Der von der Menschenrechtsorganisation «Christian Solidarity International» CSI («Für Religionsfreiheit und Menschenwürde») vor 13 Jahren ins Leben gerufene Anlass gilt vorab verfolgten Christinnen und Christen und ist aktueller denn je. So sind Christen die mit Abstand am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft, gemäss dem Hilfswerk «Open Doors» sind es 317 Millionen weltweit allein in den Ländern mit den schlimmsten Repressionen. Nach dem vor wenigen Tagen erfolgten Sturz des Assad-Regimes durch die islamistischen HTC-Milizen müssen die Christen in Syrien allen Schalmeienklängen der neuen Machthaber zum Trotz mit dem Schlimmsten rechnen.
Rico Bandle hat den Untergang des Christentums im Nahen Osten in einem beklemmenden Hintergrundbericht nachgezeichnet («Das Drama der Christen im Nahen Osten», «Tages-Anzeiger» online vom 8. Dezember 2024). Mit Blick auf Syrien hält Bandle fest, dass in der einstigen christlichen Hochburg Aleppo, der ersten von den Islamisten eroberten Stadt, vor 15 Jahren noch 250 000 Christen gelebt haben – heute drohen sie dort ganz zu verschwinden. Joel Veldkamp von CSI, der über die Christen in Aleppo doktoriert hat, warnt: «Die islamistische HTS buhlt um die Gunst der Weltöffentlichkeit, deshalb gibt sie sich noch moderat.» Doch für ihn ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Repressionen beginnen.
Ortswechsel: In Bethlehem, dem Geburtsort Jesu, der heute zum palästinensischen Autonomiegebiet der Westbank gehört, betrug 1995 der christliche Bevölkerungsanteil noch 80 Prozent, heute macht er weniger als 10 Prozent aus. Neben dem permanenten Druck eines zunehmend intoleranteren Islams nennt Bandle den signifikant höheren Bildungsgrad der christlichen Bevölkerung. Einerseits sind Christen als Bürger zweiter Klasse berufliche Aufstiegschancen erschwert oder gar ganz verwehrt, andrerseits verbessern sich dank besserer beruflicher Qualifikation die Auswanderungsmöglichkeiten in westliche Staaten (Stichwort: Fachkräftemangel).
Mitschuld des Westens
Aber auch der Westen trägt, so Bandel, ein gerütteltes Mass Mitschuld am Niedergang des Christentums im Nahen Osten. Blieb der Anteil der Christen im Nahen Osten in den Jahren 1500 bis 1900 annähernd konstant bei 15 Prozent, schrumpfte er unter anderem infolge der politischen und sozialen Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg, der Staatsgründung Israels und dem Aufstieg der Muslimbruderschaft auf heute weniger als 4 Prozent. Den grössten Niedergang hatte die Türkei zu verzeichnen: Dem Völkermord an den Armeniern fielen auch orthodoxe und assyrische Christen zum Opfer. Heute gibt es in der Türkei nur noch wenige Christen.
Kommt hinzu, dass die USA und ihre Verbündeten immer wieder radikal-islamische Kräfte unterstützten, um ihre geopolitischen Interessen durchzudrücken. So in Afghanistan, als die Taliban im Kampf gegen die sowjetischen Invasoren mit westlichem Kriegsmaterial ausgerüstet wurden. Auch der von den USA völkerrechtswidrig vom Zaun gebrochene Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein sollte sich als Bumerang erweisen: Das nach der Liquidierung des Hussein-Regimes entstandene Vakuum füllte der extremistische Kampfbund «Islamischer Staat». Ein gleiches Szenario spielte sich in Libyen nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi ab.
Trotz dieser offenkundigen Auslöschung der christlichen Kultur in ihren Ursprungsländern reagiert der Westen mit ausgesprochenem Desinteresse. Mit ein Grund dafür ist die aus ideologischen Gründen systematisch betriebene Beschwörung einer vermeintlich rein negativ verlaufenen Kolonialgeschichte.
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