» ist allerdings krass irreführend. Der Sozialwissenschaftler Nikita Katsuba hat sie in Zusammenarbeit mit Matthias Sellmann im Auftrag der «Deutschen Bischofskonferenz» verfasst. Analysiert wurden die Priester der Weihejahrgänge 2010 bis 2021, im Durchschnitt waren sie 37 Jahre alt.
Nikita Katsuba bereitet sein eigener Befund unverhohlenes Unbehagen, verortet er doch die meisten dieser Priester in «monokonfessionellen Herkunftsfamilien», in denen ein konservatives bzw. veraltetes Verständnis des Priesterberufes vorherrsche. Dazu passe es, dass sich die Priester auf «Gemeinden, Liturgie und Volkskirche» fokussieren würden.
Katsuba in seinem «kath.ch»-Interview weiter: «Die Mehrheit der Priester mit ihrem traditionell-katholischen Habitus repräsentiert immer weniger die Mitte der Gesellschaft und zunehmend einen konservativen, demografisch alternden und schwindenden Rand.»
Einmal abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe von Priestern sein kann, die «Mitte der Gesellschaft» zu repräsentieren, letztere vielmehr einen theologisch völlig irrelevanten Bezugspunkt darstellt (die zentrale Berufung eines Priesters besteht vielmehr darin, sich am Evangelium und der Lehre der Kirche auszurichten), ist diese viel beschworene Mitte längst inexistent, zum puren Phantom geworden.
Nikita Katsuba räumt ein, dass sich die Gesellschaft in den letzten 20 Jahren dramatisch verändert hat. Zu diesen dramatischen Veränderungen gehören nun zweifelsohne gerade auch tatsächlich besorgniserregende Polarisierungen in fast allen gesellschaftspolitischen Segmenten. Studienautor Katsuba wird am Exempel der in Kürze stattfindenden Landtagswahlen in Ostdeutschland anschaulich vor Augen geführt bekommen, welch kümmerlicher Rest von dieser Mitte der Gesellschaft noch übrig leiben wird.
Von der Fehldiagnose zur fehlgeleiteten Therapie
Nikita Katsuba lässt es aber nicht bei diesem aus seiner Sicht bedauernswerten Befund der «jungen Priestergeneration» bewenden, sondern – und darin manifestiert sich der irreführende Studientitel – gibt im gleichen Atemzug auch noch die Marschrichtung vor, wie im Kontrast dazu das Profil «zukunftsfähiger Priester» aussehen müsse. Die Kirche solle ihre Milieubeschränkung überwinden, sich für andere Lebenswelten öffnen und schliesslich so zum attraktiven Arbeitgeber und Einsatzort für die junge Generation aus den Milieus der gesellschaftlichen Mitte werden und damit neue Berufungen von Männern unterschiedlicher sozio-demografischer Hintergründe fördern. Denn, so Katsuba apodiktisch: «Nur dieses Szenario ermöglicht es, den dramatisch sinkenden Zahlen der Priesterkandidaten entgegenzuwirken.»
Irgendwie nur logisch, dass sich Nikita Katsuba aufgrund seiner Fehldiagnose auch zu einer fehlgeleiteten Therapie verleiten lässt. Es mag ein soziologisch interessantes Gedankenspiel sein, der Kirche eine Öffnung auf andere Lebenswelten zu verschreiben und sie mit einem trendig aufgemachten Facelifting als «attraktiven Arbeitgeber» anzupreisen. Ein solches soziologisches Rezept ist zunächst einmal bar jeder theologischen Relevanz: Das Berufsbild des Priesters – wie konservativ oder progressiv es man auch immer definieren will – hat sich am Ruf Christi zur ungeteilten Nachfolge zu orientieren, Zeitgeistkonformität hin oder her (Matthäus 10,37).
Katsuba ist es zudem offensichtlich entgangen bzw. will die Tatsache schlicht nicht wahrhaben, dass sein «Therapie-Szenario» in den Seminarien im deutschsprachigen Raum längst Einzug gehalten hat – mit fatalen Folgen. Es ist just die von ihm propagierte Ausrichtung auf «neue Lebenswelten» und der damit einhergehende Verlust der spirituellen Beheimatung und der Vermittlung essentieller Glaubensinhalte, welche zu einem dramatischen Einbruch der Zahl der Priesteramtskandidaten führte. Ein ebenso anschauliches wie betrübliches Beispiel dieses Erosionsprozesses ist die Diözese Chur: Zählte ihr Priesterseminar im Jahre 2018, also zur Zeit von Bischof Huonder, noch 28 Priesteramtskandidaten, so sind es im Jahre 2023, also unter Bischof Bonnemain, der erklärtermassen das Priesterseminar zu einer «Je-Ka-Mi-Ausbildungsstätte» umkrempeln will, gerade noch drei. Der Abschreckungseffekt eines solchen Discount-Ausbildungskonzeptes ist buchstäblich mit Händen zu greifen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Das Problem liegt aber beim Priesternachwuchs: junge Männer zieht es in die traditionellen Priesterseminare, und nicht in die weltlich angepassten Institute. Deshalb müssen die nachkonziliär-orientierten Pfarreien ihre Priester aus Afrika, Indien und Polen importieren - solange das noch machbar ist.