Das südamerikanische Land Venezuela darf zwei neue Heilige feiern.
Carmen Rendíles Martínez
Carmen Elena Rendíles Martínez wurde am 11. August 1903 in Caracas in eine kinderreiche, gläubige Familie hineingeboren. Mit grosser Selbstverständlichkeit wurde das Gebet und der sonntägliche Besuch der Heiligen Messe gepflegt. Carmen hatte von Kindheit an eine grosse Verehrung für die Eucharistie. Trotz ihrer körperlichen Einschränkung – sie wurde ohne linken Arm geboren – besuchte sie Kunst- und Zeichenschule. Im Alter von 15 Jahren begann sie als Katechetin zu arbeiten und reiste in andere Städte, um in Pfarrmissionen zu unterrichten. Sie spürte früh die Berufung zum Ordensleben, wurde aber zunächst von einigen Gemeinschaften abgelehnt – eine körperliche Behinderung stellte zu dieser Zeit noch ein Stigma dar. Am 25. Februar 1927 durfte sie in die französische Kongregation «Siervas de Jesús en el Santísimo Sacramento» (Dienerinnen Jesu im Allerheiligsten Sakrament) in Venezuela eintreten.
Das Noviziat besuchte sie in Toulouse, Frankreich. Am 8. September 1932 legte sie ihre feierliche Profess ab und kehrte anschliessend nach Caracas zurück. 1935 wurde sie, erst 32-jährig, zur Novizenmeisterin ernannt und 1944 zur Provinzoberin der Gemeinschaften in Venezuela und Kolumbien. Während ihrer Amtszeit erlebte die Kongregation in diesen beiden Ländern einen bemerkenswerten Aufschwung. Sie gründete Klöster und Schulen in Venezuela und Kolumbien, darunter eine Schule für arme Kinder in ihrem Familienhaus, das sie geerbt hatte.
Während des Zweiten Weltkrieges war die Kommunikation mit den Mitschwestern in Frankreich eingeschränkt – der Orden entwickelte sich in Südamerika und Frankreich unterschiedlich. Ende der 1950er-Jahre beschloss das Generalat in Frankreich, Änderungen in den Konstitutionen vorzunehmen, mit denen die Ordensschwestern aus Venezuela und Kolumbien nicht einverstanden waren. In Absprache mit den Ordensschwestern und den kirchlichen Autoritäten Venezuelas leitete Carmen Rendíles 1965 einen Trennungsprozess ein; die unabhängige Kongregation der «Siervas de Jesús» entstand, als deren Gründerin sie gilt. Die Bewahrung des Gründungsgeistes war für sie die Erfüllung von Gottes Willen.
1969 wurde sie zur Generaloberin ernannt. Die Gegenwart Jesu in der Eucharistie war für sie die Kraft, aus der sie täglich schöpfte. Die Mission von Mutter Carmen war stets auf die Verehrung des Allerheiligsten Sakraments und die Unterstützung des Apostolats der Priester durch Gebet und Zusammenarbeit mit ihnen ausgerichtet.
Kardinal Angelo Amato, ehemaliger Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, sagte über Mutter Carmen Rendíles Martínez: «Im Vertrauen auf Gott öffnete sie ihr Herz für alle, vor allem für die Armen. Auch die Priester waren Gegenstand ihrer Hingabe und Fürsorge, und für viele wurde sie zu einer weisen und mütterlichen Ratgeberin. Ihren geistlichen Töchtern gegenüber war sie gütig und barmherzig. Den Kranken gegenüber war sie besonders aufmerksam, besuchte sie, unterstützte sie, diente ihnen und half ihnen in jeder Hinsicht. Sie hatte auch eine besondere Eigenschaft, die sich in Feingefühl, Respekt und Vergebung gegenüber all denen äusserte, die ihr Leid zufügten.»
Am 9. Mai 1977, kurz nach ihrem 50-jährigen Ordensjubiläum, starb Mutter Carmen 73-jährig im Ruf der Heiligkeit an den Folgen einer Grippe in Caracas.
Papst Franziskus sprach Carmen Rendíles Martínez am 16. Juni 2018 selig. Ihr Gedenktag ist der 9. Mai.
José Gregorio Hernández Cisneros – Arzt der Armen
José Gregorio Hernández Cisneros ist in seiner Heimat Venezuela als «Arzt der Armen» bekannt. Er wurde am 26. Oktober 1864 in der kleinen Stadt Isnotú in Venezuela als ältestes von sechs Geschwistern einer religiösen Familie geboren. Als er fast acht Jahre alt war, starb seine Mutter. Zwei Tanten väterlicherseits übernahmen für ihn und seine Geschwister die Rolle der Mutter. Eine von ihnen war Mitglied des Dominikanerinnenordens, musste aber aufgrund der damals herrschenden antikirchlichen Gesetze in der Familie leben. Sein Vater heiratete ein zweites Mal; aus dieser Ehe gingen weitere sechs Kinder hervor.
Schon als Kind zeichnete sich José Gregorio durch sein vorbildliches Verhalten aus. Mit gerade einmal dreizehn Jahren verliess er seinen Heimatort, um im fernen Caracas das Gymnasium zu besuchen. Später studierte er Medizin in Caracas und schloss mit hervorragenden Noten ab. Er verliess 1888 die Hauptstadt wieder in Richtung Heimat, da er davon überzeugt war, dass er auf dem Land, wo grosse Armut herrschte, mehr gebraucht wurde und richtete eine kleine Praxis ein. Er schrieb an einen Freund: «Die Klinik ist sehr armselig: Alle leiden an Ruhr und Asthma, und der eine oder andere ist an Tuberkulose oder Rheuma erkrankt […] Die Apotheke ist miserabel.»
Bei einem Besuch bei seinem Vater Ende Juli 1889 fand José Gregorio Hernández einen Brief seines Lehrers Calisto González vor, in dem dieser schrieb, dass er ihn dem Präsidenten der Republik, Juan Pablo Rojas Paúl, empfohlen habe, damit er in Paris bestimmte experimentelle Fächer studiere und so zur Modernisierung der venezolanischen Medizin beitrage. Bereits im November begann er seine Studien – unter anderem in den Bereichen Mikrobiologie, Histologie, Pathologie, Bakteriologie, Embryologie und Experimentelle Physiologie – in Paris, später folgten weitere Studien in Berlin.
Nach Abschluss seines Studiums 1891 kehrte José Gregorio Hernández nach Venezuela zurück und begann seine Tätigkeit als Professor an der Universidad Central de Venezuela in Caracas. Am 14. September 1909 wurde er zum Professor für Praktische Pathologische Anatomie ernannt. Er war auch der Gründer des ersten Lehrstuhls für Bakteriologie in Amerika. Trotz seines wissenschaftlichen Erfolges richtete er keine lukrative Privatpraxis ein, sondern blieb den Armen verbunden, die er oft kostenlos behandelte, und wurde deshalb als «Arzt der Armen» bekannt.
José Gregorio Hernández war ein tiefreligiöser Mensch; seit 1899 gehörte er dem Regulierten Dritten Orden des Heiligen Franziskus an. Er spürte in sich die Berufung zum Ordensleben. So gab er 1908 seine Tätigkeit als Professor auf und reiste nach Italien, wo er in der Kartause von Farneta, in der Nähe von Lucca, aufgenommen wurde und den Namen Bruder Marcelo annahm. Neun Monate nach seinem Eintritt erkrankte er jedoch so schwer, dass der Obere seine Rückkehr nach Venezuela anordnete, damit er sich dort erholen konnte. Als im Oktober 1912 die diktatorische Regierung die Schliessung der Universität anordnete, nutzte er die Gelegenheit zu einem neuen Versuch: 1913 reiste er mit seiner Schwester Isolina nach Rom, um sich durch Theologiekurse am Päpstlichen Lateinamerikanischen Kolleg Pio auf das Klosterleben vorzubereiten. Aber erneut scheiterte sein Plan an seiner Gesundheit: Eine Lungenerkrankung zwang ihn zur Rückkehr nach Venezuela. Er erkannte, dass seine Berufung nicht in einem Orden, sondern im alltäglichen Leben als Arzt lag.
Seine Heimat Venezuela war durch Not und Instabilität geprägt. Er sah die Medizin als eine Mission des Friedens und sprach oft über die Notwendigkeit von Einheit und moralischer Verantwortung im öffentlichen Leben. Die Wissenschaft musste nach seiner Überzeugung im Dienst der Schwachen stehen, so verband er Wissenschaft und Glaube.
Am Nachmittag des 29. Juni 1919 machte sich José Gregorio Hernández Cisneros auf den Weg zu einer kranken Frau. Unterwegs wurde er von einem Auto angefahren und starb kurze Zeit später im Spital. Fast unmittelbar darauf begannen die Menschen in Venezuela, ihn als Heiligen zu verehren. Im Laufe der Jahrzehnte tauchten unzählige Zeugnisse von wundersamen Heilungen auf, die seiner Fürsprache zugeschrieben wurden.
Papst Franziskus sprach José Gregorio Hernández Cisneros am 30. April 2021 selig. Sein Gedenktag ist der 26. Oktober.
Peter To Rot
Mit Peter To Rot ist auch ein neuer Heiliger aus Asien vertreten. Er wurde 1912 in Dorf Rakunai (Papua-Neuguinea) geboren. Sein Vater, ein Stammesführer des Dorfes, und seine Mutter wurden beide als Erwachsene getauft und gehörten zur ersten Generation von Christen des Landes. Der Pfarrer ermunterte Peter, Katechet zu werden. Noch lieber wäre ihm gewesen, wenn der junge Mann Priester geworden wäre, doch damit war dessen Vater nicht einverstanden.
Nach dem Besuch der Schule für Katecheten kehrte Peter Anfang 1933 nach Hause zurück. Gerade einmal 21-jährig erteilte er Unterricht in der Pfarrschule, besuchte die Kranken und betete mit ihnen. Die Menschen mochten ihn, weil er das, was er predigte, auch praktizierte.
1936 heiratete er Paul Ja Varpit. Sie hatten drei Kinder, das zweite kam 1942 zur Welt – im gleichen Jahr, als die Japaner die Insel besetzten und alle ausländischen Missionare verhafteten. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen einheimischen Klerus, sodass die Gläubigen ohne priesterlichen Beistand blieben. Der Pfarrer des Dorfes, Pater Laufer SCM, reichte Peter die Hand und sagte: «Ich hinterlasse meine ganze Arbeit hier in deinen Händen. Kümmere dich gut um diese Menschen. Hilf ihnen, damit sie Gott nicht vergessen.»
Peter übernahm die Verantwortung, die Hoffnung und den Glauben seines Volkes am Leben zu erhalten, obwohl er Angst hatte. Er wusste, dass Gott mit ihm sein würde. Als die Japaner die Gottesdienste verboten, versammelte er die Menschen trotzdem weiter zum Gebet, auch in anderen Dörfern, da viele Katecheten aus Angst ihren Dienst aufgegeben hatten. «Die Japaner können uns nicht daran hindern, Gott zu lieben und seinen Gesetzen zu gehorchen! Wir müssen stark sein und dürfen ihnen nicht nachgeben», war Peter To Rot überzeugt.
Er widmete sich weiterhin seinem Dienst und besuchte Kranke, taufte Kinder, bereitete Paare auf die Ehe vor, begrub Tote und teilte die Heilige Kommunion aus. Oft war er mehr als fünf oder sechs Stunden unterwegs, trotz der Gefahr durch die Japaner, um heimlich das Gefängnis zu erreichen, in dem die Missionare festgehalten wurden, und die geweihten Hostien zu empfangen, die er dann in den Dörfern verteilte.
Im Juni 1944 wussten die Japaner, dass ihre Niederlage unvermeidlich war. Um sich die Gunst der Dorfvorsteher zu sichern, legalisierten sie die traditionelle Polygamie, die von der Katholischen Kirche und der früheren Kolonialregierung verboten worden war. Peter To Rot nutzte alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um die Katholiken davon zu überzeugen, sich dieser Praxis zu widersetzen, und wies auf die Unauflösbarkeit des Ehebandes hin.
Peter To Rot wurde mehrmals verhaftet und bedroht. Man forderte ihn auf, sein Apostolat aufzugeben, doch Peter To Rot fuhr in seinem Dienst fort. Im April oder Juni 1945 wurde er erneut inhaftiert. Seit seiner Verhaftung war er überzeugt, dass er im Gefängnis sterben würde. In der Nacht des 7. Juli 1945 kamen zwei japanische Ärzte zu Peter To Rot in die Zelle. Einer gab ihm eine Spritze. Nach einer Weile schien Peter To Rot sich übergeben zu müssen. Der Arzt hielt ihm den Mund zu und hielt ihn fest, bis er seinen letzten Atemzug tat.
Der Familie von Peter To Rot wurde erklärt, er sei wohl an einer Krankheit gestorben. Obwohl viele Menschen kamen, wurde die Beerdigung in aller Stille abgehalten, da man befürchtete, die Japaner könnten zu Repressalien greifen, wenn die Menschen laut und öffentlich beteten. Von diesem Tag an wurde Peter To Rot als Märtyrer für seinen Glauben verehrt.
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