Blick auf Luzern in Richtung Reuss. (Bild: Ymblanter, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

«Reuss-​Institut» – Abschluss erlaubt kei­nen kirch­li­chen Beruf

2021 eröff­nete das «Reuss-​Institut» in Luzern seine Tore und bie­tet seit­dem eine Aus­bil­dung sowie Wei­ter­bil­dun­gen nach dem Vor­bild des St. Mel­li­tus Col­lege in Lon­don an. Wäh­rend den letz­ten drei Jah­ren wurde die Aus­bil­dung vom Bil­dungs­rat eva­lu­iert. Jetzt ver­öf­fent­lich­ten die «Deutsch­schwei­ze­ri­sche Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz» und das «Reuss-​Institut» eine gemein­same Erklärung.

Das «Reuss-Institut» in Luzern bietet einen dualen Bildungsgang für «Gemeindeentwicklung, Fresh Expressions of Church und Pioneering» an. Dabei soll die akademische Theologie mit der Tätigkeit in einer Gemeinde, dem liturgischen Leben am Institut und der eigenen geistlichen Praxis verbunden werden. Die Ausbildung orientiert sich am anglikanischen St. Mellitus College in London.

Ursprünglich sprach das «Reuss-Institut» davon, dass ihre Absolventinnen und Absolventen den neuen Beruf der Gemeindebildnerin resp. des Gemeindebildners ausüben werden. Im Gespräch mit «swiss-cath.ch» erklärte Ruedi Beck von der Institutsleitung bereits im Juli 2024, dass sich dies geändert habe. Der Name der Ausbildung heisse nicht mehr Theologie und Gemeindebildung, sondern Ausbildung in Gemeindeentwicklung, Fresh Expressions of Church und Pioneering. «Wir sprechen also nicht mehr von einem neuen Beruf, sondern wozu die Ausbildung befähigt.» Trotzdem ist im Leitbild auf der Webseite noch immer vom Beruf des Gemeindebildners die Rede. Bis jetzt haben sich 15 Personen für den dualen Bildungsgang entschieden, wovon 6 diesen Sommer zertifiziert werden.

Zwischenergebnis der Evaluierung
Seit 2021 wird das Angebot des «Reuss-Institut» im Auftrag der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz (DOK) vom «Bildungsrates der katholischen Kirche in der Deutschschweiz» evaluiert. Nun hat die Qualitätssicherungskommission des Bildungsrates einen Zwischenbericht verfasst. Die Verantwortlichen in den Bistümern für Pastoral und Personal nahmen dazu differenziert Stellung. Am 9. September 2024 veröffentlichten die DOK und das «Reuss-Institut» ein gemeinsames Communiqué.

«Die DOK sieht das ökumenische Engagement des ‹Reuss-Instituts› für missionarische Pastoral und anerkennt seine Qualität», so eine erste Aussage. Das Curriculum wurde im Sinne eines dualen Bildungswegs auf dem Niveau der Höheren Fachschulen (HF) überarbeitet, das entsprechende Niveau 6 im nationalen Qualifikationsrahmen für Berufsbildung wird erreicht.

Aber: «Der Bildungsgang zielt nicht auf die bestehenden Berufsbilder. Seine Spezialisierung auf Gemeindeentwicklung löst diese Querschnittskompetenz von einer religionspädagogischen oder seelsorglichen Qualifikation ab.» Mit anderen Worten: Die Ausbildung entspricht nicht den Anforderungen eines der bestehenden Berufe (Seelsorgerin, Religionspädagoge, Katechetin, kirchlicher Jugendarbeiter). Die DOK anerkennt deshalb den dualen Bildungsgang des «Reuss-Instituts» nicht als Ausbildung, die für einen kirchlichen Beruf qualifiziert, und hält fest, dass Absolventen des «Reuss-Instituts» nicht in den genannten Berufen angestellt werden sollen, sofern sie nicht über den entsprechenden kirchlichen Berufsabschluss verfügen.

Vorstand und Institutsleitung des «Reuss-Instituts» können nachvollziehen, dass die DOK kein neues Qualifikationsprofil schafft, heisst es in einer eigenen Erklärung. Sie werden in der kommenden Zeit prüfen, welche zusätzlichen Studienleistungen von Absolventinnen und Absolventen erbracht werden müssen, damit jene, die dies wünschen, anschliessend in einem der von der Katholischen Kirche anerkannten Berufsprofile mit bischöflicher Missio tätig sein können. Diese Möglichkeit hat die DOK im gemeinsamen Communiqué explizit angeboten. Andere werden ohne Missio im Bereich «Gemeindeentwicklung und Fresh Expressions of Church» tätig sein.

In den Weiterbildungsangeboten des «Reuss-Instituts» sieht die DOK eine Ergänzung im kirchlichen Weiterbildungsangebot. Die DOK erkenne das Potenzial, das in situativ passenden Konzepten und Methoden wie zum Beispiel «Fresh Expressions of Church» liege, um kirchliches Leben weiterzuentwickeln.

Das «Reuss-Institut» sollte ursprünglich während fünf Jahren evaluiert werden. Die DOK stellt es dem «Reuss-Institut» frei, ob dieses die Evaluierung in den kommenden zwei Jahren fortsetzen möchte.

Gefahr der Nivellierung nach unten
Anscheinend kamen von den Verantwortlichen für Pastoral und Personal in den Bistümern kritische Rückmeldungen: «Die DOK nimmt allerdings auch wahr, dass der vom ‹Reuss-Institut› gewählte spezielle pastorale Ansatz nicht in der vollen Breite akzeptiert ist und zu Fragen mit Blick auf die Transformation der Pastoral in der Deutschschweiz führt.»

Hier zeigt sich das grundsätzliche Problem: Für die anerkannten Berufsbilder gibt es Ausbildungen mit klar formulierten Zielen und Aufgaben. Die vom «Reuss-Institut» angebotene Ausbildung lässt sich nicht wirklich fassen, da es in der konkreten Tätigkeit darum geht, zu hören und zu sehen, was jetzt an diesem Ort gerade getan werden soll. Es ist das alte, dem kirchlichen Sendungsauftrag inhärente Spannungsverhältnis zwischen Charisma und Amt. Es ist zu begrüssen, dass die DOK an ihren Berufsbildern festhält und somit für klare Verhältnisse sorgt. Gleichzeitig stellt sich aber nach wie vor die Frage nach der persönlichen Spiritualität der (künftigen) kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Charisma), die nicht einfach «in toto» an die an kirchlichen Berufen Interessierten delegiert werden kann. Am «Reuss-Institut» gehört die «geistliche Praxis» zur Ausbildung. In den offiziellen Ausbildungen ist Spiritualität ebenfalls Teil der Ausbildung, doch nimmt sie nur einen kleinen Teil ein.

In der Deutschschweiz ist ein «Dualer Studiengang» geplant, der «ForModula», «Studiengang Theologie», die religionspädagogischen Studiengänge am «Religionspädagogischen Institut RPI» und Studien an einer theologischen Fakultät verschiedenartig verbindet und zum bischöflich anerkannten Studienabschluss führt. «Dual», weil in den zwei bis drei abschliessenden Studienjahren die Ausbildung parallel praktisch und theoretisch erfolgt. Die Verantwortlichen rechneten damit, dass dieser neue Studiengang bis Spätsommer 2024 steht und 2025/2026 beginnt, doch im Communiqué der DOK-Sitzung vom 27. August 2024 wird der «Duale Studiengang» auffallenderweise nicht erwähnt.

Angesichts der wenigen Interessenten für kirchliche Berufe ist damit zu rechnen, dass das Niveau der Ausbildung stetig sinken wird, da man neue Ausbildungswege «erfinden» wird, um die Hürden für Interessierte möglichst klein zu halten. Dies geschieht bereits jetzt z. B. im sogenannten «Bischöflichen Studiengang» des Bistums Chur an der «Theologischen Hochschule Chur». Dieser dauert gerade einmal zwei Jahre statt der fünf Jahre eines Vollstudiums. Als sich in einem Jahr zwei obligatorische Vorlesungen überschnitten, bestand die Dogmatikvorlesung darin, ein Buch zum Thema zu lesen … Die Absolventen erhalten zwar nur ein bischöfliches Zertifikat statt eines Masterabschlusses, werden aber in den Pfarreien zu den gleichen Bedingungen angestellt wie jene mit einem Vollstudium Theologie. Zur Verdeutlichung: Absolventen des «Bischöflichen Sonderprogramms» benötigen gerade einmal 120 Credit Points, um zum kirchlichen Dienst als Seelsorger zugelassen zu werden. Absolventen mit einem Bachelorabschluss (3 Jahre Vollstudium) mit 200 resp. 210 Credit Points werden hingegen nicht zugelassen («swiss-cath.ch berichtete).

Die klaren Worte der DOK zur Ausbildung am «Reuss-Institut» sind zu begrüssen. Leider muss aber damit gerechnet werden, dass mit dem geplanten «Dualen Studiengang» dieser drohenden Nivellierung der Ausbildung gleichwohl Vorschub geleistet wird.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 01.10.2024 um 16:46
    Ich verstehe nicht ganz, zu was dieses Reuss-Institut seine Absolventen ausbilden will. Das Problem ist, dass ich nicht englisch kann. Was ist unter «Gemeindeentwicklung, Fresh Expressions of Church und Pioneering» zu verstehen? Was heisst das: «neue christliche Gemeinschaften in- und ausserhalb einer Gemeinde» zu gründen.
    Das alles scheint mir in Richtung einer ganz anderen, neuen Kirche zu gehen, welche sich in erster Linie an den Wünschen und Vorstellungen der «Kunden» orientiert und sich so zu einem von vielen Player im Freizeitbusiness entwickelt. Die Erfolgschancen der Kirche in diesem Umfeld aber schätze ich als sehr gering ein.
    Die Entwicklung der Kirche sollte, immer nach meiner persönlichen Meinung, in eine ganz andere Richtung gehen. Was wir brauchen ist Neuausrichtung der Kirche auf Gott, auf seinen Heiligen Willen. Wir brauchen eine Wiederentdeckung der Spiritualität, insbesondere der Volksfrömmigkeit. Wir brauchen eine Kirche, welche Seelsorge als die Sorge um das ewige Heil der Seelen versteht, oder um mit der Schrift zu sprechen, die Sorge um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Wir brauchen eine Kirche, welche wieder voll darauf vertraut, dass uns dann und nur dann alles andere dazugegeben wird. Und wir brauchen eine Kirche, welche jene Jünger des Herrn heranbildet, die täglich ihr Kreuz auf sich nehmen und so Christus auch im Alltag folgen.
    So gesehen brauchen wir keinen Umbruch und keine neuen Ausdrucksweisen der Kirche, sondern nur eine gründliche Restauration, damit ihr Glanz wieder in die Welt hinaus strahlt und die Menschen so auf den Weg zum ewigen Heil einlädt.