Mahnwache in Winterthur. (Bild: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Rekord­hohe Teil­nahme an der Mahn­wa­che für Glaubensverfolgte

Im Gebet und Still­schwei­gen ver­eint: Rund 60 Per­so­nen bekun­de­ten an der Mahn­wa­che vom 11. Dezem­ber 2024 in Win­ter­thur ihre Soli­da­ri­tät mit welt­weit ver­folg­ten Glau­bens­ge­schwis­tern. Mit ihnen leg­ten rund 2000 Chris­tin­nen und Chris­ten an 66 Orten in der gan­zen Schweiz ein Zeug­nis ihrer Ver­bun­den­heit ab mit all jenen, die ob ihres Glau­bens wil­len unter­drückt, ver­folgt oder gar getö­tet werden.

Der von der Menschenrechtsorganisation «Christian Solidarity International» CSI («Für Religionsfreiheit und Menschenwürde») vor 13 Jahren ins Leben gerufene Anlass gilt vorab verfolgten Christinnen und Christen und ist aktueller denn je. So sind Christen die mit Abstand am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft, gemäss dem Hilfswerk «Open Doors» sind es 317 Millionen weltweit allein in den Ländern mit den schlimmsten Repressionen. Nach dem vor wenigen Tagen erfolgten Sturz des Assad-Regimes durch die islamistischen HTC-Milizen müssen die Christen in Syrien allen Schalmeienklängen der neuen Machthaber zum Trotz mit dem Schlimmsten rechnen.

Rico Bandle hat den Untergang des Christentums im Nahen Osten in einem beklemmenden Hintergrundbericht nachgezeichnet («Das Drama der Christen im Nahen Osten», «Tages-Anzeiger» online vom 8. Dezember 2024). Mit Blick auf Syrien hält Bandle fest, dass in der einstigen christlichen Hochburg Aleppo, der ersten von den Islamisten eroberten Stadt, vor 15 Jahren noch 250 000 Christen gelebt haben – heute drohen sie dort ganz zu verschwinden. Joel Veldkamp von CSI, der über die Christen in Aleppo doktoriert hat, warnt: «Die islamistische HTS buhlt um die Gunst der Weltöffentlichkeit, deshalb gibt sie sich noch moderat.» Doch für ihn ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Repressionen beginnen.

Ortswechsel: In Bethlehem, dem Geburtsort Jesu, der heute zum palästinensischen Autonomiegebiet der Westbank gehört, betrug 1995 der christliche Bevölkerungsanteil noch 80 Prozent, heute macht er weniger als 10 Prozent aus. Neben dem permanenten Druck eines zunehmend intoleranteren Islams nennt Bandle den signifikant höheren Bildungsgrad der christlichen Bevölkerung. Einerseits sind Christen als Bürger zweiter Klasse berufliche Aufstiegschancen erschwert oder gar ganz verwehrt, andrerseits verbessern sich dank besserer beruflicher Qualifikation die Auswanderungsmöglichkeiten in westliche Staaten (Stichwort: Fachkräftemangel).

Mitschuld des Westens
Aber auch der Westen trägt, so Bandel, ein gerütteltes Mass Mitschuld am Niedergang des Christentums im Nahen Osten. Blieb der Anteil der Christen im Nahen Osten in den Jahren 1500 bis 1900 annähernd konstant bei 15 Prozent, schrumpfte er unter anderem infolge der politischen und sozialen Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg, der Staatsgründung Israels und dem Aufstieg der Muslimbruderschaft auf heute weniger als 4 Prozent. Den grössten Niedergang hatte die Türkei zu verzeichnen: Dem Völkermord an den Armeniern fielen auch orthodoxe und assyrische Christen zum Opfer. Heute gibt es in der Türkei nur noch wenige Christen.

Kommt hinzu, dass die USA und ihre Verbündeten immer wieder radikal-islamische Kräfte unterstützten, um ihre geopolitischen Interessen durchzudrücken. So in Afghanistan, als die Taliban im Kampf gegen die sowjetischen Invasoren mit westlichem Kriegsmaterial ausgerüstet wurden. Auch der von den USA völkerrechtswidrig vom Zaun gebrochene Krieg gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein sollte sich als Bumerang erweisen: Das nach der Liquidierung des Hussein-Regimes entstandene Vakuum füllte der extremistische Kampfbund «Islamischer Staat». Ein gleiches Szenario spielte sich in Libyen nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi ab.

Trotz dieser offenkundigen Auslöschung der christlichen Kultur in ihren Ursprungsländern reagiert der Westen mit ausgesprochenem Desinteresse. Mit ein Grund dafür ist die aus ideologischen Gründen systematisch betriebene Beschwörung einer vermeintlich rein negativ verlaufenen Kolonialgeschichte.
 


Einäugige Stellungnahme
Zum Tag der Menschenrechte (10. Dezember) veröffentlichte die «Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz» die Erklärung «Impulse für den Menschenrechtstag, 10. Dezember 2024». Es wäre dies die ideale Gelegenheit gewesen, die trägen, oft gleichgültigen Gesellschaften des Westens (Schweiz inklusive) wachzurütteln, auf die prekäre Lage zahlreicher Christinnen und Christen in vielen Ländern der Erde aufmerksam zu machen und hierzulande zu tatkräftiger Solidarität aufzurufen. Stattdessen fokussierte die acht Seiten umfassende Erklärung monothematisch auf das hierzulande wohlfeile Thema «Diskriminierung» und ortete diesbezüglich «noch viele offene Baustellen». In extenso exemplifiziert werden linke Lieblingsthemen wie fehlendes Ausländerstimmrecht, schleppende Umsetzung von behindertengerechten Zugängen zu öffentlichen Gebäuden sowie die Produktion von Sendungen in Gebärdensprache. Ein besonderes Anliegen ist der mehrheitlich katholischen Autorenschaft schliesslich der verstärkte Kampf gegen Antisemitismus und Islamophobie in unserem Lande. Statt kommentarlos diese Erklärung auf ihrer Homepage aufzuschalten, hätten die Bischöfe besser daran getan, dafür besorgt gewesen zu sein, dass darin der Glaubens- und Gewissensfreiheit weltweit und in der Schweiz der ihr zukommende, unverzichtbare Stellenwert eingeräumt worden wäre.

Umso erfreulicher ist es, dass dieser landeskirchlichen Funkstille zum Trotz an der diesjährigen Mahnwache für verfolgte Glaubensgeschwister die Rekordzahl von über 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern verzeichnet werden konnte. Hoffnungsvoll stimmte auch, dass sich Passanten spontan an der Mahnwache beteiligten oder sich interessiert über Sinn und Zweck dieses Anlasses erkundigten.
 


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Daniel Ric 14.12.2024 um 09:04
    Vielen Dank für diesen Artikel. Tatsächlich ist es traurig, wie wenig wir über das Schicksal unserer Glaubensbrüder im Nahen Osten wissen. Westliche Länder haben seit über 100 Jahren oft nur die Kräfte unterstützt, welche ihren geopolitischen Interessen zugutekommen. Der moderate Islam, der bei den allermeisten Moslems vorherrschend ist, wurde zugunsten radikaler Kräfte geschwächt, da diese besser instrumentalisiert werden können. Es gibt bei uns im Westen keine Aufarbeitung betreffend Irakkrieg und Libyenkrieg. Auch jetzt zeigen unsere Medien einfach die Gesichter freudiger Menschen, die den Sturz Assads begrüssen, ohne darauf aufmerksam zu machen, was für Folgen dieser Sturz für die Christen, Kurden und andere Minderheiten haben könnte. Nicht nur in diesem Konflikt wird eine grosse Propaganda betrieben, bei der die Wahrheit auf der Strecke bleibt (wobei ich damit kein Urteil darüber abgeben möchte, ob der Sturz nicht gerechtfertigt ist).
  • user
    Hans Peter Flückiger 13.12.2024 um 17:05
    Wo kriegt man die Infos her, um nächstens Mal auch dabei sein zu können.
    • user
      Redaktion 13.12.2024 um 19:55
      Die Mahnwache wird jeweils auf www.mahnwache.ch angekündigt. Dort finden sich auch alle Informationen.