Paul Coleman und Päivi Räsänen. (Bild: © ADF International)

Hintergrundbericht

«Sie kön­nen nicht über alles spre­chen, was Sie glauben»

Ges­tern endete die Ver­hand­lung gegen Päivi Räsä­nen vor dem Beru­fungs­ge­richt in Hel­sinki. Die Ärz­tin und lang­jäh­rige Poli­ti­ke­rin war in drei Fäl­len wegen angeb­li­cher «Hass­rede» ange­klagt. Das Urteil wird spä­tes­tens am 30. Novem­ber 2023 bekannt gegeben.

Päivi Räsänen, die ehemalige finnische Innenministerin, wurde 2021 angeklagt, da sie sich 2019 in einem Bibel-Tweet und einer Radiodebatte sowie in einer kirchlichen Broschüre, die sie bereits 2004 verfasst hatte, ihre Glaubensüberzeugungen zu Ehe und Sexualität teilte. Der lutherische Bischof Juhana Pohjola, der die Broschüre in seiner Gemeinde veröffentlichte, wurde ebenfalls angeklagt und stand gestern zusammen mit Päivi Räsänen vor Gericht.

Im Jahr 2022 war die ehemalige Politikerin vom Bezirksgericht Helsinki einstimmig freigesprochen worden, doch die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein mit der Begründung, das Gericht sei zu einem falschen Schluss gekommen. Das ist im finnischen Rechtssystem möglich.

Inhalt irrelevant – einzig das Empfinden zählt
Unterstützung erhält Päivi Räsänen von der juristischen Menschenrechtsorganisation «ADF International». Gemäss «ADF International» ging es während des Kreuzverhörs am gestrigen Prozesstag vor allem um die kirchliche Broschüre «Als Mann und Frau schuf Er sie» aus dem Jahr 2004.

Die Staatsanwältin war gemäss ADF International nicht an der Motivation von Päivi Räsänen interessiert. So meinte diese gegenüber der Angeklagten: «Sie können glauben, was sie wollen, aber Sie können nicht über alles sprechen, was sie glauben». Am ersten Prozesstag hatte die Staatsanwältin gar gesagt: «Sie können zwar die Bibel zitieren, aber Räsänens Interpretation und Überzeugung über die Bibelverse sind kriminell.»

Die Verteidigung wies in diesem Zusammenhang zurecht darauf hin, dass eine Verurteilung der Aussagen von Päivi Räsänen eine Verurteilung der Bibel wäre.

Der mitangeklagte lutherische Bischof Juhana Pohjola erklärte gegenüber dem Gericht, dass die Sünde zu verurteilen nicht bedeute, die Würde und den Wert einer Person infrage zu stellen. Betreffend Meinungs- und Religionsfreiheit meinte er: «Die Idee der Religionsfreiheit ist es, dass man die christliche Lehre frei verbreiten kann – auch wenn das jemand beleidigend findet. Denn dann kann man das Recht in Anspruch nehmen, nicht zuzuhören.»

Damit sprach der Bischof einen wichtigen Punkt an: Wenn Aussagen das persönliche Befinden des Gegenübers nicht verletzten oder beleidigen dürfen, sind keine Aussagen mehr möglich – denn es wird immer irgendwo einen Menschen geben, der sich durch die Aussage verletzt fühlen könnte. Gerade unsere Zeit erlebt eine Trendwende in diese Richtung (Stichworte: Woke, Gendersprache). In die gleiche Richtung ging die Aussage der Staatsanwältin: «Der Punkt ist nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern dass es beleidigend ist.» Durch eine solche Auffassung wird selbst die Wahrheit zu einer Sache des persönlichen Empfindens reduziert.

Richtungsweisendes Urteil für Europa
Päivi Räsänen ist zuversichtlich, dass sie von allen Vorwürfen freigesprochen wird: «Das wird ein sehr wichtiges Urteil für die Religions- und Meinungsfreiheit in Finnland mit Auswirkungen in ganz Europa. Aber ich bin hoffnungsfroh, dass das Gericht eine gute Entscheidung treffen wird.» In der ganzen Verhandlung ist sie ihrem Glauben treu geblieben.

«Der Kern des Kreuzverhörs durch die Staatsanwältin war die Frage: Würde Päivi Räsänen ihren Glauben widerrufen? Die Antwort lautete nein – sie verleugnet nicht die zentralen Punkte ihres Glaubens. Das zermürbende Strafverfahren dem Frau Räsänen unterzogen wird, ist das Gegenteil von Demokratie und ‹Fortschritt›», erklärte Paul Coleman, Geschäftsführer der ADF und bekräftigte: «Wir werden Päivi Räsänen weiterhin zur Seite stehen und warten auf die Entscheidung des Gerichts, ob die Äusserung von christlichen Überzeugungen in Finnland ein Verbrechen ist.»


Redaktion


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Bemerkungen :

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    Michael Dahinden, Riemenstalden 03.09.2023 um 07:27
    Da haben wir ihn jetzt also, den lieben, schönen, universalen, toleranten Pluralismus.