Sarco nicht grundsätzlich problematisch
Einen eigenen Abschnitt widmet das SKF-Positionspapier der Todeskapsel «Sarco». Was hat es damit auf sich? Am 17. Juli 2024 hielten Fiona Stewart und Florian Willet in Zürich eine Pressekonferenz ab, an der sie den erstmaligen in der Schweiz stattfindenden Einsatz von Sarco ankündigten. Das Medienecho war wie von den Initianten beabsichtigt gewaltig. Das echt Neue an diesem als «Tesla der Sterbehilfe» bezeichneten Jenseitsbeförderungs-Vehikel: Die suizidwillige Person setzt sich in die Kapsel und drückt auf einen Knopf, worauf sich der Innenraum mit Stickstoff füllt. Das todbringende Medikament Natrium-Pentobarbital und damit eine ärztliche Betreuung sind nicht mehr erforderlich. Das windschnittige Design des Behälters scheint für den Abschuss ins All wie gemacht.
Die Staatsanwaltschaften der für den Ersteinsatz geplanten Kantone Wallis und Schaffhausen verbaten sich diese Werbung für den Sterbetourismus und kündigten strafrechtliche Konsequenzen an. Auch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider erhob Einspruch. Die Sarco-Suizidkapsel sei in zweifacher Hinsicht rechtswidrig. Erstens verstosse sie gegen das Produktesicherheitsrecht und zweitens liege ein Verstoss gegen das Chemikaliengesetz vor. «Nach dem deutlichen ‹Non!› von Bundesrätin Baume-Schneider ist es unwahrscheinlicher denn je, dass die als ‹Tesla der Sterbehilfe› bekannt gewordene Kapsel bald schon in der Schweiz zum Einsatz kommt», meldete der «Blick» und lag mit seiner Prognose wie so oft falsch, unterschätzte die akribische Verbissenheit dieser Suizidpromotoren.
Am Montag, 23. September 2024, war es so weit. In einer Waldhütte in der Schaffhauser Gemeinde Merishausen gelangte der Sarco erstmals zum Einsatz – eine 64-jährige US-Amerikanerin nahm sich auf diese Weise das Leben. In der Folge verhaftete die Schaffhauser Polizei die am Sterbevorgang beteiligten Personen, beschlagnahmte den Leichnam und leitete Strafverfahren ein. Die Reaktionen auf diese Stickstoff-Infusion per Knopfdruck im abgeschlossenen Behälter fielen unisono negativ aus.
Die in der Schweiz führende Sterbehilfeorganisation Exit erklärte, die Suizidkapsel stehe mit ihren Grundsätzen im Widerspruch, weil dadurch Sterbende und ihre Angehörigen voneinander getrennt würden. Sogar die immer wieder mit der Justiz in Konflikt geratene Organisation «Dignitas» ging auf Distanz. Gegenüber «swiss.info» erklärte sie: «Angesichts der rechtlich abgesicherten, etablierten und bewährten Praxis können wir uns nicht vorstellen, dass eine technologisierte Kapsel für ein selbstbestimmtes Lebensende in der Schweiz auf breite Akzeptanz und/oder Interesse stossen wird.»
Schwerste Bedenken erhob auch die als Suizidassistenz-Turbo geltende Ärztin Erika Preisig, Präsidentin von «Lifecircle». Sie bezeichnet den ersten Einsatz von Sarco in der Schweiz als schiere Provokation. Die Methode sei unerprobt und ein zu frühes Öffnen der Kapsel könne zu katastrophalen Folgen führen. Die Initianten dieser Methode seien schon früher auf sie zugekommen und hätten sie für eine Mitarbeit gewinnen wollen. Sie habe aber abgelehnt, weil damit die offensichtliche Gefahr einhergehe, dass jemand unreflektiert und damit zu früh aus dem Leben scheide. Dies könne sie nicht verantworten. Die Suizidkapsel habe das Image der Schweiz nachhaltig geschädigt.
Die Ärztin Erika Preisig befürchtete wie auch Exponenten anderer Sterbehilfeorganisationen einen kontraproduktiven Effekt des Sarco-Einsatzes. Es drohe der Ruf nach einschränkenden Regelungen und damit eine Beschneidung der liberalen Sterbehilfepraxis in der Schweiz. Professor Markus Zimmermann schliesslich, Präsident der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin, bezeichnete in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 17. Juli 2024 die Sarco-Methode als eine «sehr unmenschliche Art des Sterbens». Damit werde der Moment des Sterbens banalisiert und trivialisiert, der «moderne Hyperindividualismus auf die Spitze getrieben».
Bei den negativen Reaktionen der hierzulande etablierten Sterbehilfe-Organisationen mag ein gutes Stück Futterneid mit im Spiel sein, denn mittlerweile handelt es sich dabei um ein Millionen-Business. Eine echte Sorge rund um diesen Paradigmenwechsel mit all seinen potentiell menschenverachtenden Implikationen wird man ihnen gleichwohl nicht absprechen wollen.
Im Dauerclinch mit der Lehre der Katholischen Kirche
Unisono negative Reaktionen auf die brachiale Suizidmethode à la Sarco? Ja, mit einer Ausnahme – dem «Schweizerischen Katholischen Frauenbund». Er setzt sich mit seinem Positionspapier nicht nur in Gegensatz zum aktuellen gesellschaftlichen Konsens, sondern auch – und dies beileibe nicht zum ersten Mal – in eklatanten Widerspruch zur Lehre der Katholischen Kirche.
Zunächst fällt einmal rein semantisch auf, dass der SKF vom «Menschen als dem Ebenbild des Göttlichen» spricht. Dabei erweist sich der SKF nicht als besonders bibelfest, ist doch darin von einem personalen Gott die Rede, an den die Christen glauben. Erst mit einem Gott als einem «Du» können wir überhaupt erst in Beziehung treten. Es darf in diesem Zusammenhang auch an die Aussagen des Katechismus erinnert werden: «Jeder ist vor Gott für sein Leben verantwortlich. Gott hat es ihm geschenkt. Gott ist und bleibt der höchste Herr des Lebens. Wir sind verpflichtet, es dankbar entgegenzunehmen und es zu seiner Ehre und zum Heil unserer Seele zu bewahren. Wir sind nur Verwalter, nicht Eigentümer des Lebens, das Gott uns anvertraut hat. Wir dürfen darüber nicht verfügen» (KKK 2280). Entsprechend sieht die Kirche im Suizid eine schwere Sünde («Du sollst nicht töten»).
Die Darlegungen des SKF-Vorstandes zum assistierten Suizid fokussieren fast ausschliesslich und einseitig auf die subjektive Befindlichkeit der sterbewilligen Person. Auch wenn im Text immer wieder geschrieben wird, der Mensch sei ein Beziehungswesen und Teil der Gesellschaft, wird doch die Situation der Angehörigen ebenso ausgeblendet wie die Gewissensfreiheit des medizinischen Personals.
Es ist dies nicht der einzige Positionsbezug des SKF, der konträr zur Lehre der Katholischen Kirche steht. Paradigmatisch ist dessen Einschätzung der Abtreibung. So gehöre zum Recht auf Selbstbestimmung auch das Recht auf sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche. Aus dieser verqueren Optik heraus lehnte der SKF auch die Volksinitiative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» (2011) ab, die Abtreibungen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen streiche wollte – als ob Schwangerschaft eine Krankheit wäre. Beim Thema Leihmutterschaft wiederum, die unstreitig eine Ausbeutung von Frauen darstellt und deshalb in vielen Ländern verboten ist, und wo das christliche Menschenbild zwingend nach einer öffentlichen Bekundung der Solidarität mit den betroffenen Frauen ruft, drückt sich der SKF um eine Stellungnahme herum.
Nicht die Positionsbezüge des SKF als solche sind das Problem. In einem freiheitlichen Rechtsstaat sind sie zu akzeptieren, so bedauerlich sie aus christlicher Warte auch sind. Nicht zu akzeptieren ist hingegen, dass dies unter der Flagge «katholisch» geschieht. Die zuständigen kirchlichen Autoritäten sind gefordert, diesem systematisch betriebenen Etikettenschwindel den Riegel zu schieben. Denn wo «katholisch» draufsteht, muss auch «katholisch» drin sein.
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