Referent Don Philipp Isenegger wusste an der Tagung von Pro Ecclesia zu begeistern. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Pro Ecclesia-​Einkehrtag mit Don Phil­ipp Isenegger

Am ver­gan­ge­nen Sams­tag, den 18. Okto­ber 2025, führte Pro Eccle­sia ihren Ein­kehr­tag durch. Im Zen­trum stand das Refe­rat von Don Phil­ipp Isenegger, der zum aktu­el­len Thema «All­ge­mei­nes Pries­ter­tum – Mit­wir­kung am Heils­plan Got­tes» zukunfts­wei­sende Impulse vermittelte.

In bewährter Manier sorgten auch dieses Jahr Monika Gegenschatz (Luzern) und Pirmin Müller (Neuenkirch) für die professionelle Organisation und Moderation des Pro Ecclesia-Einkehrtages in Luzern. Als Referent konnte Don Philipp Isenegger gewonnen werden, geistlicher Leiter des Missionswerks BLESS.

«Allgemeines Priestertum – Mitwirkung am Heilsplan Gottes» hatte er zum Thema seines Vortrages gewählt. Hört sich zunächst einmal an wie der trockene Titel eines Pflichtseminars im Rahmen des Theologiestudiums. War es aber nicht. Don Philipp begeisterte vielmehr mit einer lebendigen, anschaulichen Vortragsweise, welche die Zuhörerschaft gleich zu Beginn in ihren Bann zog.

Der «Aufhänger»: Die Tragödie der im Jahre 1912 untergegangenen Titanic, genauerhin die «Tragödie in der Tragödie». Konkret: Die meisten Matrosen machten sich mit ihren Rettungsbooten davon, ohne Schiffbrüchige mitzunehmen. Nur gerade zwei Rettungsboote, so Don Philipp, kehrten an den Unglücksort zurück, um Passagiere vor dem Ertrinken zu retten. Ein gelungener Einstieg ins Vortragsthema, wie sich bald zeigen sollte. Denn die Matrosen, die sich ihrem Beruf, ihrer Berufung verweigert hatten, nämlich Schiffbrüchige zu retten, stehen in der Geschichte keineswegs isoliert da. Auch nicht in der Heilsgeschichte, wie die Bibel auf höchst eindrückliche Weise dokumentiert: Der Ruf Gottes an den Menschen zieht sich wie ein roter Faden durch das Alte und Neue Testament. Ebenso der Versuch des Menschen, sich diesem Ruf zu entziehen, ihm, wenn immer möglich, aus dem Weg zu gehen.

Es beginnt schon mit dem Ruf Gottes an Adam: «Wo bist du?». Worauf Adam zur Antwort gibt: «Ich hörte dich im Garten, da fürchtete ich mich, weil ich nackt bin und verbarg mich.» Der manifeste Wille, sich dem Ruf Gottes zu widersetzen, setzt sich fort in der Berufungsgeschichte Moses: «Ach Herr, ich bin kein beredter Mann; ich war es von jeher nicht und bin es auch jetzt nicht, seitdem du mit deinem Knecht redest, sondern schwerfällig ist mein Mund und meine Zunge […] Ach Herr, sende doch, wen du senden willst» (Ex 4,13). «Aber bitte nicht mich», ist man versucht hinzuzufügen.

Es geht weiter mit der Berufungsgeschichte des Propheten Jonas. Dieser erhält von Gott den Befehl, sich nach Ninive zu begeben und wider sie zu predigen, «denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen» (Jon 1,2). Doch Jonas weigert sich, flieht vor dem Angesicht des Herrn nach Tarschisch. Zur Strafe muss Jonas drei Tage und Nächte im Bauch eines grossen Meerfisches verbringen. «Jeder Prophet», brachte es Don Philipp auf den Punkt, «hatte eine Ausrede, stemmte sich gegen seine Berufung.»

«Gott beruft nicht die Befähigten, sondern befähigt die Berufenen»
Es fällt auch uns Heutigen nicht schwer, ihren Widerwillen nachzuempfinden, denn sie ahnten wohl, welch schwere Last auf sie zukommen sollte. Auch im Neuen Testament setzt sich dieser ausgesprochene Widerwille fort, dem Plan Gottes zu folgen. Denken wir an den ungläubigen Thomas, an die Apostelfürsten Petrus und Paulus. Den unüberholbaren Kontrapunkt setzte Maria mit ihrem vorbehaltlosen «Fiat mihi» – «Mir geschehe nach Deinem Wort.»

Wir alle, so Don Philipp, sind aufgerufen, unser je eigenes «Fiat mihi» zu sprechen. Und das heisst: Nicht zu einer Funktion, sondern zu einer Beziehung mit Gott. Er ist es, der ruft. Aus der bejahten, lebendigen Beziehung folgt die Sendung. All die Arten von Bequemlichkeiten, wie sie das «Wellness-Christentum» feil bietet, Ausflüchte und Hemmungen infolge des eigenen Unvermögens, sie sind fehl am Platz, denn, so Don Philipp: «Gott beruft nicht die Befähigten, sondern befähigt die Berufenen.» 
 


Taufe als Erstberufung
An jeden Einzelnen von uns ergeht auch heute Gottes Ruf. Das erste Mal in der Taufe, der Wiedergeburt in Christus, der uns zuruft: «Ihr seid das Licht der Welt.» Die Taufkerze symbolisiert diese Neuwerdung in augenfälliger Weise – je mehr und länger sie brennt, umso kleiner wird sie: ein Zeichen der Demut.

Don Philipp verwies auf eine zentrale Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils, wonach alle, ob Laien oder zum Klerus gehörend, zur Heiligkeit berufen sind. Bedeutet: Alle haben Anteil an den drei Ämtern Christi: am priesterlichen Amt durch persönliches Opfer und Gebet; am prophetischen Amt, indem wir die Wahrheit verkünden und zu ihr stehen, in der Familie und am Arbeitsplatz; am königlichen Amt in der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Weg vom «Wellness-Christentum»
Don Philipp liess es nicht an aktuellen Bezügen fehlen. Gerade was das «königliche Amt» betrifft, stellt er eine wachsende Flucht aus der persönlichen Verantwortung in anonyme Gremien und Kommissionen fest. Der Mut zur Führung ist gerade auffallend vielen Männern abhanden gekommen. Der Mut auch zur Vaterschaft, sei es im Sinn einer Familie mit Frau und Kindern, sei es im geistlichen Sinne. Allzu viele verharren im «Pubertäts-Modus», Infantilismus in Kirche und Gesellschaft nimmt überhand.

Doch gerade heute heisst es: Weg vom Konsumenten-Christentum, das bestenfalls an Weihnachten und Ostern in Erscheinung tritt. Es gilt, das je eigene Charisma zu entdecken und zu leben, aber nicht zur Selbstbespiegelung, sondern als Dienst am Aufbau des Leibes Christi, so wie es der Apostel Paulus formuliert hat: «Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen der Gemeinde gegeben» (1 Kor 12,7).

Don Philipp konstatierte eine bedenkliche Verdunstung der Glaubenssubstanz, ablesbar vor allem an der ausbleibenden Weitergabe des Glaubens in den Familien. Doch gerade die Familien sind infolge des Priestermangels primär gefordert. Das Pfarreileben darf nicht auf soziale Aktivitäten reduziert werden. So ehrenwert es im Einzelfall ist, es darf nicht von der Verkündigung, vom Glaubenszeugnis abgekoppelt werden.

Die Christen von heute und morgen sind mehr denn je aufgerufen, es der Urkirche gleichzutun, in der alle im Einsatz standen. Das unverzichtbare Engagement der Laien am Aufbau des einen Leibes Christi im Sinne des Allgemeinen Priestertums darf auch nicht in einen Klerikalismus münden, in einen innerkirchlichen Grabenkampf, so, als ob es darum ginge, den Klerus zu «ent-mächtigen». Die Devise so mancher Kirchenpflegen («Wir bezahlen, also befehlen wir») führt in die Irre.

Zeichen der Hoffnung
Als hoffnungsvolles Zeichen wertet Don Philipp, dass viele Jugendliche ein starkes Verlangen nach Verbindlichkeit, nach Orientierung und Gemeinschaft haben. Hier eröffnet sich ein dankbares Feld für ein aktives Engagement der Laien gemäss dem Zweiten Vatikanum.

Hoffnungsvoll stimmen darf auch die Tatsache, dass in der Kirchengeschichte Zeiten der grossen Krisen stets auch Zeiten der grossen Aufbrüche waren.

Allzu viele Theologen reden und schreiben im Konjunktiv-Modus: «Man sollte, man müsste.» Der Ruf Gottes ist aber ein unbedingter, nicht ein unverbindliches Angebot, ein «à la carte Menu». Eine kritische Selbstbefragung ist angesagt: Wofür brennt mein Herz? Will ich wirklich ein Heiliger, eine Heilige werden?

Don Philipp erinnerte an die Warnung der Offenbarung: «So aber, weil du lau bist und weder warm noch kalt, will ich dich ausspeien aus meinem Munde» (Offb 3,16). Der Referent schloss mit der Aufforderung an die Zuhörerschaft, uns mit ungeteiltem Herzen die Worte der Heiligen Schrift zu eigen zu machen: «Herr, sende mich.»


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 19.10.2025 um 19:45
    Ganz herzlichen Dank!
    Dieser Vortrag bringt es auf den Punkt. Unsere Kirche darf nicht zu einem Player der Freizeitindustrie werden, auch nicht einfach zu einem Selbstbedienungsladen. Unser Gott ist Liebe. Ja. Er ist aber auch der Herr, Er ist barmherzig, Ja. Er ist aber auch gerecht. Wir sind seine Kinder. Ja, Er ist aber auch unser Vater, der uns fördert und fordert, der uns gegebenen Falls auch Schranken setzt und nötigenfalls sogar straft. Er ist der allumfassende, allwissende und allmächtige Gott. Ihn müssen wir wieder lernen wirklich ernst zu nehmen. Das ist jene Furcht des Herrn, welche in der Schrift als der Anfang der Weisheit gepriesen wird. (Ps 111.10)