(Bild: Mike Qerkini)

Neuevangelisierung

Signs of Change

Die Qua­dra­gesima, die vier­zig­tä­gige Fas­ten­zeit vor Ostern, gehört zu den ein­drucks­volls­ten lit­ur­gi­schen Zei­ten im Kir­chen­jahr. Sie ist ein Reset für Geist und Seele. Doch was steckt hin­ter den jahr­hun­der­te­al­ten Zei­chen und Ritua­len? Warum sind sie heute noch rele­vant? Ein Blick auf die lit­ur­gi­schen Tra­di­tio­nen von Ost– und West­kir­che zeigt: Die Zei­chen der Fas­ten­zeit sind tief ver­wur­zelt und voll wirk­mäch­ti­ger Symbolik.

Die Zahl 40 zieht sich wie ein roter Faden durch die Heilige Schrift – seien es die 40 Jahre des Volkes Israel in der Wüste (vgl. Ex 16,35) oder die 40 Tage Jesu in der Einsamkeit (vgl. Mt 4,2). In der Westkirche beginnt die Fastenzeit mit dem Aschermittwoch und endet mit der Karwoche. Doch mathematisch passt das nicht ganz: Zählt man die Tage von Aschermittwoch bis Karsamstag, kommt man auf 46 Tage. Der Grund? Die Sonntage (und in der orthodoxen Tradition auch die Samstage) werden nicht als Fastentage gezählt.
In der orthodoxen Tradition beginnt die «Grosse Fastenzeit» anders: mit dem «Sonntag der Fleischentsagung», gefolgt von der «Käsewoche», in der Milchprodukte noch erlaubt sind. Der eigentliche Startpunkt ist der «Reine Montag», ein Tag des strengen Verzichts. Während die Katholische Kirche an Aschermittwoch und Karfreitag zwei Fastentage mit fleischloser Ernährung vorsieht, ist das orthodoxe Fasten umfassender: Es schliesst oft den Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte, Eier, Öl und Wein mit ein. Das christliche Fasten steht für die innere Reinigung und Läuterung, die die Gläubigen auf das österliche Licht vorbereiten soll.

Der Mensch: Staub, der Leben atmet
Das Ritual der Aschenauflegung ist eines der eindrucksvollsten liturgischen Zeichen der Fastenzeit. Die Worte «Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst» (vgl. Gen 3,19) rufen die Vergänglichkeit des Lebens in Erinnerung. Erst seit dem 11. Jahrhundert wird das Aschenkreuz allgemein auf die Stirn gezeichnet oder aufs Haupt aller Gläubigen gestreut. Zuvor war die geweihte Asche Teil der Bussliturgie für die Büsser. Spannend ist, dass die geweihte Asche im Mittelalter nicht nur für die Liturgie genutzt wurde – sie galt auch als Schutzmittel gegen Krankheiten oder wurde auf Felder gestreut. Die eigentliche Botschaft aber bleibt: Die Fastenzeit ist eine Einladung zur Umkehr und die Asche erinnert an die Vergänglichkeit oder Endlichkeit des irdischen Lebens.

Kreuzverehrung und Passionsandachten
Egal ob Ost- oder Westkirche – das Kreuz steht im Mittelpunkt der Fastenzeit. In der orthodoxen Kirche wird am dritten Fastensonntag das Kreuz feierlich in die Mitte der Kirche getragen und verehrt. Diese Tradition reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück und soll die Gläubigen auf ihrer Fastenreise stärken. In der Katholischen Kirche ist der Kreuzweg (Via Crucis) das prägende Andachtsritual. Die Betrachtung des Leidenswegs Jesu – oft an den Freitagen der Fastenzeit – hat ihre Wurzel in den Pilgerfahrten nach Jerusalem. Bereits im 15. Jahrhundert gibt es Kreuzwegandachten, aber die verbindliche Form und Verbreitung wurde im 17. Jahrhundert durch die Franziskaner massgeblich gefördert. Heute ist der Kreuzweg Bestandteil des römisch-katholischen Sakralraumes. Beide Traditionen führen zur gleichen Erkenntnis: «Doch er wurde durchbohrt wegen unseren Vergehen, zerschlagen wegen unserer Sünden. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt» (Jes 53,5). Das Kreuz ist dadurch zum Zeichen des Heils und der Hoffnung geworden.

Farbkanon: Violett als Symbol für Umkehr
Der liturgische Farbkanon hat sich über mehrere Jahrhunderte hinweg entwickelt und wurde erst im Hochmittelalter systematisch festgelegt. Violett wurde die liturgische Farbe der Fastenzeit. Sie steht für Busse, aber auch für die königliche Würde Christi (Stichwort «Purpurträger»). Besonders interessant: Am vierten Fastensonntag, Laetare, lockert sich die Strenge – an diesem Tag sind auch rosafarbene Messgewänder erlaubt, ein Zeichen der Vorfreude auf Ostern.

Während in der katholischen Tradition Violett klar definiert ist, gibt es in der orthodoxen Tradition mehr Variationen: Dort dominieren dunkle Farben, doch goldene Akzente deuten bereits auf das kommende Osterlicht hin. So zeigt sich: Fastenzeit ist nicht nur Trauer und Verzicht, sondern auch die Vorbereitung auf das Licht der Auferstehung.

Stille und Reduktion: eine bewusste Erfahrung
Fastenzeit bedeutet auch eine Reduktion in der Liturgie. In der orthodoxen Tradition wird der feierliche Gesang zurückgenommen, um Raum für Stille und Gebet zu schaffen. In der römisch-katholischen Kirche schweigt oft die Orgel, Kreuze und Bilder werden verhüllt. Die Verhüllung von Kreuzen und Bildern geht vermutlich auf den Brauch des Hungertuches (Fastenvelums) zurück: Seit dem 11. Jahrhundert war es in vielen Kirchen üblich, den Altar zu Beginn der Fastenzeit mit einem Tuch zu verhüllen. Damit wurde der Blick auf den Altar – das zentrale Symbol für Jesus Christus – bewusst versperrt. Dies verdeutlichte die Unwürdigkeit des sündigen Menschen, das Allerheiligste zu schauen und symbolisiert die verborgene Herrlichkeit Christi in seinem Leiden. Der genaue Ursprung dieser Praxis ist unklar, doch sie symbolisiert die Sehnsucht nach der Eucharistie als die Frucht des Ewigen Lebens und die österliche Neuschöpfung. Die spezifische Kreuzverhüllung ist seit dem 13. Jahrhundert belegt und entwickelte sich zu einem eigenständigen Brauch, der besonders in der römischen Liturgie ab dem fünften Fastensonntag gepflegt wird und bis zur Karfreitagsliturgie dauert. Diese auditive und visuelle Zurückhaltung verstärkt die spirituelle Erfahrung und macht bewusst: Die Fastenzeit ist eine Reise nach innen. Im Zentrum stehen dabei Jesus Christus, sein Leben und das Heilsmysterium.

Die Zeichen und Rituale der Fastenzeit sind keine blosse Relikte aus vergangenen Zeiten – sie haben auch heute noch tiefgehende Bedeutung. Sie laden dazu ein, innezuhalten, das eigene Leben zu reflektieren und sich bewusst auf das Osterfest vorzubereiten. Wer sich auf die aussagekräftige Liturgie der Fastenzeit einlässt, kann Ostern mit neuer Tiefe erleben – als Moment der Erneuerung und des Lebens.


Mike Qerkini


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