Stefan Fleischer lebt heute in Grenchen. So langsam spüre er das Alter, erzählt der 86-Jährige. Die körperlichen und geistigen Kräfte lassen nach. Davon merke ich in unserem Gespräch nicht viel, stattdessen fallen mir seine ruhige Art und sein Humor auf.
Stefan Fleischer stammt ursprünglich aus der Ostschweiz. Er wuchs in Kreuzlingen am Bodensee auf, in einer ganz normalen katholischen Familie, wie er sagt. Normal katholisch bedeutete damals: «Man glaubte alles, was die Kirche sagte, ging am Sonntag in die Kirche und regelmässig zur Beichte.» Der Vater sang im Kirchenchor. Seine Mutter liebte die Kapelle von Bernrain und besuchte dort oft die Frühmesse. Stefan Fleischer amtete als Ministrant.
In Bernrain kam er in Kontakt mit den Redemptoristen. Als er den Wunsch in sich spürte, Priester und Missionar zu werden, trat er mit 13 Jahren in das von ihnen betreute Gymnasium in Bertigny ein. «Da hiess es zunächst, 23 Stunden pro Woche Französisch zu lernen, denn die Unterrichtssprache war Französisch.» Die Schweizer Provinz der Redemptoristen baute in Matran ein eigenes Gymnasium und Stefan Fleischer wechselte dorthin. Doch ungefähr ein Jahr vor der Matura wurde ihm klar, dass er nicht zum Priester berufen ist. Da dieses Gymnasium nur für Priesteramtskandidaten bestimmt war, musste er die Ausbildung abbrechen. Sein Vater, der mit seiner Arbeit in einer Seifenfabrik nicht viel verdiente, konnte ihn nicht unterstützen. Um sich über die weitere Zukunft klar zu werden, arbeitete er dann eine Saison als Liftboy im Hotel Schweizerhof in Luzern. Der Lift war uralt. Drückte ein Hotelgast im dritten Stock die Taste für den Lift, klappte im Kämmerchen des Liftboys das Schildchen mit der Nummer 3 herunter. So wusste er, in welchem Stock ein Gast abgeholt werden wollte. Mit einem Hebel setzte er den Lift in Bewegung, um dann im richtigen Moment zu stoppen, damit der Lift exakt auf der Höhe der dritten Etage zu stehen kam. Manch lustiges Erlebnisse weiss Stefan Fleischer darüber erzählen.
Obwohl er keine Berufsausbildung vorweisen konnte, fand er zunächst eine Anstellung bei einer Speditionsfirma in Basel. Der Versuch, die Eidgenössische Matura abzuschliessen, misslang. «Ich habe immer leicht gelernt, doch büffeln konnte ich nicht. Diese vielen Zahlen und Namen konnte ich mir einfach nicht merken.» Später kehrte er in die Ostschweiz zurück und arbeitete in einem Industriebetrieb. Als eine ihm versprochene Stelle in der EDV-Abteilung an jemand anderen ging, sah er ein Stelleninserat für eine Bank. Trotz fehlender Berufsausbildung erhielt er die Anstellung. Er habe im Leben sehr viel Glück gehabt, heute würde er eher von Vorsehung sprechen. «Würde ich eine Autobiografie schreiben, wäre der Titel ‹Der unsichtbare Steuermann›».
Der Atheist sucht Gründe gegen den Glauben. Der Theologe sucht Gründe für den Glauben. Der Gläubige sucht die Beziehung zu Gott.
Sein Bruder leitete zwei Kirchenchöre. Nach einem gemeinsamen Auftritt der beiden Chöre sass Stefan Fleischer beim Kaffee zufällig einer jungen, hübschen Dame gegenüber, als sein Bruder hinzutrat und ihr sagte: «Das ist mein Bruder. Er ist auch noch ledig.» Das war der Anfang vom Ende seines Junggesellenlebens – 1968 heiratete er die junge, hübsche Dame.
Als Stefan Fleischer mit der Zeit bemerkte, dass er seine Französischkenntnisse verlor, zog die inzwischen fünfköpfige Familie (ein viertes Kind kam später dazu) an die Sprachgrenze nach Biel (seine Frau konnte kein Französisch). Auch dort arbeitete er wieder auf einer Bank und stieg im Laufe der Jahre die Karriereleiter nach oben. Am Schluss war er als Organisator in der EDV-Abteilung tätig und an der Fusion verschiedene Banken beteiligt. Es kam, wie es kommen musste: Als alle Daten der Banken übernommen waren, war seine Stelle überflüssig. Zu diesem Zeitpunkt war er kurz vor seinem 60. Geburtstag. Er erhielt ein grosszügiges Angebot für eine frühzeitige Pensionierung, das er gerne angenommen hat.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Eine wohltuende Abwechslung zu den Beiträgen auf kath.ch
Als Immenseer Japan- (1957-62) und Afrikamissionar seit 1974, einstens in St. Gallen Kloster-Kathedralministrant habe ich Fleischer hier in Nairobi in seinen blogs im kath.net als einer der unpolemischen sachlichen allerbesten, mit ebenso traefen Aphorismen entdeckt, und gratuliere ihm häufig dazu. Lang noch soll er gesund evangelisierend, bis auch er zum Himmel fährt.
Bis jetzt gingen sie unter, weil ich dachte, das ist ein junger Kommentator von der Kategorie Daniel Ric oder Claudio Tessari.
Gut wäre, wenn die Kommentare auf der Empfangsseite angezeigt werden, mit einem direkten Link dazu. Dann muss man nicht immer lange scrollen um festzustellen, dass nichts los ist. Das lähmt den Gedankenaustausch.