Sr. Scolastica während des Abschiedsgottesdienstes vom 25. Oktober 2025. (Bild: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Schwes­ter Sco­las­tica beugt sich dem Ulti­ma­tum von Bischof Grögli

Unter dem Druck eines Ulti­ma­tums von Bischof Grögli hat Schwes­ter Sco­las­tica das Klos­ter Won­nen­stein nach 61 Jah­ren defi­ni­tiv ver­las­sen. Es war ihr mit der Ent­las­sung aus dem Ordens­stand gedroht wor­den, falls sie sei­nem Marsch­be­fehl nicht umge­hend Folge leiste.

Am 13. Oktober 2025 kommt es im Kloster Wonnenstein zum Showdown. Doch zuerst kurz zur Vorgeschichte: Im Dezember 2022 hatte die Interessensgemeinschaft Wonnenstein (IG Wonnenstein) zu einer Solidaritätsaktion aufgerufen. Sinn und Zweck der Übung: Erhalt der bedrohten monastisch-spirituellen Identität des Frauenklosters Wonnenstein und Verbleib von Schwester Scolastica daselbst. Vorausgegangen war dem Aufruf eine Umpolung des Klosters in einen blossen Verein nach schweizerischem Zivilrecht; zuvor war es ein öffentliches Institut sowohl des kirchlichen als auch des staatlichen Rechts gewesen. Journalist Kari Kälin von den «CH Media» merkte dazu an, dass der Verein schon morgen die Statuten ändern und aus dem Kloster eine Wellness-Anlage machen könnte.

Federführend bei diesem sogenannten «Rechtskleidwechsel» waren die Altherren der Studentenverbindung Bodania mit ihrer Galionsfigur Claudius Luterbacher, dem damaligen Büchel-Spezi und Kanzler des Bistums St. Gallen. Dieser hatte im Dezember 2020 ein Schreiben an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Appenzell Innerrhoden (KESB) veranlasst, worin diese aufgefordert wurde, vormundschaftliche Massnahmen betreffend Schwester Scolastica zu ergreifen. Dies ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als sich Schwester Scolastica nach überstandener Covid-Erkrankung zur Erholung in der Rehabilitationsklinik Walenstadtberg befand. Eine Rückkehr sei nicht zu verantworten, dekretierte Kanzler Luterbacher in einem Schreiben an die KESB. Doch damit nicht genug. Luterbacher intervenierte gar bei der Klinikleitung mit dem Ansinnen, eine Rückkehr von Schwester Scolastica ins Kloster zu verhindern. Doch diese liess sich nicht beirren und kam zum Schluss, dass eine Entlassung aus der Klinik «problemlos» erfolgen könne. Die KESB nahm ihrerseits einen Augenschein im Kloster vor, befragte mehrere Personen vor Ort und kam zum Schluss, dass keine Notwendigkeit für erwachsenenschutzrechtliche Massnahmen bestehe und auch die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung «in keiner Weise erfüllt sind».

Bischof Grögli erteilt Marschbefehl
Dieser Befund kann bis heute Geltung beanspruchen. Schwester Scolastica ist intellektuell und psychisch in bester, ja geradezu in beneidenswerter Verfassung; zu schaffen machen ihr altersbedingte körperliche Beschwerden.

Am 13. Oktober 2025, um 15.00 Uhr, ist im Kloster Wonnenstein hoher Besuch angesagt. Angekündigt haben sich Bischof Beat Grögli und Schwester Angelika Scheiber, Oberin des Verbandes der Schweizer Kapuzinerinnenklöster. Ihnen gegenüber nehmen Schwester Angelika und Sepp Moser, Präsident der IG Wonnenstein, Platz. Bischof Grögli kommt gleich zur Sache und herrscht Schwester Scolastica an: «Schwester Scolastica, Sie wissen, dass Sie vom Kloster weg müssen. Sie müssen von hier weg!». Er sollte gemäss Besprechungsnotiz von Sepp Moser diese ultimative Aufforderung im Verlauf des Gesprächs noch mehrfach wiederholen. Bischof Grögli stützte sich dabei auf ein Schreiben des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, in welchem Schwester Scolastica zum Verlassen des Klosters per Ende September aufgefordert worden war. Schwester Scolastica stellt das rechtmässige Zustandekommen dieses Schreibens in Frage und hat deshalb bei der Apostolischen Signatur, dem höchsten vatikanischen Gericht, Rekurs eingelegt.

Bischof Grögli geht darauf nicht näher ein, zieht stattdessen eine weitere Kugel aus seinem Patronengürtel: «Wenn Sie der Aufforderung zum Verlassen des Klosters nicht unverzüglich Folge leisten, müssen Sie aus dem Orden entlassen werden. Die Zeit drängt», denn, so Bischof Grögli in seiner eigenen Besprechungsnotiz, vom 26. bis 30. Oktober sei der Besuch einer neuen Ordensgemeinschaft angesagt, welche die Klosterräumlichkeiten inspizieren wolle. Während dieser Zeit sei die Präsenz von Schwester Scolastica unerwünscht – ein Argument, das in mehr als einer Hinsicht befremdet. Ergo müsse sie vor dem 26. Oktober ihre Koffer packen.

Infolge der anstehenden Hüftoperation von Schwester Scolastica erweist sich dieser Marschbefehl als echte Herausforderung. Eine Herausforderung, die Bischof Grögli souverän meistert: Noch vor dem Besuch der präsumtiven neuen Ordensgemeinschaft hat er im Verbund mit Schwester Angelika dafür gesorgt, dass Schwester Scolastica vorübergehend im Altersheim Schäflisberg (ehemals Marienheim – nur ein Steinwurf von seiner Residenz entfernt) Unterschlupf finden kann. Die Finanzierung sei gesichert, widrigenfalls müsse das Entlassungsverfahren aus dem Ordensstand an die Hand genommen werden.

Einen Sonderpreis in der Sparte «Desinformation» erschrieb sich Davide De Martis vom «St. Galler Tagblatt». Die Art und Weise, wie Bischof Grögli seinen ultimativen Marschbefehl kommunizierte, fasste er mit dem fett gedruckten Untertitel «Bischof und Oberin suchten das Gespräch» zusammen.
 


Die Kantonale Übergangspflege Appenzell als ideale Zwischenlösung
Sepp Moser und Schwester Scolastica zeigen sich gemäss eigenem Bekunden gegenüber diesem Vorschlag offen, wollen allerdings vorgängig noch einen Augenschein vornehmen. Ihr Eindruck ist mehr als zwiespältig. Sepp Moser bemüht sich deshalb um eine Alternative. Mit Unterstützung von alt Landammann Roland Inauen gelingt es ihm, für Schwester Scolastica in der Kantonalen Übergangspflege Appenzell (KÜP) ein geeignetes Zimmer zu finden. Was wiederum Bischof Grögli in Rage bringt. In einem Schreiben vom 20. Oktober lässt er zuhanden von Sepp Moser und Schwester Scolastica ausrichten: «Mit grossem Befremden haben wir vernommen, dass Sie, Herr Moser, ohne Rücksprache mit uns einen Aufenthalt für Sr. M. Scholastika, im KÜP in Appenzell aufgegleist haben […] Wir akzeptieren keine weiteren Kapriolen mehr […] Wir erwarten bis am Freitag, den 24. Oktober 2025, eine verbindliche Rückmeldung, wie der zeitgerechte Umzug von Sr. M. Scholastika ins Alterszentrum am Schäflisberg erfolgt. Mit besorgten Grüssen, + Beat Grögli, Bischof von St. Gallen».

Der Raptus des Bischofs dürfte in der Angst vor einer à tout prix zu vermeidenden Rückkehr von Schwester Scolastica nach erfolgter Operation ins Kloster Wonnenstein seine Ursache gehabt haben. Die bischöfliche Hirtensorge entbehrte jedoch jeglicher rationalen Substanz. Schwester Scolastica hatte schon seit geraumer Zeit signalisiert, dass sie gewillt und bereit ist, sich an einem anderen Ort einer geeigneten Ordensgemeinschaft anzuschliessen.

Am 24. Oktober hat Schwester Scolastica ihren Umzug ins KÜP vollzogen. Nach überstandener Hüftoperation und Rehabilitation steht der Anschluss an eine Gemeinschaft des Verbandes der Schweizer Kapuzinerinnenklöster im Vordergrund. Schwester Scolastica ist aber auch offen für andere Gemeinschaften, beispielsweise das Kloster Maria Rickenbach. Oberin Angelika Scheiber, die bereits bisher ihrer Mitschwester mit Rat und Tat zur Seite stand, hat dazu ihre guten Dienste angeboten.

Bewegende Abschiedsfeier
Am Samstagabend, 25. Oktober, nahm Schwester Scolastica im Rahmen eines berührenden Gottesdienstes Abschied vom Kloster Wonnenstein, in welchem sie während 61 Jahren Gott in Treue zu ihrem Ordensgelübde gedient hatte. Es gelte, so Schwester Scolastica, bereit zu sein, zu verzeihen. Das sei sie ohne Vorbehalte. Aber dies könne nicht heissen, Recht als Unrecht und Unrecht als Recht zu bezeichnen und anzuerkennen. «Ich bin überzeugt», so Schwester Scolastica zu den zahlreich erschienenen Gläubigen gewandt, «dass zu dieser Stunde auch alle 490 Schwestern, die in der langen Geschichte des Klosters hier gelebt und gewirkt haben, anwesend sind und euch mit einem besonderen Segen begleiten.» Von sich selbst sagt Schwester Scolastica, dass sie in den letzten Jahren immer mehr in das Geheimnis des Leidens Christi hingewachsen sei und daran Anteil genommen habe. «Dies hat mich glücklich gemacht», schloss Schwester Scolastica ihre bewegende Abschiedsrede.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Heinz Meier 01.11.2025 um 23:01
    So dieser Bericht zutrifft, offenbart er leider nicht zum ersten Mal. dass Bischöfe mitunter glänzende Funktionäre mit der Waffe des Rechtes sind. Wo ist da der Sinn für einen originellen „quer“-denkende Menschen? Wo die Zuneigung zum „verirrten“ Schaf? Warum so viel Abwehr? Aus Angst? Wie lautet doch das Leitwort des eben zum Kirchenlehrer ernannten JH Newman: „Das Herz spricht zum Herzen“. Der geprüften Schwester wünscht jeder Mensch mit etwas Herz eine Heimat mit Herz.
  • user
    Mirjam 01.11.2025 um 13:48
    Schwester Scholastica scheint wirklich eine authentische Persönlichkeit zu sein. Von Herzen wünsche ich ihr, dass sie in einer anderen klösterlichen Gemeinschaft, wie sie es selber wünscht, aufgenommen wird.
  • user
    Monika Selimi 01.11.2025 um 12:14
    Sehr geehrte liebe Ordens-Schwester M. Scolastica
    Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen Gottes reichen Segen für ihr Einleben am neuen Wohnort. Wir beten darum, dass den involvierten Verantwortlichen (für ihre hässliche Kündigung) das Herz für die wahre Liebe Gottes geöffnet wird, damit sie inskünftig mit Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit ihre weltliche Macht ausüben können. Ihre schwierige "Geschichte" haben Sie in Ihrer tiefer Gottesverbindung wunderbar lösen können, was Ihnen zum Segen werden wird! Mit achtungsvollen, herzlichen Grüssen, Monika Selimi aus Mollis GL
  • user
    Stefan Fleischer 31.10.2025 um 18:34
    Ich bewundere Schwester M. Scholastika,
    die bereit ist zu gehorchen und zu verzeihen. Eine solche Haltung braucht ein unerschütterliches Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit einerseits und seine Barmherzigkeit andererseits. Er wird jedem vergelten, wie es seine Taten verdienen. Er wird auch jedem Barmherzigkeit erweisen, der ihn fürchtet. Und er kann auch auf krummen Linien gerade schreiben, wie wir früher oft gesagt haben, und jedem Gerechtigkeit widerfahren lassen, der sich zu ihm flüchtet. Ihm gebührt Lob und Ehre Preis und Anbetung in Ewigkeit. Vor ihn sollen und dürfen wir all unsere Bitten mit Dank bringen. Dies ist jene Furcht des Herrn, welche uns die Schrift als der Anfang der Weisheit preist.» (vgl. Ps 111,10)